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verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

auch die Räume an sich in den Kellerwohnungen und Dachwohnungen sind ungesund. Die Pariser Armenverwaltung hat vor kurzer Zeit festgestellt, daß die Wohnungen von 39 603 Haushaltungen, welche durch sie unterstützt werden, in gesundheitlicher Beziehung durchaus ungenügend waren. Ein anderer aus diesen Verhältnissen erwachsender Mißstand ist der fortwährende Wohnungswechsel; eine zahlreiche Klasse unserer Bevölkerung ist bereits auf dem Standpunkte der Wohnungsnomaden angelangt. In den volkreichen Städten findet vierteljährlich ein wahrer Massenauszug statt. Entweder der Miether zahlt nicht und wird von dem Vermiether auf die Straße gesetzt, oder dieser findet einen angenehmeren Miether und kündigt deshalb dem bisherigen.

Dieser trostlosen Wohnungsnoth zu steuern, vermag weder der Staat allein noch die Gesellschaft noch die gemeinnützige wohlthätige Gesinnung und Thätigkeit der einzelnen, sondern das vermögen nur alle diese zusammen. Den Bau kleiner Arbeiterwohnungen muß der Staat und die Gemeinde begünstigen; gemeinnützige Bau- und Wohnungsgesellschaften müssen sich bilden zur Errichtung kleiner, gesunder Wohnungen. Es bedarf dabei nicht einmal finanzieller Opfer, eine mäßige Verzinsung ist sicher. Auch die Arbeiter selbst sind in der Lage, durch Vereinigung zu Baugenossenschaften Häuser zu errichten, die im Laufe der Zeit in ihr Eigenthum übergehen. Es ergeht daher an jeden einzelnen unseres Volkes die Mahnung, sich nach Kräften an der Lösung dieser Frage zu betheiligen, wo er im Staats- und Gemeindedienst dafür wirken kann, sie fest im Auge zu behalten, sich jeder Genossenschaft anzuschließen, die nach solcher Lösung strebt. Ohne ein sicheres, sauberes Heim schwebt das ganze Familienleben in der Luft, und gerade auf dieser Grundlage hat sich ja das deutsche Volk bisher sein nationales, sittliches und geistiges Leben aufgebaut.

Mund zu! Ein Rathschlag für den Winter. Die Natur hat alles weise eingerichtet und uns zu unserem Nutzen mit vielen Schutzmitteln gegen allerlei Gefahren ausgerüstet. Ein solches Schutzmittel ist die Nase, denn sie ist keineswegs nur ein Riechorgan, sondern dient noch anderen wichtigen Zwecken. Zur Aufnahme fester und flüssiger Speisen ist uns der Mund beschert worden, zur Aufnahme der Luftspeise dient die Nase. Die Luft, die wir athmen, soll zuerst diesen Respirator durchlaufen und wird in ihm vorgewärmt, wenn sie zu kalt ist; feucht gemacht, wenn sie zu trocken sein sollte, und außerdem vom Staub gereinigt. Leider unterlassen viele, diese natürliche Athmungsvorrichtung zu benutzen, und gewöhnen sich das Athmen durch den Mund an. Diese Gewohnheit ist nicht schön und auch nicht für die Gesundheit förderlich. Wer darunter zu leiden hat, das ist der Rachen oder der Hals, wie man zu sagen pflegt. Es ist leicht erklärlich, daß ein kalter Luftstrom, der plötzlich den erhitzten Rachen trifft, Katarrhe zur Folge haben kann, und abgesehen von Staub und unnöthiger Verweichlichung dürfte der „schlimme Hals“ oft auf jenes unvernünftige Athmen zurückgeführt werden.

Der Rachenkatarrh ist an und für sich etwas Lästiges, er wird leicht chronisch, d. h. dauernd, geht dann auf den Kehlkopf über und verdirbt die Stimme; er ist schon darum ernst zu nehmen. Für die Kinder ist er aber noch von besonderer Bedeutung. Es steht fest, daß ein gesunder Hals ein treffliches Schutzmittel gegen die fürchterliche Diphtheritis bildet, da die gesunde Schleimhaut keinen günstigen Boden für die Aufnahme des Ansteckungsgiftes bietet, während die erkrankte ihm keinen Widerstand entgegenzusetzen vermag. Aus diesem Grunde ist es dringend geboten, im frühen Alter der Entstehung von Halskatarrhen vorzubeugen.

