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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Auf seinem vulkanischen, zersetzten Boden, der durch regelmäßige Niederschläge das ganze Jahr hindurch bewässert wird, während zugleich tief eingeschnittene Bäche die Niederschlagsmengen reguliren, wachsen die Kulturpflanzen wie Bananen, Mais, Maniok etc. in einer Ueppigkeit, die jener van Sansibar nichts nachgiebt. An landschaftlich schönen Partien ist Dschagga außerordentlich reich. Das Land ist für afrikanische Verhältnisse stark bevölkert, und dieser Bevölkerungsdichtigkeit entsprechend ist die Kultur des Bodens eine ausgedehnte. Daneben wird Viehzucht (kleine Sangarinder, Ziegen, Schafe, Hühner) betrieben, da man vor den räuberischen Massai in diesen Bergeshöhen nicht besorgt zu sein braucht und die Donderobofliege hier nicht vorkommt.“

Das ganze Dschaggaland bildet nun eine Gruppe kleiner, selbständiger Staaten, deren Zahl etwa 20 betragen mag. Einer dieser Staaten ist Moschi mit dem Fürsten Mandara, und diesem, da er unser „Bundesgenosse“ ist, wollen wir in erster Linie unsere Aufmerksamkeit schenken.

Moschi ist nicht groß, sein Gebiet beträgt etwa anderthalb Quadratmeilen; aber es ist ein herrliches Stück Land und alle Reisenden, die es besuchten, wetteifern im Lob desselben.

Johnston schildert den ersten Blick auf das Fürstenthum Mandaras. „Nordwärts ragten die schweren Massen des Gebirges bis in den Himmel, und hüllten die beiden Bergspitzen sich auch in dicke Haufenwolken ein, unter ihnen sah man Hügel nach Hügel, Bergrücken nach Bergrücken in wellenförmiger Abwechslung sich in tiefes Dunkelblau kleiden unter dem schweren Schatten der niedriger hängenden Wolkenschicht. Dann folgten einige Streifen schwarzen, dunkelgrünen Waldes, der noch im Schatten lag, und in mittlerer Entfernung, da wo das Sonnenlicht auf die Landschaft durchbrach, erglänzten hübsche, runde Hügel gegen den düsteren Hintergrund mit ihren Gruppen smaragdgrüner Bananen als Vorboten der kultivirten Zone. Näher nach uns zu folgten tiefe Schluchten mit zwirnsfadendünnen Wasserfällen und Beständen üppigen Waldes, weiche, sonnige Niederungen, auf denen Ziegenherden weideten, frisch gepflügte Bodenparzellen, angebaute Felder, mit Hecken eingefaßte Wege und zuletzt der rothe kahle Berg.“

Und Thomson vervollständigt das Bild. „Das Dorf liegt auf dem schmalen Rücken eines Bergzuges, welcher nach beiden Seiten von einem tiefen Thal begrenzt wird. Vom obern Theil desselben leiten sehr geschickt angelegte Miniaturkanäle das Wasser eines kleinen Baches über den ganzen Bergrücken und verbreiten so über ihn während des ganzen Jahres die fruchtbringende Feuchtigkeit. Einen reicheren und mannigfaltigeren Anblick genoß ich an keinem anderen Punkte Afrikas. Die reiche Grasdecke wechselte ab und war gemischt mit Bananenwäldchen, Feldern mit Bohnen, Hirse, Mais, süßen Kartoffeln, Yams etc. Hie und da standen gleich Wachen kleine Gruppen stämmiger Bäume. Die Ufer der Bewässerungskanäle waren mit zartem Frauenhaarfarn und ähnlich aussehenden Gewächsen reich besetzt. Träges Vieh lag um die Hütten herum oder weidete in kniehohem saftigen Grase; lustige muntere Ziegen hüpften um die Kanalufer oder führten mit drohender Miene heitere Kampfspiele aus. Mit ungeheuren Fettschwänzen, die um die Beine watschelten, beladene Schafe sahen so lebensmüde aus, als ob sie sehnsuchtsvoll auf das Messer warteten. – – – Nach Osten schweift das Auge über den Wald von Taweta und die gelbe sonnverbrannte Ebene dahinter, bis der Blick an der Burakette und dem Pic von Kadiaro haftet, die sich über den Horizont erheben wie gefährliche schwarze Felsen aus einem schlammigen Meere. Nach Südosten bemerkten wir im Vordergrunde die von zahlreichen rauschenden Bergbächen durchwühlten Hügel und Thäler zu unseren Füßen. Hier wölbt sich domartig ein „Galerie-Wald“ über einem rauschenden Bach, dort erhebt sich ein buschgekrönter Hügelrücken. Bald blickt man auf eine schöne Lichtung, bald in eine parkartige Landschaft. Dazu denke man sich kräuselnde Rauchsäulen und buntgefärbte Gärten, und man hat Dschagga!“

So ist das Land beschaffen, sehen wir uns das Volk an! Die Dschaggas sind zumeist von kleinem Wuchs und kein schöner Menschenschlag, aber sie sind uns durch ihren Ackerbau sympathisch. Derselbe steht bei ihnen auf einer höheren Entwickelungsstufe als bei anderen Negerstämmen, die Dschaggas bringen ihre ganze Zeit damit hin, den Boden umzugraben, mit Asche zu düngen, zu harken und mit hölzernen Karsten umzuhacken. Vor allem aber sind sie Meister in der Bewässerungskunst und überziehen ihre Felder mit einem ganzen System von Kanälen, die sie von Bächen ableiten. Da sie auch Viehzucht treiben, Rinder, Schafe und Ziegen halten, so kennen sie den Genuß der Milch, und unsere Imker wird es interessiren, zu erfahren, daß die Dschaggas von den halbwilden Bienen Honig in ungeheueren Massen gewinnen. Die Eingeborenen hängen Kästen an Waldbäumen auf, damit die Bienen darin ihre Stöcke anlegen.

