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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

wenn wir ihnen eine Skizze der allgemeinen Einrichtung einer solchen Anstalt entwerfen. N. N. wünscht, daß seine Sachen, da in der Familie ein Diphtheritisfall vorgekommen ist, desinfiziert werden. Nach erfolgter Anzeige, die in Berlin auch durch jede telephonische Gelegenheit besorgt werden kann, fährt vor seinem Hause ein Anstaltswagen vor. Das Anstaltspersonal füllt die Sachen in mitgebrachte Leinwandsäcke, die mit Carbolsäure besprengt sind, und fährt mit ihnen nach der Anstalt ab.

Einen Grundriß derselben finden wir in der beigegebenen Planzeichnung.

Der Wagen fährt vor die Thür T1; hier werden die mit Ansteckungskeimen behafteten Sachen in Empfang genommen und in den Aufbewahrungsraum R1 gebracht. Von diesem gelangen sie in den eigentlichen Desinfektionsraum D1, den wir in dem großen Bilde dargestellt sehen. Von jedem der drei Apparate (a), die hier aufgestellt sind, ist nur die Hälfte sichtbar; denn die Räume D1 und D2 sind durch eine luftdichte Wand (W) von einander getrennt und in diese sind die Apparate eingemauert. Im Raum D1 wird der Wagen des Apparates mit den zu desinfizierenden Sachen gefüllt und, nachdem der Apparat geschlossen worden ist, der Dampf eingelassen. Ist die Desinfektion nach einer festgesetzten Frist, etwa einer halben Stunde, beendet, dann wird durch ein Klingelzeichen das Personal in dem Raume D2 davon in Kenntniß gesetzt. Es öffnet hierauf die in diesem Raume befindliche zweite Thür des Apparates, zieht den Wagen heraus, entnimmt ihm die desinfizierten Gegenstände und bringt sie in den Aufbewahrungsraum R2, der von dem Raume R1 gleichfalls durch eine luftdichte Wand abgeschlossen ist.

Ein neuer Wagen fährt hierauf vor die Thür T2 und bringt die desinfizierten Sachen dem Eigenthümer zurück, der sie ohne die geringste Gefahr für die Gesundheit wieder benutzen kann.

In der Anstalt ist aufs strengste der Grundsatz durchgeführt, daß zwischen den Leuten, welche mit den zu desinfizierenden Sachen, und denjenigen, die mit den desinfizierten Sachen zu thun haben, keine Berührung stattfindet. Für beide Theile sind besondere Eingänge geschaffen, auch der Wagenhof ist durch eine Mauer abgetheilt; besondere Wagen holen die Sachen ab und besondere bringen sie zurück.

In diesen Apparaten, die in ähnlicher Form nunmehr auch von anderen Firmen gebaut werden, können alle Gebrauchsgegenstände desinfiziert werden, und fast keiner erleidet durch die heißen Dämpfe Beschädigung. Nur das Leder wird brüchig und nur bei unecht gefärbten Stoffen leidet etwas die Farbe, während die echt gefärbten unverändert bleiben. Die Federbetten werden sogar durch die Behandlung mit Dampf sozusagen aufgebessert.

Die öffentlichen Desinfektionsanstalten sind eine der mächtigsten Waffen, die uns die Neuzeit gegen die Verbreitung von Seuchen geliefert hat. Der Wunsch nach ihrer Ausbreitung ist durchaus gerechtfertigt, und bald wird vielleicht die Zeit kommen, in welcher der Gedanke des auf diesem Gebiete hochverdienten Verwaltungsdirektors des Berliner Krankenhauses Moabit, Heinrich Merke, zur Verwirklichung gelangt. Bei der Gründung der ersten Berliner Anstalt hat derselbe vorgeschlagen, daß in einem jeden Kreise eine fliegende Desinfektionsanstalt errichtet würde, welche im Falle der Noth, also bei Ausbruch einer Epidemie, den bedrohten Städtchen und Dörfern zu Hilfe eilen könnte. Der Gedanke ist beherzigenswerth. Deutschland wäre ja dadurch in steter Kriegsbereitschaft gegen die heimtückischsten Feinde, welche jahraus jahrein so viel blühende Menschenleben dahinraffen. Möchte dieser Gedanke in den gemeinnützigen Vereinen und den Gemeindeverbänden einen lebhaften Wiederhall finden! Wir haben die Seuche, unsere Todfeindin, in ihrem Wesen erkannt, suchen wir also mit den sicher treffenden Waffen der Technik und der Wissenschaft ihrer Ausbreitung Einhalt zu gebieten. *




Blätter und Blüthen.

