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verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Völker auch jetzt den Urwald und die Wigwams der Indianer besucht hat, und wer ein treues und unbefangenes Bild früherer Zustände in jenen jetzt schon meistens von der Kultur berührten oder eroberten Gebieten gewinnen will, wird auch noch heutigen Tags den „Spion“ und den „Letzten der Mohikaner“ mit warmer Theilnahme lesen. †     

Deutschlands merkwürdige Bäume. Die Eiche von Wörlitz. (Mit Abbildung S. 613.) In Nummer 47 des Jahrgangs 1888 brachte die „Gartenlaube“ in Wort und Bild die Beschreibung einer Rieseneiche aus Deutschlands Wäldern, der Königseiche zu Peisterwitz im Kreise Ohlau (Schlesien). Diese Eiche galt damals noch als die größte unter den auf deutschem Boden wurzelnden Schwestern; nun aber hat sich herausgestellt, daß es doch noch eine größere giebt. Es ist eine Eiche im Forstreviere von Wörlitz, nicht gar weit entfernt von Dessau, der Hauptstadt des Herzogthums Anhalt. Sie steht auf der sogenannten „Rosenwiese“ dicht an der Elbe und hat einen unteren Stammumfang von 12½, einen obern von 9¾ Metern, während sich ihre Höhe auf 26 Meter beläuft. Ihr Alter wird auf 500 bis 600 Jahre geschätzt; aber sie zeigt bis heute noch keinerlei Spuren von abnehmender Lebenskraft. Noch sei erwähnt, daß das Riesenkind keineswegs allein steht in dem Wörlitzer Walde; es hat gewaltige Gespielen um sich, die ihm an Stattlichkeit des Wuchses nur wenig nachgeben. Von einem der Riesen, der im Jahre 1888 gefällt wurde, berichtet die Wörlitzer Oberförsterei, man habe von ihm 30,57 Festmeter Nutzholz, 21 Festmeter Brennholz, 25 Stück Kahnkniee und noch 4 Festmeter Abraum gewonnen. Man mag sich demnach einen Begriff machen von den gewaltigen Erscheinungen in den Wörlitzer Forsten, und es dürfte sich wohl verlohnen, ihnen einen Besuch abzustatten. Wörlitz bietet ja mit seinem schönen herzoglichen Parke, einer Schöpfung des hochgebildeten und feinsinnigen Fürsten und späteren Herzogs Leopold Friedrich Franz (1758–1817), noch einen weiteren Anziehungspunkt, der auch in der „Gartenlaube“ (1880, Nr. 3) schon seine Würdigung gefunden hat.

Unsere Zeichnung des Baumes ist nach einem im Jahre 1859 aufgenommenen, durch seine Staffage merkwürdigen Bilde ausgeführt. Der Mann, welcher unter der Eiche steht, ist der verstorbene Herzog Leopold IV. von Anhalt, links von ihm und dem Baume hält sein Wagen. Uebrigens hat sich der Baum in seinem Aeußeren bis heute um nichts verändert.

Der „Gartenlaube“-Kalender für das Jahr 1890. Der „Gartenlaube“-Kalender hat sich bei seiner Gründung die Aufgabe gestellt, ein praktisches Nachschlagebuch für das Haus zu sein, aber nicht allein das, sondern zugleich auch eine Quelle anregender Unterhaltung. Wer in den vielfachen Fragen des täglichen Lebens schnelle Auskunft braucht, soll sie im „Gartenlaube“-Kalender rasch zur Hand haben; aber auch wer nach des Tages Mühen beim traulichen Lampenschein an einem Gedichte, einer anziehenden Erzählung, an den Pointen eines harmlosen Humors, der niemand verletzt, sich erfreuen will, soll Befriedigung finden. Diesem Grundsatze ist der „Gartenlaube“-Kalender durch alle bis jetzt erschienenen Jahrgänge treu geblieben und vor allem auch in dem eben herausgekommenen fünften Jahresbande, der womöglich noch reichhaltiger ist als seine Vorgänger und noch ansprechender auch in seinem Aeußern.

