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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

bewahrte sie lange vor der gänzlichen Zersetzung; der Schlamm verdichtete sich allmählich zu einem festen kalkartigen Gestein und das Innere desselben barg nun oft wunderbar genaue Abdrücke der seltsamsten thierischen Körperformen.

Heute kennt jedermann, wenn auch oft nur vom Hörensagen, jene vorweltlichen Thiere; durch Scheffels Lieder ist ja der Ichthyosaurus volksthümlich geworden. Den Forschern ist es gelungen, aus einzelnen Fundstücken einzelne Arten zu „restauriren“, wie z. B. die „fliegenden Eidechsen“, häßliche Geschöpfe mit einer Flügelspannweite von 7 Metern und lang gestreckten, schnabelähnlich endenden Köpfen. Am bekanntesten dürfte aber der Solnhofener Urvogel Archaeopteryx sein; denn die Nachricht vom Auffinden desselben machte seiner Zeit die Runde durch alle Zeitungen und der Verkauf jener Versteinerung bildete einen merkwürdigen Handel. Im Jahre 1860 wurde in Solnhofen der Abdruck einer einzelnen Vogelfeder gefunden und ein Jahr darauf weitere Abdrücke, welche zusammen ein seltsames gefiedertes Thier darstellten. Das britische Museum erwarb den Archaeopteryx für 12 000 Mark, und sechzehn Jahre hindurch blieb der Fund ein Unicum, bis 1877 in den lithographischen Schiefern von Eichstätt, 3½ Wegstunden von dem ersten Fundorte, ein zweites viel vollkommeneres Exemplar ausgehoben wurde. Dieses wanderte nicht mehr nach England, sondern gelangte schließlich für den Preis von 20 000 Mark in das mineralogische Museum der Berliner Universität.

Ja, die Solnhofener Funde sind berühmt und die Brüche bilden eine wahre Schatzkammer der Wissenschaft, aber alle die Menschen, welche dort hämmern und pochen, arbeiten nicht im Dienste der Gelehrten. Solnhofen ist auch, wie die „Gartenlaube“ schon einmal es treffend genannt hat (vergl. Jahrg. 1865, Nr. 18), eine „steinerne Schatzkammer der Kunst“, denn hier wird der beste, ja der einzig brauchbare lithographische Stein gebrochen. Nur in Südfrankreich wird ein ähnlicher Stein in Blöcken (nicht Schichten) gewonnen, der jedoch für das Bedürfniß des Lithographen kaum die geringern Solnhofener Steine ersetzt. Die Kunst des Steindruckes, die Lithographie, wurde bekanntlich erst am Ende des vorigen Jahrhunderts von dem Münchener Senefelder erfunden. Die Steinbrüche von Solnhofen sind jedoch älter. Ueber die Entdeckung derselben erzählt man Folgendes:

Vor etwa 200 Jahren soll ein Hirtenknabe zum Zeitvertreib ein Loch in die Erde gegraben und die dabei gefundenen Plättchen mit Sand und Wasser so lange an einander gerieben haben, bis sie glatt wurden. Dies trieb er längere Zeit, bis ein Zufall ihn erfahren ließ, daß zum Dom in Eichstätt Muster von Fußbodenplatten verlangt würden. Ohne weiteres brachte er seine Plättchen dorthin. Der erste daraufhin gemachte Versuch einer Ausgrabung war erfolgreich, und der Dom von Eichstätt wurde zuerst mit Solnhofener Steinen belegt. Einen ungeahnten Aufschwung nahmen die Steinbrüche jedoch erst seit der Zeit, da man sich überzeugt hatte, daß die Verwendbarkeit dieses Steines zur Lithographie eine ausgezeichnete sei und daß alle Steinbrüche der Welt mit Solnhofen nicht in die Schranken zu treten vermögen.

Förderwagen in den Solnhofener Steinbrüchen.

Man unterscheidet in Solnhofen selbst zwei Sorten lithographischer Steine, eine gelbliche und eine blaugraue. Die letztere ist die härtere und bessere, kommt aber seltener vor, und darum kosten die blaugrauen Steine fast doppelt so viel als die gelben.

Außer den lithographischen Steinen liefern diese Brüche noch Material zu Fußböden und Kegelbahnplatten und zu Gerbertafeln; aber das sind minderwerthige Verwendungen, die Hauptsache bleiben die Steindrucktafeln. Mit diesen wird die ganze civilisirte Welt von Solnhofen aus versorgt; Solnhofener Geschäfte haben ihre Lager in allen Hauptstädten, und aus aller Herren Ländern kommen Kaufleute herbei, die gleich 10–20 Wagenladungen auf einmal erstehen; die größten Abnehmer kommen aus London und New-York.

Solnhofen liegt in einem anmuthigen Thale an der Altmühl, einem Nebenflusse der Donau, und ist Bahnstation an der Strecke Nürnberg-Ingolstadt. Schon bei der Ankunft in Treuchtlingen, bez. Dollnstein, merkt man an den Dächern, welche mit den gelben Steinplättchen belegt sind, daß man wohl nahe bei Solnhofen sein müsse. Von Solnhofen selbst aus erreicht man zu Fuße nach viertelstündigem Steigen die ersten Brüche und gewinnt nunmehr einen Einblick in das rege Leben, welches sich hier entwickelt. – Namentlich das Abräumen der Steine auf kleinen Karren, die bald durch Menschenkraft, bald von Pferden befördert werden, bald an steilen Abhängen vorüberrollen, bald durch künstliche hohe Felsenschluchten fahren, bietet ein das Auge fesselndes Bild. In einigen Brüchen wurden auch Rollbahnen mit Handbetrieb eingeführt. Aber dieses geschäftige Treiben geben unsere Abbildungen viel besser wieder, als es Worte vermöchten.

Versuchen wir hier, nur die Gewinnung und Bearbeitung der Steine selbst in den einzelnen Stadien zu schildern.

Das Brechen selbst geschieht in folgender Weise: Die Steine, welche schichtenweise aufeinander liegen, werden an der Kante zwischen den Lagen angemeißelt und zwar, je nach der Größe des zusammenhängenden Stückes, nöthigenfalls von mehreren Arbeitern gleichzeitig so lange, bis das Stück sich losheben läßt. Bei unvorsichtigem Verfahren kommt es hierbei nicht selten vor, daß der Stein in Stücken statt als Ganzes aufbricht. Kaum zu vermeiden ist dies, wenn der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 588. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_588.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)