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verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

mit dem Reisen verknüpfte Fahren auf der Eisenbahn mit sich bringt, so soll doch damit nicht die Häufigkeit von Unglücksfällen betont werden. Zur Beruhigung ängstlicher Gemüther wird vielmehr darauf hingewiesen, daß die Gefahren der Reise seit Nutzbarmachung der Dampfkraft für dieselbe bedeutend abgenommen haben und daß nach den Berechnungen von Gartiaux (1873) früher etwa um die Hälfte Todesfälle und Verletzungen mehr vorkamen als heute. „Einer, der 10 Stunden täglich auf der Eisenbahn führe, hätte 7439 Jahre zu reisen, ehe er befürchten müßte, sein Leben zu verlieren.“ –.

Das Buch von guten Abenteuern. Im Besitze des Fürsten von Waldburg-Wolfegg befindet sich eine höchst merkwürdige Bilderhandschrift aus dem letzten Drittel des 15. Jahrhunderts, welche das germanische Nationalmuseum zu Nürnberg wegen ihrer hohen kulturgeschichtlichen Bedeutung unter dem Titel „Mittelalterliches Hausbuch“ in getreuen Faksimilenachbildungen herausgegeben hat (Frankfurt a. M., Heinrich Keller). Das Buch ist von einem unbekannten „guten Abenteurer“ – so nannten sich in jener Zeit Männer, welche seltsame, wunderbare und gewagte Dinge verrichteten – gezeichnet und verfaßt und giebt das ganze damalige technische Wissen und Können wieder, das natürlich noch sehr beschränkt, aber doch nur Eingeweihten bekannt war, die ihr Geheimniß sorgfältig hüteten. Verdankten sie doch diesen merkwürdigen Künsten ihr Ansehen, wußten sie sich doch durch diese Anerkennung und Nutzen zu verschaffen. Obgleich es sich also um geheime Kenntnisse handelt, um den Einfluß der Planeten auf die menschlichen Verhältnisse, um medizinische, chemische und technische Rezepte, um Gedächtnißkunst, Maschinen, Geschütze, Kriegskunst u. a., führen uns die Illustrationen des Textes doch das ganze frisch pulsirende Leben vom Schlusse des Mittelalters in charakteristischen und originellen Darstellungen vors Auge.

Man sieht Künstler und Handwerker in ihrer Thätigkeit, den Lehrer mit seinen Knaben, den Gelehrten bei seinem Studium, die Parteien vor dem Richter, aber auch den armen Sünder, der dem Hochgerichte zugeführt wird, Räuber und Diebe, Raubritter, die ein Dorf überfallen, das Leben und Treiben im Vorhof einer Burg, auf einem Landsitze und in den Bädern. An fröhlichen Gesellschaften, die sich mit Musik und Tanz, Schmausen und Spielen erlustiren, fehlt es nicht. Den Ackerbau, Mühlen und Bergwerke nebst allen dazu gehörigen Maschinen führt der gute Abenteurer ebenso vor wie Jagden und Vogelfang, Fechten, Ringen und Steinstoßen, Stechen, Schießen und Rennen, Geschütze und Wagenburg. Das fahrende Volk hat der Verfasser besonders berücksichtigt; man sieht den Bettler vor der Kirche, um Almosen flehend, Feuerschlucker, Schlangenbändiger, Quacksalber und Gymnastiker, deren Buden sich nur wenig von den heutigen unterscheiden. Mit einem Worte, man erhält durch das besprochene Werk ein so lebensvolles, durchaus nicht prüdes, vielmehr auch alle Derbheiten wiedergebendes Bild des Lebens der interessanten Zeit am Ausgange des Mittelalters, wie es kein zweites gleichzeitiges Werk bietet.

Wie schnell gehen wir? Wie schnell geht der Mensch? Eine sonderbare Frage! Der eine läuft, der andere schleppt sich mühsam vorwärts. Das ist wahr, aber der Durchschnittsmensch wird eine gewisse Schnelligkeit im Gehen zeigen, welche man als die normale bezeichnen kann. Einen solchen Durchschnittsmenschen können wir uns schaffen, wenn wir eine große Zahl von Menschen beobachten und den Durchschnitt der gewonnenen Beobachtungsgrößen berechnen. Joseph Kleiber hat solche Beobachtungen in Petersburg angestellt. Er beobachtete in den Straßen der Stadt den Gang von 6672 Personen und bestimmte daraus die mittlere Geschwindigkeit des Fußgängers auf 76,9 m für die Minute oder 4,61 km in der Stunde. Die Stadtstraßen dürften jedoch kein geeignetes Feld zur Beobachtung sein, denn hier wird die Geschwindigkeit der Füße durch viele Hindernisse und Rücksichten gehemmt. Auf der Chaussee kann man die Kraft der Beine besser ausnützen, und die von anderer Seite angestellten Untersuchungen ergaben als Mittel für den Fußgänger 6 Kilometer in der Stunde. Uebung macht den Meister, und so wird auch die Marschfähigkeit des Menschen durch Uebungen bedeutend erhöht. Es giebt Fußgänger, die 8 Kilometer in der Stunde zurücklegen, und ein forcirter Marsch ergiebt nach den Ermittelungen der Gebrüder Weber 9389 m in der Stunde. Die höchste Marschleistung des Menschen an einem Tage (24 Stunden) wird auf 120 km geschätzt, und sonderbarerweise ist sie der Tagesleistung berühmter Schnellläufer gleich, die auch 120 Kilometer erreicht.