Der reiche Illustrationsschmuck fällt wohl zuerst auf, wenn man flüchtig in dem Bande blättert, und unter den Künstlern sind Meister ersten Ranges. Mit den werthvollen Bildern steht aber der textliche Inhalt des Kalenders in vollem Einklange. An das reichhaltige Kalendarium (für Protestanten, Katholiken, Griechisch-Katholische und Juden) schließen sich die „Bestimmungen und Tarife für den Post- und Telegraphenverkehr“ an, die von einem höheren Postbeamten zusammengestellt und nicht bloß durchaus zuverlässig, sondern auch erschöpfend sind. Dann folgen „Statistische Notizen für das Deutsche Reich“ von dem expedirenden Sekretär Thomaschewski im kaiserl. statistischen Amt etc. Aber wir wollen die Rubriken nicht aufzählen, in denen fast alle Fragen beantwortet werden, die ein findiger Kopf nur aufwerfen oder nach deren Beantwortung man im praktischen Leben suchen kann.

Mit bunten Mittheilungen unter dem alle „Gartenlaube“-Leser anheimelnden Titel „Blätter und Blüthen“ und einer vielseitigen humoristischen Blüthenlese wechseln ernste Beiträge von allgemeiner Wichtigkeit. Der Artikel „Ueber häusliche Krankenpflege, mit besonderer Berücksichtigung des kranken Kindes“ von Sanitätsrath Dr. Fürst enthält wichtige Verhaltungsregeln, die jede Mutter kennen sollte; „Die Versicherung einzelner Personen gegen Unfälle“ bildet eine beherzigenswerthe Mahnung, wie leicht der Einzelne von Unfällen betroffen werden, wie er sich aber auch mit geringen Opfern gegen die damit verbundenen pekuniären Nachtheile schützen kann.

Auf die Wahl der Erzählungen des Kalenders ist besondere Sorgfalt verwendet worden. „Nachbars Paul“, eine innig gemüthvolle Novelle von der beliebten „Gartenlaube“-Erzählerin W. Heimburg, „Das Elixir der Dubarry“ von dem bekannten Humoristen Paul von Schönthan und „Die Herrgottskinder“, eine frische, eigenartige, packende Novelle von H. Villinger, meisterhaft illustrirt von Fritz Bergen, dürften jeden ansprechen, der für gemüthvolle deutsche Erzählerart Sinn hat.

Die beste Empfehlung für den „Gartenlaube“-Kalender soll sein Inhalt sein; durch diesen hat er sich in den ersten Jahren seines Bestehens zahlreiche Freunde erworben und durch ihn sucht er auch im fünften Jahrgange zu den alten Freunden neue zu gewinnen. **     

Der Marsch durch das Heimathsdorf. (Zu dem Bilde S. 617.) Was soll man dazu sagen! Ist das noch militärische Zucht und Ordnung, was wir hier auf diesem Bilde von Röchling sich abspielen sehen? Läuft da ein Tambour von der Spitze der Kompagnie weg, ein alter Bauer hat sich dem baumlangen Hornisten an den Arm gehängt, der Unteroffizier vorne vor dem ersten Gliede führt einen Buben an der Hand, als gehörte der mit dazu oder wäre er ein gefangener Spion! Es ist wahr, ganz ordonnanzmäßig ist die Geschichte nicht, aber es hat auch eine eigene Bewandtniß mit ihr. Wie jeder weiß, haben bei uns in Deutschland die einzelnen Linieninfanterieregimenter ihre bestimmt abgegrenzten, meist nicht allzu umfangreichen Ersatzbezirke, aus denen sie ihre Rekruten holen. Da geschieht es denn nicht selten, daß aus einem und demselben Dorfe mehrere Burschen bei einer und derselben Kompagnie stehen, und wenn dann der glückliche Zufall eintritt, daß das Manöver diese Kompagnie in dieses ihr „Heimathdorf“ führt, dann ist das begreiflicherweise ein festliches Ereigniß für die eine wie für das andere. Schon Wochen vorher hat sich im Dorfe die frohe Kunde verbreitet, und ist endlich der bestimmte Tag herangekommen, da strömen schon in der Frühe die selbstverständlich schulfreien Buben hinaus, auf der muthmaßlichen Marschstraße den Truppen entgegen. Es dauert lange, es wird Mittag – noch nichts! Wohl hört man von ferne das Dröhnen der Kanonen, das Rollen des Infanteriefeuers, und die Phantasien der Knaben erfüllen sich mit allerhand kriegerischen Bildern – aber kein „Hundertundneuner“ will sich zeigen.

