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verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

sollten einzelne Abschnitte ausführlicher behandeln. Rastlos arbeitete Humboldt an diesem Werke, bis der Tod dessen Faden abschnitt. Die letzte Korrektursendung langte von Stuttgart am 10. Mai 1859 in der Stunde in Berlin an, wo der Sarg Alexanders von Humboldt auf Befehl des Prinz-Regenten von Preußen in feierlichem Gepränge nach dem Dom geführt wurde. Das Werk ist unvollendet geblieben, aber trotzdem ist es in seiner Art unerreichbar, ein Denkmal, welches die Mit- und Nachwelt mit Bewunderung und Ehrfurcht erfüllt.

Die J. G. Cottasche Buchhandlung Nachfolger veranstaltet jetzt eine neue billige Gesammtausgabe der Werke Alexanders von Humboldt, und soeben ist der „Kosmos“ als der erste Theil dieser Veröffentlichung erschienen. Dreißig Jahre sind verflossen, seitdem Humboldt die letzten Zeilen geschrieben hat, und die Forschung ist in dieser Zeit in ungeahnter Weise fortgeschritten. An Stelle vieler Vermuthungen und Ahnungen sind festverbürgte Thatsachen getreten, und es genügt, nur auf die Spektralanalyse, welche uns die Zusammensetzung der fernen Sonnen erkennen läßt, hinzuweisen, um zu begreifen, welche Bausteine für das große Gebäude der Naturerkenntniß die jüngste Wissenschaft herbeigetragen hat.

Es ist gewiß ein seltsames Zusammentreffen, daß die Entdeckung der Spektralanalyse und das Erscheinen von Darwins einschneidendem Werke „Ueber die Entstehung der Arten“ mit dem Todesjahre Humboldts zusammenfallen. Sie kennzeichnen sozusagen den Beginn einer neuen Aera der Forschung.

Diese und andere Entdeckungen der Neuzeit lassen natürlicherweise vieles in dem Naturgemälde Humboldts veraltet erscheinen. Aber es ist kein Lehrbuch für das jüngste Geschlecht; der „Kosmos“ besitzt vor allem einen geschichtlichen Werth. Humboldt selbst schreibt in dem Vorwort: „Wenn ich bisweilen des klassischen Alterthums und der glücklichen Uebergangsperiode des durch große geographische Entdeckungen wichtig gewordenen fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts erwähnt habe, so ist es nur geschehen, weil in dem Bereich allgemeiner Ansichten der Natur es dem Menschen ein Bedürfniß ist, sich von Zeit zu Zeit dem Kreise streng dogmatisirender moderner Meinungen zu entziehen und sich in das freie, phantasiereiche Gebiet älterer Ahnungen zu versenken.“ Dieses Bedürfniß ist auch heute vorhanden. Darum sind veraltete naturwissenschaftliche Schriften nicht für jeden unlesbar. Wer für die Geschichte und Entwickelung des menschlichen Wissens Sinn und Interesse hat, wer aus diesem allmählichen und stetig der Vervollkommnung zustrebenden Wechsel der Meinungen Belehrung und Anregung zu schöpfen weiß, der wird noch heute zu dem großen Werke Humboldts greifen, welches uns die Natur „lebendig und in ihrer erhabenen Größe“ schildert. *

Die Elternzeitschrift „Cornelia“ feiert das Jubelfest ihres 25jährigen Bestehens. Alljährlich sind zwei Bände der „Cornelia“ erschienen und der fünfzigste geht seiner Vollendung entgegen. Die ganze Reihe bildet eine stattliche Bibliothek und eine Fundgrube für den Erzieher in Elternhaus und Schule. Die wichtigsten Fragen von dem weiten Gebiete der Erziehung hat die „Cornelia“ in den Kreis ihrer Betrachtungen gezogen und die aufmerksame Durchsicht schon eines einzigen Bandes der bewährten Zeitschrift legt dar, mit welchem Ernste hier gearbeitet worden ist und heute noch gearbeitet wird. Mit unverändert freudiger Begeisterung steht immer noch der verdiente Gründer der „Cornelia“, Dr. Karl Pilz in Leipzig, an der Spitze derselben, und heute wie vor einem Vierteljahrhundert ist seine Richtschnur der Wahlspruch: „Man bessert die Welt, wenn man die Jugend bessert.“

