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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

No. 33.   1889.
      Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig oder jährlich in 14 Heften à 50 Pf. oder 28 Halbheften à 25 Pf.


Gold-Aninia.

Eine Erzählung aus dem Engadin.0 Von Ernst Pasqué.
(Fortsetzung.)


Der Cavig hatte in der That beim Heraustreten aus seinem Hause den einsiedlerischen Mönch vom Crestalta getroffen, der auf seinem Grauthier gekommen war, seinen italischen Landsmann und Glaubensgenossen aufzusuchen. Fra Battista, ein alter, doch noch immer rüstiger Mann mit kahlem Scheitel, langem weißen Bart und freundlichen Zügen, aus denen die Aeuglein ebenso gutmüthig wie klug hervorleuchteten, gehörte einem der Bettelorden an. Seine härene Kutte war so abgenutzt und mit Flicken besetzt, daß man deren eigentliche Farbe ebenso wenig wie die des Strickes, der sie gürtete, erkennen konnte. Abgesehen davon schien der Mönch mit seinem vierbeinigen Gefährten keinen Mangel zu leiden, denn sein Antlitz zeigte eine gesunde Farbe und sein Maulthier war rund und wohlgenährt. Er hatte dasselbe an einen vor dem Hause befindlichen Pflock angebunden, den leeren Sack, für den zu erbettelnden Eßvorrath bestimmt, sorgsam über den Rücken des Thieres gebreitet und war alsdann geradeaus, auf wohlbekanntem Wege, in das Krankenzimmer gegangen. Hier fand er den Bergamasker aufrecht im Bette sitzen, wohlversorgt mit weichen Kissen im Rücken, und er begrüßte den Genesenden mit frohen Worten. Während Mutter und Tochter in der Wohnstube in ernster Zwiesprach weilten, schüttete Beppo in seiner Herzenseinfalt dem guten, theilnehmenden Mönch sein Herz aus und vertraute ihm sein neues großes Glück wie in einer Generalbeichte an. Fra Battista mußte dies mit großer Freude vernommen haben, denn als Mutter Barbla und Aninia endlich in die Stube traten, sahen sie, wie der Mönch die Hand segnend auf das Haupt Beppos gelegt hatte.

„Euch hat der Herr zu guter Stunde hergeführt, frommer Mönch,“ sagte Mutter Barbla. Dann ging sie ohne jede weitere Einleitung in ihrer kurzen Weise auf ihr Ziel los und fuhr also fort. „Man sagt, daß Ihr Mönche von Eurem Papst in Rom das Recht erhalten habt, zu binden und zu lösen; daß, was Ihr im Namen Gottes zusammengebt für das Leben, durch die Menschen nicht getrennt werden darf. Antwortet mir, Fra Battista, ist es also?“

Der Mönch war über diese unerwartete und so bedeutsame Frage nicht weniger erstaunt als das junge Paar,

Hopp! Hopp! Nach einem Gemälde von F. Schlesinger.
Photographie im Verlage von Franz Hanfstaengl in München.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 549. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_549.jpg&oldid=- (Version vom 30.4.2020)