Da endlich wälzt sich die dunkle Schlange mit ihrem blitzenden Rücken heran, sie kommt näher, und bald hat der kleine Frieder seinen Bruder, den Unteroffizier, an der Spitze der Kompagnie erkannt, ein untrügliches Zeichen, daß es „die Rechten“ sind. Und nun ziehen sie ein in die breite Hauptgasse des wohlhabenden badischen Dorfes, dessen stattliche Bauernhäuser den meisten so wohl bekannt sind – die grünen Büsche an den Helmen schauen so lustig aus, als wären sie eigens zum Vergnügen der „Landsleute“ aufgesteckt und nicht bloß zum „Markiren des Feindes“ – an den Fenstern, unter den Thüren erscheinen bekannte Gesichter, es ist ein Winken und Grüßen, ein Necken und Erkennen, eine Aufregung und ein Jubel im Dorfe, daß der alte Gänserich vollständig den Kopf verloren hat und in seiner unheimlichen Angst schnatternd und kreischend der Kolonne vorausflattert.

Da drückt denn nun auch die strenge Göttin, „Marschdisciplin“ genannt, ein Auge oder beide zu, wenn nicht alles ganz säuberlich in der Ordnung bleibt, und so mag sich der lange Hornist seinen Apfelmost, den ihm der Alte – wohl sein Vater – eingeschenkt hat und noch einschenken wird, mag sich der kecke Tambour sein Glas Bier, das ihm sein alter Schulkamerad, der Hausknecht vom „Goldenen Löwen“, eilends herbeibringt, in Gemüthsruhe schmecken lassen; sie wissen, der Herr Hauptmann „macht diesmal nichts“. Er wird auch nichts dagegen haben, wenn von den Aepfeln des schönen großen Baumes ein paar in die marschirende Kolonne geworfen werden und die hungrigen und durstigen Krieger sich einen kurzen Augenblick darum balgen – wenn nur dann draußen vor dem Orte wieder alles hübsch stramm beieinander ist. Und darauf kennt der Herr Hauptmann seine Leute!

Auflösung der Schachaufgabe auf S. 468:
1. T g 6 – b 6   h 4 – h 3
2. L f 1 × b 5   Zugzwang.
3. L h 2 – g 1 oder d 6 matt.
1. …   beliebig.
2. L h 2 – d 6 † nebst
3. L f 1 × b 5 matt.
1. …   K c 5 × b 6
2. L h 2 – g 1 †   K beliebig.
3. L f 1 × b 5 matt.
Auf 1. …   L a 5 × b 4 folgt
2. L h 2 – g 1 matt.


Kleiner Briefkasten.
(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)

Stammtisch in Posen. Die von Ihren Genossen angezweifelte Behauptung, daß die Negerkinder weiß zur Welt kommen, ist doch bis zu einem gewissen Grade richtig. Bei farbigen Stämmen sind die Neugeborenen in der Regel heller gefärbt. Säuglinge nordamerikanischer Indianer sind den Neugeborenen der Weißen sehr ähnlich. Auch über die Negerkinder liegen ähnliche Berichte vor. So theilt der Afrikareisende Dr. Eugen Wolf mit, daß nach seinen Beobachtungen die Farbe der Neugeborenen an der Westküste und im Inneren von Afrika gleich nach der Geburt hellrosa und der eines Kindes kaukasischer Rasse täuschend ähnlich ist. Nach einigen Tagen tritt ein Stich ins Bräunliche ein. Der Zeitpunkt jedoch, wann die Dunkelfärbung bei Neugeborenen zuerst auftritt und wann sie völlig beendet ist, richtet sich in Afrika nach der geographischen Lage des Geburtsortes. Im Süden ist die Veränderung des Farbstoffes meist innerhalb eines Jahres vollendet, in Aegypten erst nach drei Jahren.

Abonnentin in Triest.Reichsgräfin Gisela“, Roman von E. Marlitt, erschien im Jahrgang 1869 der „Gartenlaube“, „Das Haideprinzeßchen“ von derselben Dichterin im Jahrgang 1871.

