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verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Blätter und Blüthen.

Eine Hirschjagd im Dachauer Moos. (Zu dem Bilde S. 472 u. 473.) Es war im Oktober 1648. In Osnabrück und Münster saßen seit drei Jahren die Gesandten und Kommissarien aller deutschen Reichsstände über den schwierigen Friedensunterhandlungen, derweile aber ging der Krieg unaufhaltsam weiter, der nun schon im dreißigsten Jahre Deutschland verheerte. Den verbündeten Schweden und Franzosen unter Wrangel und Turenne vermochten die kaiserlichen und bayerischen Generale Holzapfel, Mercy und Johann von Werth keinen entscheidenden Schlag beizubringen, obwohl der letztere, ein gefürchteter wilder Reiterführer, eine Menge tollkühner und glücklicher Handstreiche ausführte, die seinen Namen noch lange im Volksgedächtniß erhielten. Der alte Kurfürst Maximilian von Bayern, der nun seit drei Jahrzehnten als getreuester Bundesgenosse bei der kaiserlichen Sache ausgehalten hatte, fing an zu verzweifeln über den schrecklichen Zustand seines Landes. Bis in die entlegenen Alpenthäler hinein rauchten die Häuser vom Brand und lagen die Erschlagenen auf den zerstörten Feldern. Schweren Herzens entschloß sich also der Kurfürst zu einem Waffenstillstand mit Frankreich und Schweden, ohne Rücksicht auf den kaiserlichen Bundesgenossen, hierin dem Beispiel anderer Fürsten nachfolgend, die kampfesmüde die bisher gemeinsame Sache verließen, um den ersehnten Frieden für sich zu erreichen.

Der Abfall seines mächtigsten Verbündeten, gerade jetzt, wo ein letzter Sieg mit Rücksicht auf die im Gange befindlichen Friedensunterhandlungen schwer in die Wagschale fallen konnte, erregte den heftigsten Zorn Ferdinands III. Er versuchte, die bayerische Armee ihrem Kurfürsten abspenstig zu machen; dies gelang ihm zwar nicht, aber Maximilian selbst bereute bald sein Abweichen von seiner früheren Haltung und suchte die Aussöhnung mit dem Kaiser.

Selbstverständlich war dies die Losung zu einem neuen fürchterlichen Einbruch der Schweden und Franzosen in das bayerische Land. Bei Zusmarshausen, am 17. Mai 1648, trat die bayerisch-österreichische Streitmacht den Feinden gegenüber und erlitt eine gänzliche Niederlage. Ihr Rückzug gab das offene Land aufs neue der Verwüstung preis; Kurfürst Maximilian mußte nach Salzburg flüchten, von wo aus er im Verein mit dem Kaiser Riesenanstrengungen machte, um nochmals ein Heer zusammen zu bringen. Enkevoort und Johann von Werth erhielten das Oberkommando und rückten vom Inn gegen die Isar vor, wo Wrangel und Turenne mit Schweden und Franzosen standen. Dort blieben die beiden Heere eine Zeit lang ziemlich unthätig sich gegenüber liegen, die Jahreszeit war für einen neuen Feldzug schon zu weit vorgerückt. Aber das schöne Herbstwetter erweckte die Jagdlust; General Wrangel erfuhr, daß in der Nähe von Dachau noch ein geschontes Hirschgehege sei, und lud seinen Verbündeten, den General Turenne, zu einer fröhlichen Hirschjagd ein.

Johann von Werth aber erfuhr auch von dem Vorhaben. Es gelang ihm, die paar Regimenter, welche die Feldherren vorsichtig zum Schutz ihrer Jagd aufgestellt hatten, zu überraschen, er nahm ihnen 800 Pferde und schlug sie in die Flucht.