Markt an der ungarisch-rumänischen Grenze. (Zu dem Bilde S. 632 u. 633) Im hochkultivirten Westen Europas hat der große Reformator unseres Jahrhunderts, „Dampf“ genannt, den Jahrmärkten ihre einstige Bedeutung genommen. Aus den Städten, in deren glänzenden Läden das ganze Jahr über die Waren zum Verkaufe ausliegen, die sonst auf den Märkten feilgeboten wurden, sind letztere sogar meist gänzlich verschwunden, und mancher Leser wird den magischen Zauber nicht mehr verstehen, welcher dem Worte „Jahrmarkt“ einst für jung und alt innewohnte und im europäischen Osten, wo die Mehrzahl der Ortschaften noch viele Meilen vom Weltverkehr entfernt ist, noch heute innewohnt. Muß man doch um Jahrzehnte zurückzudenken vermögen, um sich aus eigener Erfahrung an das Herzpochen zu erinnern, welches schon das Aufschlagen der hölzernen Buden in der Kinderbrust verursachte, um die Sehnsucht zu begreifen, welche die endliche Entfaltung all der wundervollen Schätze bei groß und klein erzeugte. Ist nun auch ein Markt an der ungarisch-rumänischen Grenze nicht eben ausgezeichnet durch Pracht und Luxus, die Bedeutung desselben bleibt für die Bewohner jener Gegenden dieselbe. Auch hier bringt die Marktzeit Erfüllung für alle Herzenswünsche, welche sich im Laufe eines Halbjahres angesammelt haben, und außerdem noch manche Lustbarkeit; daher denn auch das Mißgeschick, dem Markte fernbleiben zu müssen, dort bei dem weiblichen Theile genau dieselben nervenerschütternden, den Hausfrieden gefährdenden Folgen nach sich zieht wie bei uns etwa das Versagen einer den ganzen Winter über erhofften Badekur.

Um so fröhlicher rüsten sich die „Glücklichen“ schon vor Tagesgrauen zur Fahrt. Immer praktisch, ziehen die Landleute nicht nur als Käufer, sondern auch als Verkäufer zu Markte, daher der geräumige Korbwagen mit allem, was in der Wirthschaft irgend entbehrlich ist, beladen wird, vor allem mit Zwiebeln, Knoblauch und Paprika, den Universalwürzen der magyarisch-rumänischen Küche, aber auch mit Gemüse und Feldfrüchten, Feder- und Kleinvieh; zwischen drin oder oben drauf machen es sich Männlein wie Weiblein so bequem wie möglich, und vorwärts geht es, zwei-, drei- oder vierspännig, Wagen an Wagen dicht hintereinander. Von dem Grenzgebirge aber, den transsylvanischen Alpen, kommen die Bergrumänen und ihre stämmigen Tragthiere herab, mit Holzgeschirr, Schindeln und jenen sonderbaren Schafkäsen belastet, welche in Ziegenfelle eingenäht, Steinkolossen gleichen und weit und breit unter dem Namen „Primsenkäse“ in den Handel gebracht werden. Da wird nun ver- und gekauft, gefeilscht und angepriesen, geschätzt und gewählt, bis die fast senkrecht niederfallenden Sonnenstrahlen daran gemahnen, daß es mittag ist und Zeit zur Einnahme des mitgebrachten Mundvorrathes und zu kurzer Rast. Es ist der Augenblick, welchen unser Bild veranschaulicht. Der Vordergrund zeigt links zwei Rumänen mit ihren Frauen, – den einen in Gesellschaft seines Wolfshundes schlummernd, den andern die neuen Opanken (Sandalen) an seinen Füßen befestigend, ihnen zunächst Magyaren in ihren wie Frauenröcke wallenden Leinenhosen; rechts und im Hintergrunde aber ist die bunte Menge schon wieder in Fluß gerathen – schon wird das Handeln, Feilschen mit verdoppeltem Eifer aufgenommen, um erst bei eintretender Dunkelheit zu enden, mit welcher laute Lust und Fröhlichkeit in Schenken und Scheunen bei Geigenschall und Ungarwein beginnt. Während sich Bursche und Mädchen beim „Hora“, dem rumänischen, oder beim „Csardas“, dem ungarischen Nationaltanz, finden und Amor seine Marktgeschäfte betreibt, plaudern die Alten beim vollen Weinkruge, und erst in später Nachtstunde wird die gemeinschaftliche Heimfahrt wieder angetreten. F. Schifkorn.

