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verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Kameraden zur letzten Ruhestatt fern von der Heimath und ihren Lieben getragen.

Werfen wir nun zum Schluß noch einen Blick auf die öffentlichen Denkmäler, welche Posen besitzt. Es sind deren nur wenige. Auf dem Alten Markt befindet sich eine zur Erinnerung an das Thorner Blutbad von 1724 errichtete Bildsäule des St. Johannes (Nepomuk), ohne besonderen Kunstwerth. Ein schönes Marmordenkmal ist dem polnischen Dichter Adam Mickiewicz (1798 bis 1855) im Garten der katholischen Martinskirche errichtet worden. Auf dem Wilhelmsplatze, vor dem Haupteingange zum Stadttheater, steht, umgeben von hübschen Gartenanlagen, das sogenannte Nachod-Denkmal, dessen Abbildung S. 683 steht. Das Postament trägt einen den Gegner trotzig herausfordernden Löwen. An den Ecken des Postaments sind vier Kriegergestalten angebracht, welche die Porträtköpfe der vier Generale des 5. Armeecorps: v. Steinmetz, Graf Kirchbach, v. Löwenfeld und v. Wnuck, zeigen. Während dieses Denkmal der Erinnerung an den Feldzug von 1866 gewidmet ist, gilt ein am Kanonenplatze vor dem neuen Generalkommando errichtetes, noch der Enthüllung harrendes Monument der Erinnerung an den Feldzug gegen Frankreich. Dasselbe ist von Bärwald modellirt und trägt auf dem Sockel ein schönes Standbild des Neubegründers des Deutschen Reiches, des unvergeßlichen Kaisers Wilhelm I.

Das Stadttheater.

Wir sind mit unserer Wanderung durch die Hauptstadt des Großherzogthums Posen zu Ende. Dem Leser, welcher uns auf derselben begleitet hat, wird diese kurze Skizze gezeigt haben, daß Posen wohl den Anspruch erheben darf, in der Reihe der größeren deutschen Städte einen bescheidenen Platz zu finden. Posen zeigt nicht allein äußerlich in seinem weitaus größten Theile das Bild einer deutschen Stadt, auch die Bewohnerschaft der Stadttheile westlich der Warthe gehört in überwiegendem Maße dem deutschen Volksthum an. Der Einfluß der beiden Nationalitäten, welche sich im ganzen der Zahl nach ungefähr gleich stehen, zeigt sich recht deutlich in der städtischen Vertretung, welche zur Zeit aus 32 deutschen und 4 polnischen Stadtverordneten besteht.

Nimmt Posen doch auch in der Reihe der Bollwerke, welche Deutschlands Grenzen zu schützen haben, als Festung ersten Ranges und vermöge seiner Lage an der Ostgrenze des Reiches eine ganz hervorragende Stellung ein. Im Jahre 1828 wurde mit den Befestigungsarbeiten begonnen, welche erst in neuerer Zeit ihren vollständigen Abschluß erreichten.

Große Vereinigungen, welche sich über ganz Deutschland erstrecken, wie der „Volkswirthschaftliche Kongreß“, die „Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung“ und der „Gesammtverein der deutschen Geschichts- und Alterthumsvereine“ haben in Posen ihre Versammlungen abgehalten. Die Besucher derselben sind mit den besten Eindrücken von der gastlichen Stadt geschieden und haben in ihrer Heimath so manches eingewurzelte Vorurtheil gegen dieselbe zerstreut.

Wenn es dem Verfasser dieser kurzen Schilderung gelungen sein sollte, durch dieselbe auch ein wenig zur Beseitigung solcher Vorurtheile beigetragen zu haben, so wird er sich reich belohnt finden.




Neue Heilmittel.

Unsere Aerzte schreiben nicht mehr die ellenlangen Rezepte, die in früheren Zeiten üblich waren. Der Arzneischatz ist einfacher geworden und viel Kraut und Fett, das werthlos war, ist aus den Apotheken verschwunden. An Stelle der alten Heilmittel treten aber neue. Das war früher auch der Fall, und wir werden immer von neuen Heilmitteln hören, denn wir müssen vorwärtsschreiten und kennen noch lange nicht alle heilsamen Stoffe, welche die Natur erzeugt.

Das Auftauchen neuer Heilmittel ist aber in unserer Zeit besonders häufig geworden, denn einerseits ist die wissenschaftliche Erforschung ferner Länder eine gründlichere geworden, andererseits hat die Chemie ungeahnte Fortschritte gemacht und überschüttet uns förmlich mit neuen Stoffen. Wir können mit dieser regen Thätigkeit zufrieden sein. Viel Gutes und Segensreiches ist damit erreicht worden. Denken wir z. B. nur an das Cocain, mit dessen Hilfe schmerzlose Augenoperationen gemacht werden! Und doch haben die neuen Heilmittel einen Uebelstand mit sich gebracht, der im allgemeinen Interesse aufgedeckt werden muß.

