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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Einführung der vollständigen Gütertrennung und die gesonderte Verwaltung des Eheguts beantragte. Es bedürfte dann bloß der weiblichen Ueberredungskunst, jene Zugeständnisse dem Manne in den Flitterwochen abzuschmeicheln.

So wenig der Gesetzentwurf sich der Thatsache verschließt, daß die Auflösung einer Ehe zu einer Forderung der Gerechtigkeit werden kann, wenn im Einzelfalle die sittlichen Grundlagen untergraben und Voraussetzungen einer innigen Lebensgemeinschaft unter den Ehegatten nicht mehr vorhanden sind, so fern hält er sich von einer Begünstigung der Ehescheidung. Er tritt vielmehr für möglichste Erhaltung des geschlossenen Lebensbundes ein. So schließt er jede Scheidung auf Grund einer bloßen gegenseitigen Einwilligung der Eheleute streng aus, obwohl neuere Gesetze dieselbe wenigstens bei kinderlosen Ehen zulassen, verwirft ebenso körperliche Gebrechen, eingetretene Geisteskrankheit, unüberwindliche Abneigung und Religionswechsel als Ehescheidungsgründe und beschränkt die letzteren auf Ehebruch, Nachstellung nach dem Leben und böswillige Verlassung, sowie auf einige mit den Verhältnissen wechselnde Gründe, deren Beurtheilung dem Ermessen des Richters im einzelnen Falle anheimgestellt ist. Auch einer Trennung auf Zeit erweist sich der Entwurf abhold, da eine solche mit dem Wesen der auf Lebensdauer abgeschlossenen Ehe nicht im Einklang zu stehen scheint. Den aus der Scheidung schuldigen Theil belastet er mit Pflichten und Vermögensnachtheilen.

Die Pflicht der Unterhaltung von mittellosen Verwandten dehnt der Entwurf auch auf die Geschwister aus, um die stark in Anspruch genommene öffentliche Armenunterstützung zu entlasten.

Die elterliche Gewalt über das minderjährige Kind, welche dem Vater und nach dessen Tode der Mutter zufällt, faßt der Entwurf nach deutschrechtlicher Anschauung mehr als eine fürsorgende Vormundschaft auf. Der Vater muß das Kind erziehen und erhalten, ist dasselbe aber zufällig reich und er arm, so ist er nicht verpflichtet, ihm eine über seinen, des Vaters, Stand hinausgehende Erziehung zu geben. Eine Pflicht zur Ausstattung der Töchter erkennt das Gesetz nicht an. Das Kind kann durch Zuwendung von außen oder eigne Arbeit freies Vermögen erwerben, das dem väterlichen Nutzungsrecht entzogen ist.

Eine Bevormundung des minderjährigen Kindes im eigentlichen Sinne tritt erst ein, wenn es nicht mehr der väterlichen oder mütterlichen Gewalt unterstellt ist (sowie im Falle des Mißbrauchs dieser Gewalt). Die obervormundschaftliche Leitung legt der Entwurf in die Hände des Gerichts. Eine Uebertragung derselben an die Gemeinde, für welche neuere Gesetze sich aussprechen, schien nicht angemessen; ebensowenig die Einführung des französischen Instituts des Familienraths an Stelle des Vormundschaftsgerichts. So bestechend und natürlich es auch schien, der organisirten Familie den maßgebenden Einfluß auf das Vormundschaftswesen zu überlassen, so sprachen doch praktische Gründe dagegen. Dies hindert indeß nicht, daß im einzelnen Falle, z. B. wo es sich um die Leitung großer industrieller Unternehmungen handelt, auf Wunsch der Betheiligten ein Familienrath unterstützend herangezogen werde. Ebenso empfiehlt der Entwurf die Bildung von Gemeindewaisenräthen, wie sie hie und da bestehen als Hilfsorgane der Gerichte. Neben der elterlichen Gewalt und der Vormundschaft über Minderjährige kennt der Entwurf auch die Einrichtung der Pflegschaften für einzelne Fälle, wo jene Institute, ausgeschlossen sind, gleichwohl aber eine vormundschaftliche Fürsorge angezeigt ist.

In bezug auf das Erbrecht entscheidet sich das neue Gesetz für das System der sogenannten

Stickerei auf gemalter Seide von H. Mankiewicz.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 797. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_797.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)