Auch Anfänge einer gewerblichen Thätigkeit finden wir bei ihnen vor. Sie sind kunstgerechte Schmiede und verfertigen alle Arten Hausgeräthe, Waffen und Schmucksachen aus Roheisen und dem eingeführten Eisendraht. Sie sind ausgezeichnete Korbflechter und sie verstehen ihre Körbe so dicht zu flechten, daß man in diesen Geräthen von gewebten Gräsern oder Bananenfasern Milch sicher befördern kann. Auch schnitzen sie aus massiven Holzblöcken gute Schüsseln und stellen aus Rhinoceroshörnern schön polirte Keulen her.

Die Dschaggas sind also in vielfacher Beziehung besser geartet als die Küstenneger und haben einen guten Kern, den man mit der Zeit fortbilden könnte.

In diesem lichten Bilde von Dschagga giebt es aber auch recht dunkle Schatten und diese sind in den politischen Verhältnissen des Landes, namentlich in den „Fürsten“, verkörpert. Mandara, der mächtigste von allen, möge für alle zeugen!

An und für sich als Mensch betrachtet, ist er eine wirklich interessante Erscheinung. Er ist groß gewachsen, etwa 180 cm hoch, ein auch äußerlich hoher Mann unter den Dschaggas. Er zählt jetzt nahezu 50 Jahre und wird etwas fett; aber sein Gesicht verräth auf den ersten Blick eine für den Neger nicht gewöhnliche Intelligenz. Mit den stark hervortretenden Backenknochen und der Adlernase erinnert er an die typischen Erscheinungen der indianischen Häuptlinge Nordamerikas. Der Mund ist weit, mit dünnen Lippen, und das Kinn fest, rund und Entschlossenheit verrathend. Das eine Auge hat die Sehkraft verloren und sieht irr und glasig aus, das andere aber glänzt wie das eines Adlers und schaut funkelnd unter den Brauen hervor. Leider ist uns kein Porträt, keine Zeichnung oder Photographie von Mandara bekannt; nur einmal konnte Johnston einen Theil des fürstlichen Körpers skizziren. Mandaras linkes Ohr. Dasselbe war durchbohrt und die Oeffnung derartig erweitert, daß durch dieselbe ein großer hölzerner Ring durchgezwängt werden konnte. Das Ohr ist eigenartig wie der Mann selbst. In der Reihe seiner blendend weißen Zähne befindet sich eine künstlich angebrachte Lücke, durch die er Bananenbier zu spritzen pflegt wie der Matrose den Tabakssaft. Im Spucken sind nämlich die Dschaggas ebenso groß wie die Massai, denn zum Zeichen der Verehrung, der Verwunderung oder des Dankes spucken sie einen an. Andere Völker, andere Sitten! Mandara drückt jedoch sein Erstaunen und seine Zufriedenheit noch auf eine besondere Art aus: er pfeift. Auch darin soll er Meister sein, und wenn ihm die Geschenke besonders gefallen, bringt er eine ganze chromatische Tonleiter zustande. Alle Reisenden, die ihn besuchten, wurden von ihm angepfiffen und mußten sich erst an diese seltsame Kundgebung der fürstlichen Gefühle gewöhnen.

Den Charakter des Mannes lernen wir am besten aus seiner Lebensgeschichte kennen. Als Mandaras Mutter das Scepter im Lande Moschi führte, herrschte dort Frieden. Mit dem Regierungsantritt des jungen Herrschers aber begannen schlimme Tage für Dschagga. Um jene Zeit waren die Sklavenhändler bis zum Kilimandscharo vorgedrungen, und da sie sich zu schwach fühlten, auf eigene Faust zu rauben, griffen sie zur List. Sie hetzten die kleinen Fürsten gegeneinander, unterstützten sie bei ihren Raubzügen und kauften dann die geraubten Sklaven. Ein schwarzer Mensch wurde mit nur 8 Mark bezahlt und der ackerbautreibende Dschagga in Sansibar gern gekauft. Unter diesen Räubern nahm Mandara die erste Stellung ein und sein Name war rings um den Fuß des Berges gefürchtet, bis eines Tages die gepeinigten Dschaggas der anderen Staaten ein Bündniß schlossen und ihre „vereinigten Heere“ in Moschi einrückten. Der „Napoleon vom Kilimandscharo“ unterlag der Koalition, er mußte fliehen und war König ohne Land. Dies dauerte jedoch nicht lange. Als sich der Sturm gelegt hatte, kehrte er in das verwüstete Moschi zurück und arbeitete an der Wiederherstellung des „Reiches“. Sein

Ländchen zählt nur 8000 Einwohner, aber er hat die allgemeinste Wehrpflicht eingeführt, so daß er über 800 bis 1000 Krieger verfügt. Das Unglück hat ihn klug und vorsichtig gemacht; er

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 638. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_638.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)