Seite:Die Gartenlaube (1889) 622.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

sich die beifolgenden drei Abbildungen tief einprägen: Die erste Stellung, die unsere Fig. 1. wiedergiebt, ist die fehlerhafte, die Stellung, in welcher der Mensch ertrinkt, und sie ist leider diejenige, welche der Unkundige in der Regel einnimmt, denn er streckt die Arme empor, wenn er nach Hilfe ruft.

Die zweite Stellung (vgl. Fig. 2) ist günstig, denn in dieser ragt der Kopf ein wenig aus dem Wasser hervor; er ist hintenüber gebeugt und hält dadurch Nase und Mund zum Athmen frei.

Wir sehen daraus, daß es für den Nichtschwimmer als Hauptregel gelten muß, die Arme nicht aus dem Wasser zu erheben. Nach dem Naturgesetz erklärt sich der Vorgang auf den beiden Abbildungen dadurch, daß der menschliche Körper ein wenig leichter ist als eine gleich große Menge Wasser, die er verdrängt. Werden nun die Arme in die Höhe gehoben, so wird weniger Wasser verdrängt und der Kopf wird nothwendigerweise um so viel tiefer sinken.

Die zweite Stellung ist jedoch auf die Dauer sehr anstrengend, da der Kopf stark hintenüber gebeugt werden muß, wenn man den Mund außer Wasser halten will. Darum ist dieser Stellung die in Fig. 3 gezeichnete vorzuziehen. Die Arme werden in ihr nach hinten über den Kopf hin ausgestreckt und der Körper nimmt alsdann eine wagrechte Lage ein, wobei sich Gesicht und Mund außerhalb des Wassers befinden.

Warum durch die Haltung der Arme die ganze Lage des Körpers im Wasser verändert wird, erklären uns die Skizzen. Der weiße Fleck deutet die Luft an, welche sich in unsern Lungen und Eingeweiden befindet und uns das Schwimmen möglich macht. Sind die Arme nach hinten ausgestreckt, so ist das Gewicht der oberen und unteren Körperhälfte ziemlich gleich und der Körper pendelt um die große Luftblase, die nach oben strebt. Legt man aber die Arme nach unten an den Körper an, so wird die untere Körperhälfte schwerer, die Füße sinken und der ganze Körper nimmt eine mehr aufrechte Stellung an.

Die Skizzen zeigen uns aber auch, daß wir uns um so besser oben am Wasserspiegel erhalten, je größer die Luftblase ist, und darum soll der Verunglückte seine Lungen möglichst voll Luft pumpen, indem er tief und langsam ein- und kurz ausathmet.

Es ergeben sich somit drei Hauptregeln für die Selbsthilfe bei Gefahr des Ertrinkens:

1) Die Arme nicht aus dem Wasser erheben!

2) Auf dem Rücken liegen, den Mund nach oben gerichtet!

3) Tief einathmen und kurz ausathmen!

Auf diese einfache Weise haben sich bereits in mehreren bekannt gewordenen Fällen Frauen und sogar Kinder, die nicht schwimmen konnten und beim Baden in tiefes Wasser geriethen, selbst gerettet. Dieses Obentreiben sollte darum den Anfang eines jeden Schwimmunterrichts bilden, da es das natürliche Rettungsmittel ist, und wir heben noch ganz besonders hervor, daß jeder im seichten Wasser diese Kunst, ohne irgend welche Kraftanstrengung auf der Oberfläche des Wassers zu treiben, mit Leichtigkeit erlernen kann.

So soll sich der Ertrinkende, der nicht schwimmen kann, selbst retten oder so lange überm Wasser halten, bis Hilfe naht.

Wie rettet man nun einen Ertrinkenden?

Der Nichtschwimmer muß dem Verunglückten irgend einen Gegenstand, ein Ruder oder einen Strick, hinreichen. Hat er aber nichts dergleichen zur Hand, so soll er den Kopf nicht verlieren, sondern seinen Rock ausziehen, ihn am Ende des einen Aermels fassen und den andern Aermel oder den Rockschoß dem Ertrinkenden zuwerfen, um nur erst eine Verbindung mit ihm herzustellen. Es sind schon viele auf diese Weise gerettet worden. Nicht zu vergessen ist dabei, daß der Ertrinkende gewöhnlich noch einmal in die Höhe kommt, ehe er erstickt, und dann nach jedem Strohhalm greift, wie das Sprichwort sagt.