Die Zimmerpflanzen im September. Die wichtigste Arbeit ist, die im vorigen Monat bestellten oder gekauften Blumenzwiebeln einzupflanzen. Die Größe der Hyazinthentöpfe wurden schon im August angegeben. Zu den anderen Zwiebeln nimmt man Töpfe von gewöhnlicher Form: zu Crocus, Narzissen, Tulpen, wovon mehrere in einen Topf kommen, nicht über 12 cm weit, auch kleiner, und für einzelne Zwiebeln z. B. Tournesol-Tulpen nicht über 8 cm weit. Als Erde benutzt man für alle Zwiebeln eine sandige Land- oder Normalerde, oder auch Kompost- oder Mistbeeterde. Man drückt die Erde in den Töpfen etwas fest und legt die Zwiebeln so tief, daß noch 5 cm Erde über die Spitzen kommt. Die Töpfe werden bis an den Rand mit Erde gefüllt und, wenn die Erde nicht naß war, mit einer Brause stark begossen, zu welchem Zwecke man sämmtliche fertige Töpfe dicht neben einander stellt. Wer einen Garten hat, macht dort eine 1/2 m tiefe Grube, welche vor dem Einstellen der Zwiebeltöpfe tüchtig durchnäßt wird. Hierauf werden die Töpfe sorten- oder farbenweise dicht zusammengestellt und mit langen Holzetiketten bezeichnet. Dann wird das Ganze mit Erde bedeckt und nochmals begossen, denn die Zwiebeln brauchen zum Bewurzeln viel Feuchtigkeit. Dort bleiben sie in der Erde, bis Mitte November das Treiben beginnt. Wer keinen Garten hat, stellt die Zwiebeltöpfe in mit feuchtem Erdboden oder Sand gefüllte Holzkästen, die man in einem Keller unterbringt. Man kann sie auch ohne Kasten in den Sand des Gemüsekellers eingraben, so daß die Töpfe 10 bis 15 cm hoch mit Sand bedeckt sind. In beiden Fällen sorgt man durch Begießen der ganzen Sandfläche für die nöthige Feuchtigkeit.

Kommen noch Töpfe vor, welche voraussichtlich den Winter über den Pflanzen zu wenig Nahrung geben, was besonders bei Pflanzen in wärmeren Räumen begegnet, so können sie bis Mitte des Monats noch in größere Töpfe gepflanzt werden, aber nur in wenig größere, wobei auch die am Rande verfilzten Wurzeln beschnitten werden; die unbeschnittenen Wurzeln verfaulen. Dünger darf um diese Zeit nicht mehr gegeben werden. Nur Reseda, welche schon herangewachsen sind, könnte man mit sehr verdünntem Düngerwasser gießen. Hat man im Juli Chinaprimeln und Cinerarien gesäet und im August in Holzkästen oder flache Samentöpfe pickirt (vereinzelt gepflanzt), so müssen diese Pflanzen jetzt einzeln in kleine Töpfe verpflanzt, aber noch im Freien, wo sie geschützt werden können, aufgestellt werden. Hierzu verwendet man lockere, sandige Mistbeeterde und thut wohl, bei Primeln zerpulverte Holzkohle darunter zu mischen. Hornspäne oder andere Düngerpulver dürfen im Herbst nicht unter die Erde gemischt werden. Hat man Stecklinge von Geranien und andern Blüthenpflanzen gemacht, wovon viele zusammen in einem Topfe stehen, so werden diese, vorausgesetzt, daß Ueberwinterungsraum genug

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 647. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_647.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)