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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

schaufelartigen Spitzen, die Keulen und die schöngearbeiteten, mit Büffelhaut überzogenen Schilde. Im Hintergrunde steht, mit einem langen Mantel angethan, der Dolmetscher.

Mandaras Armee hat viele harte Proben bestanden und einst wurde sie sogar vor eine Batterie kommandirt – vor die galvanische Batterie Thomsons, wo ihre Offiziere mit der ganzen Selbstbeherrschung, die einem Krieger möglich ist, den unheimlichen Zuckungen des elektrischen Stromes Widerstand leisteten! –

Das sind Bilder von Dschagga, die den Kolonialpolitiker interessiren, denn das obere Dschaggagebiet (1500 bis 1800 m hoch gelegen), das augenblicklich wegen der kühlen Temperatur nicht bewohnt wird, ist vielleicht das einzige Gebiet in Deutsch-Ostafrika, in dem sich Weiße niederlassen können, um dort Ackerbau zu treiben. Aber die über jenem schönen Lande thronenden Berggipfel reizen den Forscher, der hier mit einem einzigen Blick Palmen und ewigen Schnee umfassen kann.

Der Kibo. Der Kimawensi.
Der Kilimandscharo.

In zwei Spitzen läuft der Berg aus, die niedrigere felszerklüftete heißt der Kimawensi (4950 m), die höhere ist der Kibo. Wohl sind die Menschen über die Urwaldgrenze, über die mit merkwürdigen Pflanzen bestandenen Grasgebiete des Berges hinaus vorgedrungen und haben auf Schneefeldern bei fünf Grad Kälte beinahe unter dem Aequator genächtigt; aber der Berg ist noch nicht bezwungen. Eine thurmhohe Eiswand in 5450 m Höhe gebot den einen Halt, während ein dichter Nebel die anderen am tiefsten Rande des erloschenen Kraters zur Umkehr zwang, und niemand hat den höchsten „Sitz des Kälte bringenden Dämons“[1] betreten. Aber während diese Zeilen in die Hände unserer Leser gelangen, werden zwei deutsche Reisende wieder in Sansibar Expeditionen ausrüsten, um dem Kilimandscharo entgegenzustreben.

Otto E. Ehlers führt die Dschaggas nach ihrer Heimath zurück, und für den 118 Pfund schweren Elfenbeinzahn und die Speere und Schilde, die unserem Kaiser überreicht wurden, bringt er Gegengeschenke: Waffen, Theatermäntel, Spielwaaren, Maschinenmodelle, Feuerspritzen etc. für Mandara und von unserm Kronprinzen ein Dreirad und eine Kürassieruniform für den kleinen schwarzen elfjährigen „Prinzen“ am Kilimandscharo, damit dieser auch wie König Bells Sohn, der „Kronprinz“ von Kamerun, auf einem Stahlroß sein Moschi durchfahren könne. Hoffentlich wird Mandara recht tüchtig pfeifen zum Zeichen seiner Zufriedenheit und seinem Bundesgenossen treu bleiben und die Deutschen noch mehr lieben.

Auch Hans Meyer ist bereits unterwegs, mit allem Rüstzeug eines Bergsteigers in den Alpengletschern wohl versehen. Vielleicht gelingt es ihm, die Eiswand zu überwinden und seinen Fuß auf den höchsten Punkt Afrikas zu setzen. So mögen aus den Reisen der beiden Staat und Wissenschaft Nutzen ziehen; unsere Glückwünsche begleiten sie auf dem weiten Wege! – Wenn aber der Riese bezwungen sein wird, dann werden wir noch einmal mit unsern Lesern im Geiste zu unserm höchsten Berge pilgern und, unbekümmert um Krieg und Sklavenraub, uns der erhebenden Eindrücke freuen, welche ein tagelanger mühevoller Marsch von den Palmenhainen zum ewigen Eise dem nach Wissen dürstenden Geiste in unermeßlicher Fülle beschert.




Gold-Aninia.

Eine Erzählung aus dem Engadin. Von Ernst Pasqué.
(Fortsetzung.)


Draußen verstummte allmählich das Krachen, das Schreien und Hilferufen, das Blöken des armen, ersaufenden Viehes. Das Unglück war vollendet. Die in der Fuorcla angesammelten Wassermassen mußten sich wohl erschöpft oder der immer noch gewaltige Rest nicht Kraft genug haben, um noch weitere Felsblöcke hinunter ins Thal zu treiben; aber der Sturm heulte mit gleicher Wuth fort, auch der Regen floß noch immer in Strömen nieder. Im Lauf der Nacht änderte sich dies langsam zum Bessern. Regen und Sturm ließen nach und gegen morgen begannen auch die Wasser aus der Stube der Büssin zu laufen, nur Schlamm und Geröll blieben zurück. Die Frauen vermochten ihren Platz auf dem Bett zu verlassen, wo sie, eng aneinander gerückt, unbeweglich gesessen hatten, um das Kindchen nicht zu stören. Es lebte noch und blickte die freudig aufathmende Mutter wieder mit einem schwachen Lächeln an, das ihr Herz mit neuer Hoffnung füllte.

Endlich dämmerte das Tageslicht, und mit ihm erschien Clo in der Stube.

„Kommt alle, kommt!“ so sprach er keuchend und vor Aufregung zitternd noch unter der Thür. „Welch ein Unglück! Es ist entsetzlich, wie es im Dorf aussieht – alles zerstört und fortgeschwemmt! – Ihr werdet es selbst auf dem Wege sehen. – Kommt!“

„Und der Vater?“ rief Aninia in athemloser Spannung.

„Sein Haus und die Ställe und Stadel sind niedergerissen und zerstört – das Vieh ist elendiglich ersoffen – der Hausrath weggeschwemmt. – Er ist ein Bettler geworden wie die andern, – die es gleich hart getroffen hat.“

„Aber der Vater – der Vater! – Er lebt?“ kreischte Aninia auf. Von ihrem Kinde ließ sie ab und stürzte auf Clo zu.

„Der Cavig lebt, aber er liegt ohne Besinnung. Ich habe ihn aus den Trümmern seines Gehöftes hervor geholt und nach meinem Hause gebracht, das, Gott sei gedankt! unversehrt ist. Kommt nur, kommt! Er bedarf dringend der Hilfe und Pflege. Ein Glück, daß ich Euch alle noch am Leben finde. Kommt – schnell! Es ist kein Augenblick zu verlieren!“

Mit fliegeden Händen packte Mutter Barbla und die Büssin das Kindchen dicht und warm in Kissen und Decken, die erstere nahm es auf ihren Arm, und so traten sie, von Clo geleitet und unterstützt, den beschwerlichen Weg nach dessen Hause an. Aninia war die letzte. Nach Beppo, der noch immer regungslos in der


  1. Kilima heißt „Berg“ und Ndscharo ist der Name eines Dämons, welcher Kälte bringt.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 640. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_640.jpg&oldid=- (Version vom 7.5.2020)