Ausnahmen giebt es überall, und es wird auch auf diesem Gebiete von „Kunstleistungen“ berichtet, welche die obengenannten übertreffen; aber diese Ziffern beziehen sich auf ganz außerordentliche Menschen und entbehren zumeist der wissenschaftlichen Bestätigung. *




Kleiner Briefkasten.

C. M. in Jena. Der deutsche Kaiser bezieht als solcher keine Einnahmen vom Reiche. Doch ist ihm ein Dispositionsfonds von 2 400 000 M jährlich für Gnadenbewilligungen aller Art ausgeworfen. Von seiten des preußischen Staates wurde durch Beschluß des preußischen Landtags vom 12. Februar d. J. mit Rücksicht auf die gesteigerten Repräsentationsausgaben des Königs von Preußen als deutscher Kaiser dessen Krondotation von 12 219 296 M auf 15 719 296 M erhöht.


Inhalt: Gold-Aninia. Eine Erzählung aus dem Engadin. Von Ernst Pasqué (Fortsetzung). S. 565. – Der Tanz in Deutschland. Kulturhistorische Skizze von Hermann Streich. S. 571. Mit Illustration S. 568 und 569. – Das Siebente deutsche Turnfest in München. Von Prof. Dr. C. Euler. S. 573. Mit Illustrationen S. 573, 574 und 577. – Schatten. Novelle von C. Lauckner (Schluß). S. 575. – Blätter und Blüthen: Der Soldatenbrief. S. 579. – Der wilde Mann an der „kleinen Windgelle“. S. 579. Mit Abbildung S. 565. – Die Kunst zu reisen. S. 579. – Das Buch von guten Abenteuern. S. 580. – Wie schnell gehen wir? S. 580. – Kleiner Briefkasten. S. 580.


Soeben ist erschienen und durch die meisten Buchhandlungen zu beziehen:

Gartenlaube-Kalender für 1890.
Fünfter Jahrgang.
15 Bogen 8º mit zahlreichen Illustrationen.
Preis in elegantem Ganzleinenband 1 Mark.

Aus dem reichen Inhalte des „Gartenlaube-Kalenders“ für das Jahr 1890 heben wir hervor:

Habe Muth! Gedicht v. A. Ohorn. Mit Illustrat. v. R. E. Kepler. – Nachbars Paul. Erzählung von W. Heimburg. Mit Illustrat. v. C. Zopf. – Das Elixir der Dubarry. Humoreske v. Paul von Schönthan. Mit Illustrat. v. Peter Schnorr. – Die Herrgottskinder. Erzählung von H. Villinger. Mit Illustrat. v. Fritz Bergen. – Ueber häusliche Krankenpflege. Von Sanitätsrath Dr. L. Fürst.Die Behandlung Ertrunkener. Von Dr. H. Tischler.Hühnerzucht für jedermann. Von Dr. Karl Ruß.Ein Kapitel von den Zähnen.Die kritischen Tage des Jahres 1890. Von Rudolf Falb.Rückblick auf die merkenswerthen Ereignisse vom Juli 1888 bis August 1889. Von Schmidt-Weißenfels. Mit zahlreichen Illustrat. – Polytechnische Umschau. Mit Illustrat. – Blätter und Blüthen. – Zahlreiche Tabellen. – Statistische Notizen. – Genealogie der europäischen Regentenhäuser. – Vollständiges Kalendarium des protestantischen, katholischen (für Deutschland und Oesterreich gültigen), griechischen und jüdischen Kalenders. – Handelskalender für die wichtigsten Messen. – Küchenkalender u. s. w. u. s. w. – Vollbilder von F. Sonderland, E. Rau, F. Hiddemann, C. Zopf u. a.

Vollständiger Post- und Telegraphen-Tarif, zusammengestellt von einem höheren Postbeamten.

Der „Gartenlaube-Kalender“ ist seit seinem ersten Erscheinen im Jahre 1885 den meisten Abonnenten der „Gartenlaube“ ein gern gesehener, alljährlich wiederkehrender Gast geworden, und dürfte es vermöge der Gediegenheit und Reichhaltigkeit des Inhaltes, sowie der glänzenden Ausstattung und des billigen Preises des soeben erschienenen neuen Jahrgangs 1890 in diesem Jahre gewiß auch für viele werden, welchen er bis jetzt fremd geblieben ist. Die Jahrgänge 1886–1889 des „Gartenlaube-Kalenders“ sind zum Preise von 1 Mark für den Band ebenfalls noch zu haben.

Bestellungen wolle man der Buchhandlung übergeben, welche die „Gartenlaube“ liefert. Postabonnenten erhalten den „Gartenlaube-Kalender“ in den meisten Buchhandlungen, oder gegen Einsendung von 1 Mark und 20 Pf. (für Porto) in Briefmarken direkt franko von der

Verlagshandlung von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.

Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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