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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

zu decken. Das Heim mußte wieder verkauft werden, und nach Deckung aller Schulden zog das Ehepaar mit – 50 Mark barem Vermögen in ein Mietshaus im Innern der Stadt.

Nach zwei Wochen kam zum drittenmal der Klapperstorch. Jetzt war die Kasse erschrecklich leer geworden, und nur zwei Tage noch – und Weihnachten stand vor der Thür! Der Künstler wollte wenigstens den Kindern eine Freude machen – womit aber ohne Geld? Da war es seine Frau, die Rath wußte: mach’ ihnen ein Bilderbuch! Das war ein Ausweg in der Noth. Die freie Rückseite alter Zeichnungen wurde flugs zu neuen Entwürfen benutzt. Er arbeitete von früh bis spät, mit Stift und Schere, und eben noch rechtzeitig wurde das Bilderbuch fertig: das erste Ziehbilderbuch „Lebende Bilder“.

Die Freude der Kinder war groß, und einem zufällig am Weihnachtsabend als Gast anwesenden Offizier gefiel das Erzeugniß eines trotz Noth und Sorge glücklichen Humors so gut, daß Meggendorfer sich entschloß, am folgenden Tage das Buch mit zu Braun und Schneider, den Verlegern der „Fliegenden Blätter“, zu nehmen und es diesen vorzulegen. Der Eindruck war ein unerwarteter. Auf der Stelle erwarb die Firma das Buch für ihren Verlag, und frohgemuth eilte der Künstler nach Hause. In der Tasche hatte er Gold, und das war das Nöthigste; die Kinder freilich verlangten nach ihrem Buche und waren erst durch lange Ueberredung und durch das Versprechen eines neuen „lebenden Buches“ zu beruhigen.

Von diesem Zeitpunkt an trat eine entschiedene Wendung zum Besseren im Schicksale Meggendorfers ein. Dem ersten humoristischen Bilderbuch folgten bald andere, und die früher zurückgewiesenen Arbeiten wurden jetzt von allen Seiten mit Vergnügen angenommen. Besonders waren es Braun und Schneider in München, welche in ihrem Blatte und den „Münchener Bilderbogen“ immer Verwendung für die eigenartigen Schöpfungen des Meggendorferschen Humors fanden. W. Spemann in Stuttgart zog den Künstler für seine Zeitschrift „Vom Fels zum Meer“ heran und verlegte von ihm einen Band Bilderhumoresken unter dem Titel „Der Sonnenschein“. Seit einigen Jahren hat auch die Firma J. F. Schreiber in Eßlingen Bücher Meggendorfers in Verlag, darunter besonders einen „Internationalen Zirkus“ und neuerdings ein Aufstellbilderbuch „Das Puppenhaus“, ein komisches Ziehbilderbuch „Daumenlang und Damian“, sowie „Meggendorfers lustige Bildermappe“. In englischen, französischen, selbst italienischen und ungarischen Ausgaben haben seine humoristische Bilderbücher eine fast beispiellose Verbreitung erlangt.

Im Jahre 1882 konnte Lothar Meggendorfer abermals bauen, und sein neues Heim erstand nicht weit von seinem früheren Besitz. An schöner Aussichtsstelle ist die stattliche Künstlerwerkstatt gelegen und von seinem Arbeitszimmer aus übersieht Meggendorfer die ganze Stadt München und die ferne Kette des Gebirgs.

Um die Pflege des Humors ist es in dem geschäftlich nüchternen Treiben der Neuzeit herzlich schlecht bestellt; der Humor will nicht gedeihen, wo die Interessenjagd alles Gemüthvolle zu ersticken droht. Um so höher ist es aber gewiß zu schätzen, daß abseits von der lärmenden Heerstraße ein Künstler von der Begabung Meggendorfers unberührt von der Prosa des Tages dem echten, freundlichen, niemand verletzenden Humor eine bleibende Heimstätte bereitet hat. Dietrich Theden.     




Das naturhistorische Hofmuseum in Wien.

Schilderung von Gerhard Ramberg. Mit Abbildungen von Stef. Aug. Kronstein.

Wer die Wiener Neubauten betrachtet, genießt wahrlich den großartigsten Anschauungsunterricht über verschiedene Stilarten der Architektur. Parlament und Rathhaus zeigen uns, wie man die Bauweisen vergangener Zeiten dem heutigen Bedarf dienstbar machen kann. Und die Gruppe prächtiger Gebäude, welche einerseits von der Universität, andererseits von den beiden Hofmuseen, dem naturhistorischen und dem kunsthistorischen und dem neuen Theil der Hofburg gebildet wird, hat wohl in keiner Stadt ihresgleichen.