Dr. Karl Pilz ist am 4. August 1821 geboren, also heute bereits ein hoher Sechziger. In solchem Alter ist es kein Wunder mehr, wenn sich Gebrechen einstellen, welche die Arbeit auch des Thätigsten hemmen. So hat der Mangel an scharfem Gehör auch Karl Pilz gezwungen, einen Theil seines Arbeitsfeldes an eine andere, jüngere Kraft abzutreten; er hat sein mit Treue und Hingebung verwaltetes Lehramt niedergelegt. Aber in der „Cornelia“ setzt er seine Mitarbeit an dem Werke der Erziehung fort und an ihrer Spitze hoffen wir ihn noch lange Jahre rüstig schaffen zu sehen. **

Der Landbriefträger zur Winterzeit. (Mit Illustration S. 805.) Hurrah, das ist einmal ein lustiger Schnee! Kniehoch deckt er Weg und Steg, einer Flausdecke gleich birgt er schützend die Saat des Feldes, schwer hängt er an allen Bäumen, silbern glänzt er auf den Dächern. Das giebt einmal Schneemänner, und Schneeballen, und Schlittenbahnen!

Ja, aber viele Leute haben mehr zu thun, als Schneemänner zu formen oder mit Bällen sich zu balgen, und gar manchem von ihnen nützt auch die beste Schlittenbahn nichts, wenn nicht eine Fee mit ihr, zugleich Roß und Schlitten beschert. Und die Fee, sagt der Landbriefträger, ist launisch; ihn hat sie noch nie mit ihrer Freigebigkeit überrascht. Tag für Tag pilgert er durch sein weites Revier, Sommer und Winter, in Sonnenschein, Sturm, Regen und Schnee, auf holperigen Feld- und Waldwegen, in einsame Dörfer und abseits zu den fernsten Gehöften – und nirgends noch ist er ihr begegnet. Doch es macht nichts, freudlos ist sein mühevoller Weg darum doch nicht: verschieden sind die Lose, die seine Tasche birgt, aber immer gleich ist seine Treue in der Pflicht, sie auszutheilen, und das Bewußtsein davon ist sein Lohn und – hin und wieder ein freundliches Wort Beglückter, ein Druck der Hand, ein gern gewährter Imbiß. Da mag an rauhen Wintertagen der Schnee dann unter seinen Füßen knirschen oder fußhoch aufgehäuft sein, daß kaum der Weg noch zu erkennen ist – unverdrossen geht es vorwärts, Brief nach Brief wird bestellt, bis endlich die schwere, vollgepackte Tasche leer und der Weg wieder einmal vollendet ist.

Freilich, auch an Beispielen, daß der Weg nicht mehr vollendet wurde, daß der Athem vor dem Munde, das Blut in den Adern eisig erstarrte, fehlt es nicht. Oft sind im strengen Winter die zu überwindenden Hindernisse fast übermenschlich groß, und der Beruf des Landbriefträgers ist dann ein namenlos harter. Da stärkt das Bewußtsein steter Pflichterfüllung nicht die müden Glieder, wenn sie keine Statt zum Ausruhen finden, als im toddrohenden Schnee; da hilft kein Bewußtsein geleisteter Dienste, wenn auf verspätetem Wege das letzte mitgenommene Brot lange verzehrt ist und keine neue Stärkung winkt – da hilft allein die Rast am warmen Herde, der dargereichte Trunk, ein kräftiges Mahl! Und wenn an solchen Tagen der Landbriefträger kommt und pocht, da rufe zweimal herein und beweise Anerkennung und Dank mit der That! **