Fig. 4.

Wir kommen nun an die wichtige Frage, wie sich ein Schwimmer beim Retten eines Ertrinkenden verhalten soll; die Frage ist darum von besonderer Wichtigkeit, weil beim falschen Vorgehen der Retter sein eigenes Leben gefährden kann.

Professor v. Esmarch druckt in seinem „Leitfaden“ als Anmerkung die Vorschriften ab, welche der Vorstand des Seemannsamts der freien Hansestadt Hamburg, Wasserschout Tetens, für die Rettung Ertrinkender durch Schwimmer gegeben hat. Sie verdienen die weiteste Verbreitung und lauten wie folgt:

1) Wenn man sich einem Ertrinkenden nähert, rufe man ihm mit lauter fester Stimme zu, daß er gerettet sei.

2) Ehe man ins Wasser springt, entkleide man sich so vollständig und schnell wie möglich. Man reiße nöthigenfalls die Kleider ab, hat man aber keine Zeit dazu, so löse man jedenfalls die Unterbeinkleider am Fuß, wenn sie zugebunden sind. Unterläßt man dies, so füllen sie sich mit Wasser und halten den Schwimmer auf.

3) Man ergreife den Ertrinkenden nicht, so lange er noch stark im Wasser arbeitet, sondern warte einige Sekunden, bis er ruhig wird. Es ist Tollkühnheit, jemand zu ergreifen, während er mit den Wellen kämpft, und wer es thut, setzt sich einer großen Gefahr aus.

Fig. 5.

4) Ist der Verunglückte ruhig, so nähere man sich ihm, ergreife ihn beim Haupthaar, werfe ihn so schnell als möglich auf den Rücken und gebe ihm einen plötzlichen Ruck, um ihn oben zu halten. Darauf werfe man sich selbst ebenfalls auf den Rücken und schwimme so dem Lande zu, indem man mit beiden Händen den Körper am Haar festhält und den Kopf desselben, natürlich mit dem Gesicht nach oben, sich auf den Leib legt. Man erreicht so schneller und sicherer das Land als auf irgend eine andere Art, und ein geübter Schwimmer kann sogar 2 Personen über Wasser halten. Ein großer Vortheil dieses Verfahrens, das sich als das beste herausgestellt hat, besteht darin, daß man in stand gesetzt wird, sowohl seinen eigenen als auch des Verunglückten Kopf über Wasser zu halten. Auch kann man in dieser Weise sehr lange treiben, was von großer Wichtigkeit ist, wenn man ein Boot oder sonstige Hilfe zu erwarten hat.

5) Der „Todesgriff“ kommt erfahrungsgemäß ungemein selten vor. Sobald ein Ertrinkender schwach wird und seine Besinnung verliert, wird sein Griff allmählich schwächer, bis die Hand zuletzt ihren Halt gänzlich fahren läßt. Man braucht also dieses „Todesgriffes“ wegen keine Furcht zu hegen, wenn man jemand durch Schwimmen zu retten beabsichtigt.

6) Wenn jemand auf den Grund gesunken ist, so kann die Stelle, wo der Körper liegt, bei schlichtem Wasser genau an den Luftblasen erkannt werden, die gelegentlich zur Oberfläche emporsteigen. Einer etwaigen Strömung, welche die Blasen am senkrechten Emporsteigen hindert, muß dabei natürlich Rechnung getragen werden. Man kann oft, indem man in der durch die Blasen bezeichneten Richtung niedertaucht, einen Körper wiedererlangen, ehe es zur Wiederbelebung desselben zu spät ist.

7) Taucht man nach einem Körper, so ergreife man ihn am Haar, jedoch nur mit einer Hand und gebrauche die andere Hand und die Füße dazu, sich zum Wasserspiegel zu erheben.

8) In See ist es, falls der Strom vom Lande absetzt, ein großer Fehler, wenn man versucht, das Land zu erreichen. Man werfe sich dann lieber auf den Rücken, gleichviel, ob man allein oder mit einem Körper belastet ist, und treibe so lange, bis Hilfe naht. Mancher, der gegen den Strom dem Lande zuschwimmt, erschöpft seine Kräfte und geht unter, während ein Boot oder andere Hilfe hätte beschafft werden können, wenn er sich hätte treiben lassen.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 622. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_622.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)