In irgend einer Klinik werden Versuche mit irgend einer neuen Drogue oder neuerzeugten Verbindung angestellt, sie berechtigen zu den schönsten Hoffnungen und der Leiter der Klinik theilt seine Erfahrungen in einem ärztlichen Fachblatte der ärztlichen Welt mit. Er bezweckt damit, daß seine eigenen Beobachtungen durch sachverständige Kollegen kritisch geprüft werden, damit alsdann, vielleicht nach einer Reihe von Jahren, über das neue Heilmittel ein zutreffendes Urtheil abgegeben werden kann. Aber die Mittheilungen des Arztes erlangen rasch weitere Verbreitung. Unsere Presse muß für Neuigkeiten sorgen: je mehr Aufsehen die Neuigkeit macht, desto lieber wird sie gelesen. Die Medizin bietet da ein recht dankbares Gebiet, von dem man viel Ueberraschendes holen kann, und diese Neuigkeiten interessiren so viele, denn viele sind krank und fast jeder hat einen kranken Freund oder Verwandten.

Der Versuch des Klinikers wird also ins Volk getragen. In ein paar Druckzeilen – denn die Notizen müssen für unsere hastige Zeit möglichst kurz gehalten werden, damit die schwachen Nerven der Leser nicht ermüden – wird die Quintessenz der mühevollen Forscherarbeit mitgetheilt und die Laienwelt liest eines schönen Morgens, daß dieser oder jener berühmte Professor in einer afrikanischen Drogue oder in einem Nebenerzeugniß der Anilinfabrikation ein neues Heilmittel gegen Herz-, Lungen- oder Nervenleiden aufgefunden habe! Von Neben- und Nachwirkungen desselben ist in der Notiz selten die Rede; dazu fehlt es ja an Raum und das würde auch die Wirkung abschwächen. So schafft eine kritiklose Sucht nach Neuheit eine Art Reklame für ein Heilmittel, welches die Aerzte selbst nur in bestimmten Fällen und mit größter Vorsicht anwenden. Diese Reklame bleibt nicht ohne Folgen; ein Droguenhändler oder Fabrikant wendet dem neuen Heilmittel seine „besondere Aufmerksamkeit“ zu. Es stand ja gedruckt, daß es gegen Migräne, Nervenschwäche oder dergleichen geholfen habe. Der unternehmende Mann verarbeitet es in Pastillen, Thee oder Wein, und bald darauf ist das neue Heilmittel überall zu kaufen und wird in zahllosen Zeitungsinseraten als Heilmittel gegen bestimmte Krankheiten anempfohlen.

Kann dadurch die Gesundheit der Abnehmer geschädigt werden? Diese neuen Heilmittel, meinen die meisten, sind doch keine Gifte! Wären sie Gifte, so würde man den Verkauf nicht gestatten. Dafür giebt es ja Gesetze!

Darauf ist zu erwidern, daß es auch Stoffe giebt, die nur bei längerem Gebrauch zerrüttend wie Gifte auf den Organismus wirken, und viele der neuen Heilmittel sind gerade solche schleichende Gifte. Der Mißbrauch, der mit ihnen von dem verleiteten Publikum getrieben wird, enthüllt alsdann diese verderblichen Eigenschaften, welche unter steter sorgfältiger ärztlicher Bewachung nicht hätten zur Geltung kommen können.

Ein Beispiel: Es sind erst wenige Jahre verflossen, seitdem die ersten Loblieder auf das Cocain ertönten und leider eine Unzahl von Cocainpräparaten in den Handel gebracht wurde, die ohne ärztliche Verordnung im Handverkauf abgegeben wurden. Wer dachte bei diesem Mittel, welches ja die Indianer zur Stärkung brauchen, an verderbliche Folgen?

Und heute? Unter den Heilanstalten am Rhein empfiehlt sich eine auch für Morphiumkrankheit, Cocainismus und Schlaflosigkeit. Der „Cocainismus“, die Cocainsucht, ist eine neue Krankheit, die wir vor nicht langer Zeit noch nicht kannten, eine neue Form der Nervenzerrüttung, die durch den Mißbrauch der Cocainpräparate hervorgerufen wird. Sie ist dem Morphinismus ähnlich, aber schlimmer als dieser und der Alkoholismus. Wer hätte das gedacht? Nachdem die Sucht um sich gegriffen hat, denkt man an Abwehr. In Schwarzburg-Rudolstadt wurde neuerdings das Cocain im Handverkauf verboten, und andere Verbote werden diesem bald folgen. Das neue Heilmittel hat indessen seine verhängnißvolle Nebenwirkung geübt.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1889, Seite 686. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_686.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)