Kleiner Briefkasten.
(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)

C. A. in M. Sie möchten wissen, seit welchem Jahrhundert das deutsche Volk mit dem französischen à dieu grüßt und welche deutschen Abschiedsworte durch dasselbe verdrängt wurden. – Der französische Gruß ist schon etwa auf der Grenzscheide des 12. und 13. Jahrhunderts von den höfischen Kreisen Deutschlands, die ja bereits mit großer Vorliebe nach französischen Worten haschten, herübergenommen worden und erscheint denn auch zunächst in der höflichen Poesie jener Zeit und zwar zuerst im „Tristan“ Gottfrieds v. Straßburg (Anfang des 13. Jahrhunderts):

„friunt“, sprâchen jene, „a dê, a dê!“

In späterer Zeit begegnet die Grußformel fast nur in der altfranzösischen Gestalt aldê, so in Laßbergs „Liedersaal“:

„ach zartez liep, ich spriche aldê,“

oder an anderer Stelle:

„ich sprach zuo im aldê, aldê“ und so öfter.

Selbst im 15. und 16. Jahrhundert findet sich diese Form noch. Die heutige Gestalt à dieu ist zeitlich die letzte und erscheint nicht vor dem 16. Jahrhundert; aufgeführt wird sie zuerst beim Lexikographen Henisch (1616):

„ade, adi, adieu, gott behüt dich.“

In Frankreich war sie bereits seit dem 14. Jahrhundert im Gebrauch. – Abschiedsgrüße, wie sie vor der welschen Formel in Deutschland bräuchlich waren, sind: lebe wol, gehabt iuch wol, var wol (engl. farewell). Herrschend im Gebrauch ist aber keiner derselben gewesen, und eben deshalb ist es dem französischen Eindringling so leicht und schnell gelungen, allgemein Boden zu fassen und beinahe alle anderen Abschiedsformeln zu verdrängen.

Frau E. S. Wie wir schon oft betont haben, lassen wir uns auf briefliche Kuren grundsätzlich nicht ein; wir verweisen Sie vielmehr an einen Arzt. Aus Grund Ihrer ganz allgemeinen Mittheilungen können wir nicht einmal beurtheilen, was für ein Specialarzt Ihnen empfohlen werden könnte.

J. v. H., Nürnberg. Das Recht der von Ihnen erwähnten Züchtigung steht Eltern und Vormündern unbedingt zu.

L. N., Nijkerk. Wir bitten um Angabe Ihrer näheren Adresse, damit wir Ihnen brieflich antworten können.

B. S. in Verden. Die Geschichte vom „Swinegel un sine Fru“ in Kamerun in Nr. 39 dieses Jahrgangs hat den Wunsch in Ihnen rege gemacht, den eigentlichen Urheber jenes plattdeutschen Märchens zu erfahren. Selten ist dies bei einem Märchen möglich. In diesem Falle aber wissen wir es: es ist Wilhelm Schröder, der sich hauptsächlich durch Schriften in plattdeutscher Mundart einen Namen gemacht hat. Vergl. über ihn „Gartenlaube“ 1878, S. 703.

Militärpflichtiger in Br. Gewiß giebt es Zusammenstellungen der Garnisonsorte der deutschen Armee unter Berücksichtigung der neuen Benennungen der Regimenter. Eine solche ist z. B. in Berlin im Verlag von Wilhelm Ißleib (Gustav Schuhr) erschienen.

A. in G. Wir bedauern sehr, trotz Ihrer Bitte nicht von unserem Grundsatze abweichen zu können, und müssen sie auf den Weg zum Arzte verweisen.