Das Halstuch, von dem früher ein so übertriebener Gebrauch gemacht wurde, ist heutzutage auf das richtige Maß der Anwendung zurückgeführt worden. Wünschenswerth wäre es nun, daß man auch der Nasenathmung mehr Beachtung schenken wollte. Die Gefahr der Erkältung ist namentlich bei dem schroffen Uebergang aus der warmen in die kalte Luft vorhanden, und vergrößert wird sie noch, wenn der Hals durch Sprechen und Singen vorher angestrengt worden ist. Wir sollten darum beim Verlassen des warmen Zimmers wenigstens die erste Zeit im Freien nur durch die Nase athmen und das Sprechen unterlassen. Das thun aber die Schulkinder in der Regel nicht.

„Mund zu beim Verlassen der Schule!“ ist darum ein gesundheitlicher Wink, den wir der Beachtung der Lehrer in kälteren Jahreszeiten empfehlen möchten, ebenso wie die Eltern darauf halten sollten, daß die Kinder frühzeitig sich die Nasenathmung angewöhnen. Daß man auch vermeiden sollte, die Singstunde während der Wintermonate als die letzte Unterrichtsstunde anzusetzen, ist im Interesse der Erhaltung der Stimme der Schulkinder gleichfalls zu wünschen. *

Das Schlachtgewicht der Hausthiere. Eine merkwürdige Beobachtung macht der Statistiker, wenn er den Bestand der den Menschen zur Nahrung dienenden Hausthiere in Europa und deren Schlachtgewicht von früher und jetzt vergleicht. Es hat sich herausgestellt, daß der Viehbestand Europas mit der Bewegung der Bevölkerungsziffer in den meisten Ländern nicht gleichen Schritt gehalten hat, sondern hinter derselben erheblich zurückgeblieben ist, aber es werden gegen früher nicht nur schwerere Schlachtthiere zu Markte gebracht, es hat sich auch – abgesehen vom Rindstalg, der durch die Einführung des Palmöls zur Seifenbereitung nur in geringen Mengen noch verwendet wird, von Jahr zu Jahr im Preise gesunken ist – der Werth der einzelnen Fleisch- und Fetttheile und der anderen Nutzstoffe gegen früher erhöht. Es ist eine Vergrößerung des Fleisch- und Fettgewichtes der einzelnen Schlachtthiere, also eine Verbesserung der Thierqualität durch sorgfältige Auswahl beim Ankauf und durch Mastfütterung erzielt worden. Hierzu seien nur wenige Beispiele nach Dr. v. Scherzers statistischen Angaben aufgeführt. Im Jahre 1720 betrug in England das durchschnittliche Schlachtgewicht eines Ochsen 168 kg, eines Kalbes 23 kg, eines Hammels 12½ kg, – im Jahre 1820 aber war das Schlachtgewicht des Ochsen auf 260 kg, das des Kalbes auf 45 kg, das eines Hammels auf 25 kg gestiegen, während ebendort heut vielfach Ochsen von 750 kg und Schafe von über 50 kg Schlachtgewicht vorkommen.

Ganz ähnlich verhält es sich im Deutschen Reiche. Gegenwärtig beträgt in Deutschland das mittlere Lebendgewicht für Stiere und Ochsen 466 kg, für Kühe 380 kg, für Kälber unter 6 Wochen 50 kg, für Schweine über ein Jahr 116 kg. In Frankreich hat seit dem Jahre 1840 das durchschnittliche Schlachtgewicht der Hausthiere ebenfalls bedeutend zugenommen, und zwar das der Ochsen um 52 kg, das der Kühe um 69 kg, das der Kälber um 15 kg, das der Schafe um 6 kg und das der Schweine um 15 kg. Die Verbesserung der Thierqualität in Europa ist eine Thatsache, welche die langsamer vor sich gehende Vermehrung des Viehstandes ausgleicht. H. Z.