Die beiden Hofmuseen! Sie werden immer gemeinsam genannt und gemeinsam betrachtet werden, weil sie gemeinsam gedacht und geschaffen sind. Die beiden symmetrisch aufgeführten Riesenbauten stellen, durch das Maria-Theresia-Denkmal[1] verbunden, ein großes Kunstwerk dar. Die Wirkung, welche die symmetrische Wiederholung eines derartigen mächtigen Baukörpers hervorbringt, ist stets eine gewaltige: das haben die beiden Architekten Hasenauer und Semper weislich erwogen! Gottfried Semper, der mehrere Jahre lang an dem großen Werke mitgewirkt hatte, gehört seit einem Jahrzehnt zu den Todten. Karl von Hasenauer aber genießt das Glück, seine große Schöpfung nunmehr vollendet zu sehen. Er durfte die Eröffnung des naturhistorischen Museums, welche am 10. August durch den Kaiser feierlich vollzogen wurde, erleben.

Bevor wir jedoch in den Palast der Naturwissenschaften eintreten, seien die beiden Schwesterbauten von künstlerischen Gesichtspunkten aus gewürdigt. Und wenn wir uns auch nicht stummer Bewunderung hingeben und unser kritisches Auge offen halten, müssen wir doch von der tiefsten künstlerischen Verehrung für ihre Meister erfüllt werden.

Das Aeußere der beiden Museen, deren jedes im Viereck einen Hof umschließt, ist bis auf den bildnerischen Schmuck vollständig gleichartig. Der Unterbau, in mächtige Steinquadern gegliedert, umfaßt zwei Erdgeschosse. Das Tiefparterre reicht an der Lastenstraße unter die Straßenebene und ist durch verhältnißmäßig kleine, nahezu rechteckige Lichtöffnungen gekennzeichnet, während das Hochparterre durch riesige, drei Meter breite Rundbogenfenster erhellt wird. Auf dem Unterbau erhebt sich das Hauptgeschoß mit zwei Stockwerken, von denen das obere wiederum als Halbstock sich darstellt. Somit giebt die Hauptfassade nicht nur in wagrechter, sondern auch in senkrechter Richtung einen symmetrischen Eindruck.

In dem Mittelbau befinden sich die Vorhalle und das Stiegenhaus, durch welches der innere Hof in zwei rechteckige Hälften getheilt wird. Unmittelbar auf der Vorhalle erhebt sich eine mächtige Kuppel mit vier Tabernakeln (Seitenthürmchen), welche die Ueberleitung von der viereckigen Grundform zur achteckigen Kuppel bilden und leider kaum von irgend einem Standpunkte gleichzeitig gesehen werden können. Es ist also zu bemerken, daß sich die Kuppel nicht über dem Mittelpunkt des Hauses, sondern auf der Fassade erhebt, wodurch sie von unten besser sichtbar wird, während sich die scheinbare Willkürlichkeit dieser Anordnung durch die Symmetrie der beiden großen Steinkörper ausgleicht. Als krönende Riesenfigur ist beim kunsthistorischen Museum Pallas Athene, beim naturhistorischen Museum Phöbus Apollo verwendet. In der Regel wird zwar Minerva als die Beschützerin der Wissenschaft und Apollo als Kunstgott betrachtet, hier aber ist Pallas Athene als Göttin der künstlerischen Erkenntniß und der Sonnengott Helios als belebendes Princip in der Natnr, als Licht- und Wärmespender aufgefaßt worden.

Der äußere, bildnerische Schmuck der Hofmuseen ist ein sehr reicher, aber es würde uns zu weit führen, wollten wir alle einzelnen Figuren und Reliefe, welche die Balustrade des Daches und die Fassaden schmücken, aufzählen. Nur so viel sei gesagt, daß uns diese Bildwerke nicht nur künstlerisches Behagen, sondern auch die Befriedigung gewähren, daß zahlreiche Wiener Bildhauer während langer Jahre anregende und nutzbringende Arbeit an ihnen gefunden haben. Diesen Künstlern wäre es freilich lieber, ihre Bildwerke weniger hoch gestellt und des Gegensatzes wegen nicht in derselben Farbe ausgeführt zu sehen, wie sie das Aeußere des Hauses selbst trägt. Zwar wurden die Figuren und Reliefe in hellerem Material gemeißelt, aber Wind und Wetter haben seither die Unterschiede verwischt. Nirgends hebt sich der bildnerische Schmuck lebhaft vom Steingefüge ab, nirgends springt er ins Auge. Daß aber der Gesammteindruck hierdurch beeinträchtigt werde, wagen wir nicht zu behaupten. Vielleicht verhilft gerade solche Eintönigkeit zu großer Wirkung.

Treten wir nun durch das Hauptthor in die mächtige Vorhallen des naturhistorischen Hofmuseums ein! Dieselbe ist (vergl. die Abbildung S. 812) mit einer flachen Wölbung überdacht, welche durch eine kreisrunde Oeffnung das Licht aus der Hauptkuppel einfallen läßt. Wir fühlen uns weder gedrückt noch vereinsamt; wir athmen frei und freudig in dieser gewaltigen Halle. Zur


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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 811. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_811.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)