Paul R. in St. Wenn in den Blättern vor einiger Zeit behauptet wurde, daß die Assistenten Pasteurs sich nach Australien begeben hätten, um dort Versuche mit der bekannten Schutzimpfung gegen die Hundswuth anzustellen, so beruht dies auf einem Irrthum. Die französischen Gelehrten wollten Australien von der Kaninchenplage befreien, indem sie unter den schädlichen Nagern die sogenannte Hühnercholera epidemisch zu machen suchten. Der Versuch ist aber als mißlungen zu betrachten und der Preis für die Ausrottung der Kaninchen ist den Franzosen nicht zuerkannt worden. Was die Hundswuth anbelangt, so ist Australien der einzige Welttheil, der von dieser furchtbaren Krankheit vollständig frei ist; ein Fall von Hundswuth ist dort bis jetzt noch nicht beobachtet worden und die australischen Behörden überwachen aufs strengste die Hundeeinfuhr, um die Verschleppung der Krankheit zu verhüten.

Anton B. in K. Die frühesten Spuren der Dampfmühle weisen nach Frankreich. Dort trat im Dezember 1788, als infolge starker Kälte alle Mühlen einfroren, Mangel an Brot ein. Die Zeitungen aus jenen Tagen melden nun, daß ein gewisser Perrier in Paris eine Mahlmühle eingerichtet habe, die durch Feuer getrieben wurde und täglich für 30000 Menschen Mehl lieferte. Da man im vorigen Jahrhunderte die Dampfmaschinen auch Feuermaschinen hieß, so dürfte die Mühle Perriers wohl die erste Mahlmühle mit Dampfbetrieb gewesen sein.

J. V. N. K. Gemeinverständliche Belehrung über Lungen- und Augenkrankheiten finden Sie in Prof. Bocks altbewährtem „Buch vom gesunden und kranken Menschen“ (Leipzig, Ernst Keils Nachfolger), das gerade gegenwärtig in neuer (14.), reich illustrirter Auflage erscheint und als ein unübertroffenes Hausbuch für allgemeinverständliche Gesundheitslehre bezeichnet werden darf.

G. A. in Bochum. Sie meinen, der Ausdruck „blauer Montag“ komme von dem Blau des Himmels her, das von der Arbeit weg ins Freie locke. Das ist aber doch wohl nicht richtig. Ursprünglich wurde unter dem Ausdruck „blauer Montag“ nur der arbeitsfreie Fastnachtsmontag (an manchen Orten auch „Rosenmontag“ genannt) verstanden, an welchem Tage die Altäre in den Kirchen mit blauen Decken versehen sind. Von ihm aus hat sich die Bezeichnung auf alle Montage ausgedehnt, an denen gefeiert statt gearbeitet wird. Sie finden über diese und ähnliche Fragen Auskunft in einem ebenso inhaltreichen als praktisch eingerichteten Buche „Ueber deutsche Volksetymologie“ von Karl Gustav Andresen, welches bereits in 5. Auflage bei Gebr. Henninger in Heilbronn erschienen ist.


Inhalt: Sicilische Rache. Ein Kulturbild aus den vierziger Jahren von A. Schneegans (Fortsetzung). S. 613. – Die letzte Theatersaison. Von Rudolf v. Gottschall. S. 618. – Rettung Ertrinkender und Wiederbelebung Scheintodter. Von C. Falkenhorst. S. 621. Mit Abbildungen S. 621, 622 und 623. – Gold-Aninia. Eine Erzählung aus dem Engadin. Von Ernst Pasqué (Fortsetzung). S. 624. – Grüß Gott! Illustration. S. 625. – Blätter und Blüthen: James Fenimore Cooper. S. 627. – Deutschlands merkwürdige Bäume. Die Eiche von Wörlitz. S. 628. Mit Abbildung S. 613. – Der „Gartenlaube“ Kalender für das Jahr 1890. S. 628. – Der Marsch durch das Heimathsdorf. S. 628. Mit Illustration S. 617. – Auflösung der Schachaufgabe auf S. 468. S. 628. Kleiner Briefkasten. S. 628.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1889, Seite 628. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_628.jpg&oldid=- (Version vom 27.2.2021)