Die Opfer des Meeres. In England wurden neuerdings die Ergebnisse einer Statistik veröffentlicht, welche ermitteln sollte, wie viel Menschen bei der Handels- und Fischereiflotte zu Grunde gehen. Demnach hat das Meer in 10 Jahren 30 000 Menschenleben gefordert. Die höchste Ziffer, 3512 Opfer, wurde im Jahre 1882, die niedrigste, 2071, im Jahre 1888 verzeichnet. Diese Zahlen beweisen, wie nöthig es noch ist, das Rettungswesen zur See allen Betheiligten ans Herz zu legen und richtige Kenntnisse über die Rettung Ertrinkender und die Selbstrettung in Wassergefahr zu verbreiten. Wir verweisen dabei noch einmal auf unsern S. 621 dieses Jahrgangs veröffentlichten Artikel, der die hierauf gerichteten Bestrebungen des deutschen Samaritervereins näher beleuchtet. *




Kleiner Briefkasten.
(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)

P. S. in Hofgeismar. Das Beispiel von späten Zähnen, welche Sie anführen, steht nicht so vereinzelt da. Ein Landsmann von Ihnen, der 1707 verstorbene Arzt Johannes Dolaeus berichtet von einem Burggrafen von Schauenburg in der Grafschaft Nassau, daß er im 80. Lebensjahre noch einen Zahn, einen sogenannten „Augenzahn“ bekommen habe. Desgleichen wird berichete, daß Christoph Göbel, ein vertriebener Böhme, der sich nach dem Westfälischen Frieden in Bärenstein bei Annaberg niedergelassen hatte und bei so guter Gesundheit war, daß er noch im Alter von 90 Jahren als Taglöhner sein Brot verdienen konnte, im 94. Jahre, nachdem er längst alle Zähne verloren hatte, einen neuen Zahn erhielt, der ihm viel Schmerzen bereitete und ihn, als einziger, beim Essen sehr belästigte, weshalb er ihn auch bald wieder herausriß. Aeltere und neuere Schriftsteller wissen sorgar von Menschen zu berichten, die im Alter von über hundert Jahren noch neue Zähne bekommen haben.

Frau Marie H. in St. Noch vor einem Jahrzehnt würde Ihre Frage, ob die Gastgeber die Verpflichtung haben, bei großen Gesellschaften für gegenseitige Vorstellung der Gäste zu sorgen, eine „nicht aufzuwerfende“ gewesen sein, denn damals verpflichtete die altherkömmliche Gesellschaftsregel unbedingt dazu. Heute macht sich allerdings vielfach die Neuerung bemerkbar, daß Hausherr und Hausfrau die Vorstellung ihren Gästen selbst überlassen, aber die Geselligkeit gewinnt nichts bei diesem Losmachen von der fürsorgenden Rücksicht und Höflichkeit. Der einzelne bleibt seinem Schicksale überlassen, eine allgemeine lebhafte Unterhaltung wird immer seltener, das gelangweilte Herumstehen an den Wänden immer mehr zur Regel, deshalb sollte ein einmüthiger Protest gegen diese neue, unschöne „Mode“ eingelegt werden. Nur wo das bewirthende Ehepaar sich freundlich um seine Gäste bemüht, kann es diesen wohl werden, aber auch nur dort sind sie zur Gegenleistung einer anregenden Unterhaltung verpflichtet, ohne welche selbst die luxuriöseste Gesellschaft zum niedrigen Rang einer Abfütterung herabsinkt!

Frau B. in Schleswig. Sie haben in einer Zeitungsanzeige die Empfehlung eines ausgezeichneten Zwiebacks gelesen, erinnern sich aber des genaueren nicht mehr der guten Quelle. Nun, vielleicht hilft Ihnen das folgende Rezept aus der Verlegenheit, welches jeder Hausfrau Mittel und Wege zeigt, sich guten Zwieback selber zu bereiten. Die Arbeit ist höchst einfach. Man nimmt „Einback“, der am Tage vorher gebacken wurde, und schneidet ihn in dünne Scheibchen, die ohne Fett oder Butter auf einem Blech in der Bratröhre geröstet werden, bis sie hellbraun werden. Im Nothfall können auch Semmel und Franzbrot verwendet werden. Kranke, ältliche und schwache Personen vertragen diesen Zwieback ausgezeichnet, und er bewährt sich auch bei Magen- und Darmkatarrhen. Dieses Hausgebäck hat auch den Vortheil, daß es in einer Blechdose tage-, ja wochenlang aufbewahrt werden kann, ohne an Wohlgeschmack zu verlieren. Es bekommt jedem, und wer daran nicht knuspern kann, der kann es in seinem Milchkaffee aufweichen und getrost genießen.


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Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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