R. M. Z., Magdeburg. Die Bestimmungen über die Bewerbung um den Doktorgrad sind an den verschiedenen deutschen Universitäten nicht überall gleich. Sie finden über die Einzelheiten Auskunft in dem Buche von Dr. Max Baumgart, „Grundsätze und Bedingungen zur Erlangung der Doktorwürde“ (Berlin, R. v. Deckers Verlag). – Was die gesellschaftliche Stellung der Zahnärzte anbelangt, so nimmt jeder von ihnen die Stellung ein, die er sich selbst schafft.

Dr. M. in D. Wir freuen uns, daß der Artikel „Wie entstehen Moden?“ in Nr. 40 und 41 der „Gartenlaube“ Ihr besonderes Interesse erregt hat. Der in Nr. 41 mitgenannte, um die Musterzeichnerei in Sachsen hochverdiente Professor der Dresdener Kunstgewerbeschule heißt H. Eckert, nicht Eckart.

Jul. B. in T. Das „Eisengeld“ der alten Spartaner steht gar nicht so allein da in der Welt wie man glaubt. Bei den wilden Stämmen im oberen Kongogebiet, zwischen Stanley-Falls und Njangwe, giebt es eisernes Geld, welches die Form von Speerspitzen hat und manchmal sechs Fuß lang ist. Jedenfalls müssen dort die Schatzkammern aussehen wie bei uns die Waffenkammern. Solches Geld findet sich in der reichen Sammlung afrikanischer Gegenstände, welche gegenwärtig in Regent Street in London ausgestellt ist; der junge Engländer Herbert Wood hat sie während eines fünfjährigen Aufenthalts am oberen Kongo gesammelt.


Für unsere Knaben und Mädchen empfohlen:
Deutsche Jugend.
Herausgegeben von Julius Lohmeyer.
Inhaltsverzeichniß des 2. Heftes, Band VIII (Preis des Heftes 40 Pf.):

Der wunderbarliche Königssohn. Märchen von H. Villinger. Mit Illustr. von H. Vogel. – Bergsteigerabenteuer. Von M. Reymond. Mit Illustr. von C. W. Allers. – Von Gemsjagden. Von Forstmeister Lizius. Mit Illustr. von F. v. Pausinger. – Indische Fakire. Von M. Reymond. Mit Illustr. von C. W. Speyer. – Die Aster. Von Georg Bötticher. – Sokus-Wai-nn-äts, der Ein-Zwei-Mann. Eine Indianermythe. Nach Forschungen von J. W. Powell, erzählt von Agnes Brauer. Mit Bild von A. v. Rößler. – Drei zierliche Nester. Von Eduard Rüdiger. Illustr. von Fedor Flinzer. I. Das Nest der Zwergmaus. – Goldne Worte. Von Gustav Freytag. – Kleine Fächer aus Kienholz zu schnitzen. Eine Weihnachtsarbeit von Minna Laudien. Mit Abbildungen. – Ein blutiger Streit um Nichts. Von C. Leo. – Knackmandeln, Räthsel etc.


Inhalt: Sakuntala. Novelle von Reinhold Ortmann (Fortsetzung). S. 805. – Ein Humorist fürs junge Volk. Von Dietrich Theden. S. 810. Mit Porträt und Randzeichnungen S. 809. – Das naturhistorische Hofmuseum in Wien. Schilderung von Gerhard Ramberg. Mit Abbildungen S. 812 und 813. – Eine kleine Vergnügungsreise. Humoreske von Hans Arnold (Schluß). S. 813. – Der Witwe Trost. Illustration. S. 817. – Blätter und Blüthen: Die Kunst, ein hohes Alter zu erreichen. S. 818. – Ein Werk der Selbsthilfe. Von H. Meißner. S. 818. – Lohnauszahlmaschine. Mit Abbildung S. 819. – Die illustrirte Marlitt-Ausgabe. S. 819. – Zimmerpflanzen im November. S. 819. – Kosmos. S. 819. – Die Elternzeitschrift „Cornelia“. S. 820. – Der Landbriefträger zur Winterzeit. S. 820. Mit Illustration S. 805. – Kleiner Briefkasten. S. 820.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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