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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

oder die Zündschnur handhaben sehen. Sie sprengen sich buchstäblich den Boden unter den Füßen weg, und nur da, wo es die zwingende Noth gebietet, hängen sie sich an eine Leine, die sie vorher mittels einer eisernen Klammer über sich am Felsen befestigt haben.

Auch die Italiener bohren gelegentlich eine Mine, aber ihr Hauptwerk besteht in der Mauerarbeit und im Straßenbau das heißt in der Herrichtung der Geleisunterlagen für die zahlreichen Eisenbahnlinien, die zur Fortschaffung der ausgesprengten und ausgeschaufelten Erdmassen erforderlich sind.

Die eigentlichen Erdarbeiter, die Schaufler und Kärrner, sind die Armenier. Denen ist am wohlsten, wenn sie tief im Schoß der Erde wühlen können. Selbst nach gethaner Arbeit bleiben sie am liebsten unter der Erde. Während sich die Italiener luftige Holzbaracken aufgezimmert haben, die Montenegriner in einem Mittelding von Holz- und Steinbude hausen, graben sich die Armenier tiefe Löcher in die Erde, meist an einem Hügelabhang, und führen dort ihr Maulwurfsleben.

Der Gesundheitszustand auf dem Isthmus ist ein überraschend guter. Mir hat der Gesellschaftsarzt versichert, daß ihm keine Gegend Griechenlands bekannt sei, wo weniger gefährliche Krankheiten, namentlich ansteckende, vorkämen als gerade dort um „Poseidons Fichtenhain“ herum. Die durch alle Jahre hindurch beobachtete Thatsache, daß so gut wie keine Lungenkrankheiten, vollends gar keine chronischen, auf dem Isthmus vorkommen, hat den General Türr bestimmt, ernstlich den Plan einer Luftkuranstalt auf dem höchsten Punkte des Isthmus zu erwägen.

Die Eisenbahn läuft schon seit vier Jahren über den Isthmus, und zwar vom Piraeus – über Athen, Eleusis, Megara – nach Korinth und von hier weiter nach Patras im Westen und nach Nauplia im Süden. Die Kanalgesellschaft rechnet darauf den Wettbewerb selbst mit der Eisenbahnlinie Patras-Korinth-Athen siegreich bestehen zu können. Die Ersparniß an Zeit bei der Eisenbahnfahrt Patras-Athen wird gegen die Dampfschiffahrt auf dem kurzen Wege durch den Kanal höchstens 3 bis 4 Stunden betragen, und dieser verhältnißmäßig geringen Ersparniß halber werden die Güter gewiß nicht der theuren Umladung vom Schiff auf die Eisenbahn unterzogen werden. Aber auch die Reisenden werden es in den meisten Fällen vorziehen, ruhig auf dem Schiff zu bleiben, mit dem sie nach Patras gelangt sind, und von dort auf dem herrlichen korinthischen Meerbusen angesichts des Parnassos, des Kithäron und der Kyllene nach Korinth oder weiter durch den Kanal nach dem saronischen Meerbusen und an Salamis und Aegina vorüber nach dem Piraeus zu fahren. Der korinthische Meerbusen kommt an Erhabenheit der Uferumgürtung den meisten schweizer Seen gleich, und der Parnaß hat denn doch noch einen andern Klang für ein klassisch gebildetes Ohr als der Uri-Rothstock.

Der Kanal von Korinth.
a Golf von Aegina. b Neue Stadt Isthmia. c Ruinen der alten Stadt Isthmia. d Akrokorinth. e Ruinen von Altkorinth. f Neukorinth. g Mündung des Kanals in den Golf von Korinth. h Neue Stadt Posidonia. i Brücke der Eisenbahn Piraeus-Patras. k Thurm für die elektrische Beleuchtung. l Mündung des Kanals in den Golf von Aegina. m Kalamaki.

Auch sonst fußen die Berechnungen der Kanalgesellschaft bezüglich der Verzinsung ihres Kapitals und der Deckung ihrer Betriebskosten auf einer sehr gesicherten Unterlage. Die griechische Handelsflotte ist schon jetzt eine der bedeutendsten der Welt, – eine Thatsache, die noch lange nicht richtig gewürdigt wird –, und die Kanalgesellschaft rechnet nicht ohne Grund auf eine stattliche Zahl von Schiffen fremder Flagge, die ihre Fahrt nach den Häfen der Levante auf dem kürzeren Wege durch den Kanal nehmen müssen und nehmen werden. Der österreichisch-ungarische Lloyd hat sich bereit erklärt, seine Schiffe nach Konstantinopel, den Häfen von Kleinasien und des Schwarzen Meeres in Zukunft durch den Kanal von Korinth fahren zu lassen, und schon der Konkurrenz wegen müssen die anderen Gesellschaften, die der Engländer, der Italiener, der Franzosen folgen. Bei einer Durchfahrtsgebühr von höchstens 1 Frank für die Tonne werden namentlich die größeren Schiffe, zumal die Dampfer, sicher dem zeitraubenden, kostspieligen und nicht ganz unbedenklichen Weg um die drei Südkaps des Peloponnes den sturmsicheren, um einen ganzen Tag kürzeren durch den Kanal vorziehen. Die Passagierschiffe werden es schon der Passagiere wegen thun müssen, und die großen Kauffahrteifahrer werden das Gleiche im Interesse von Reedern und Verfrachtern thun.

Außer der erwähnten Gefahr von seiten der Erdbeben ist für den Betrieb des korinthischen Kanals nichts zu befürchten, zumal nachdem man gegen eine Versandung, wie sie beim Suezkanal immerwährend stattfindet, das kostspielige, aber sichere Mittel der Böschungsmauern aus bearbeitetem Felsgestein angewendet hat. Die Meeresströmung ist an beiden Mündungen des Kanals eine so sanfte, daß je ein Bagger ausreichen wird, den etwa antreibenden Sand bequem zu bewältigen.

Auch die sonstigen Betriebskosten werden gering sein und sich eigentlich nur auf die geschäftliche Verwaltung beschränken. An jeder Mündung des Kanals wird ein Bureau sich befinden, wo die Schiffspapiere geprüft und die Durchfahrtsgebühren in Empfang genommen werden. Es wird auch einiges Wachpersonal längs des Kanals aufgestellt werden; aber von den kostspieligen Ausweichehäfen, wie sie beim Suezkanal durch seine Länge nöthig geworden sind, wird beim Kanal von Korinth keine Rede sein. Da die größte Ersparniß eines Dampfers bei der Durchfahrt durch den Kanal nur einen Tag beträgt, so muß der Dienst Tag und Nacht stattfinden, damit nicht durch Stillliegen während der Nacht die Hälfte des beabsichtigten Zeitgewinns wieder verloren gehe. Man wird also den Kanal von Korinth auch bei Nacht passiren und zwar bei elektrischer Beleuchtung, deren Zwecken ein am Rande des Kanals errichteter Thurm (k auf unserer Abbildung) dient.

Obwohl nun die Arbeiten an dem Kanal dieses Frühjahr wegen Mangels an Mitteln eingestellt worden sind, so darf man

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 509. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_509.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)