Dann wandte auch er sich der Jagd zu, die sein eigentlicher Zweck bei dem Handstreich war, der Jagd auf ein edleres Wild, als den Hirsch, der an der Spitze des hinter ihm her brausenden Zuges dahinstürmte. Wrangel und Turenne trieben ihre Pferde aufs äußerste an, während ihre Leute durch Gewehrfeuer die Verfolger zurückzudrängen suchten. Aber während des tollen Ritts wich der Boden unter den Pferdehufen, das „Moos“ mit dem schwammigen Untergrund ging in Wassertümpel über, die Pferde begannen zu sinken, immer kürzer wurde die Entfernung zwischen den Verfolgten und dem ungestüm herandrängenden Johann v. Werth. Da, auf einmal sahen sie den Hirsch, der sich bisher den Pferden voraus durch den Morast gekämpft hatte, mit flüchtigen Sätzen über den Boden schießen. Er hatte eine Furt durch den Sumpf gefunden, die Feldherren eilten ihm nach und waren, wenn auch mit knapper Noth, der Gefangenschaft oder dem Tode im Sumpfe entronnen.

Diesen dramatischen Vorgang hat G. A. Cloß auf seinem Bilde sehr lebendig dargestellt. In der Mitte General Wrangel auf dem sich bäumenden Schimmel, neben ihm der Oberst der Dragoner, die er zum Schutz aufgestellt. Einer von diesen Dragonern macht mit lautem Rufen auf die Flucht des Hirsches aufmerksam, während die andern im Mittelgrund den Feind durch Feuer zu beschäftigen suchen. Turenne, am reichen Federschmuck seines Generalshuts kenntlich, wendet den Kopf zurück und macht die Waffe schußbereit gegen Johann v. Werth, der, schon bedenklich nahe, seine Leute zur letzten Anstrengung anfeuert. Aber sein Pferd sowie das des neben ihm reitenden Trompeters watet bereits bis an die Brust im Wasser. Noch einige Augenblicke und die kostbare Beute wird den Verfolgern entwischt sein, sie müssen sich mit dem Häuflein Gefangener begnügen, welches im Mittelgrund die weiße Fahne aufgezogen hat, weil es lieber dem furchtbaren Kroatenführer in die Hand fallen will, als hier elend im Sumpf ertrinken.

Die friedliche Herbststimmung der Landschaft bildet einen sehr wirksamen Gegensatz zu der bewegten Reitergruppe, deren Hauptpersonen getreu nach guten Bildnissen dargestellt sind. Und der Vorgang spiegelt im kleinen die ganze Trostlosigkeit der damaligen Zeit: fremde Kriegsvölker unter fremden Feldobersten über deutsches Land dahinfahrend, und Beute machend, wo sie sich findet.

Ende Oktober, gerade als die Schweden einen neuen Feldzug nach Böhmen planten, erscholl plötzlich die frohe, fast unglaubliche Kunde, daß der Friede wirklich geschlossen sei! Voll Ingrimm soll Wrangel darauf hin seinen Generalshut zu Boden geworfen und mit Füßen getreten haben. Denn nun war ja allerdings die Zeit der gewaltthätigen Soldateska vorüber. Das vielgequälte deutsche Volk aber athmete auf und sah endlich nach dem westfälischen Friedensschlusse von 1648 einer neuen und besseren Zeit entgegen. Br.

„Fahrende Leute.“ (Zu dem Bilde S. 481.) So hießen im Mittelalter die umherwandernden Gaukler, Spieler, Sänger, Quacksalber, Tänzerinnen und ähnliches Volk. Völlig rechtlos, waren sie doch vom Volke wohl gelitten, von geistlichen und weltlichen Obrigkeiten vielfach geschützt und in Gnaden aufgenommen. Mancher verlorene Sohn floh zu ihnen, und das Erscheinen ihrer heimathlosen Scharen mit ihrer verlumpten Herrlichkeit, ihrem ungebundenen, genialisch angehauchten Leben steht in einem wunderlichen Gegensatz zu der Philisterhaftigkeit des damals so eng begrenzten bürgerlichen Horizonts.

Das hat sich alles geändert. Die fahrenden Künstler stehen nicht mehr außerhalb des Gesetzes, sie zahlen ihre Gewerbesteuer, und ihr Standplatz wird ihnen polizeilich angewiesen, wenn der Jahrmarkt ihr Publikum vom Lande nach dem Marktflecken zieht. Sie rauben keine Kinder mehr, und kaum mehr wird ein junger Mann aus den höheren Ständen sich unter ihr Dach flüchten, obwohl die Schönheit einer Artistin oder der Schimmer der eigenartigen Freiheit hier und da auf abenteuerlustige Menschen noch einen Reiz ausübt.

Der Maler läßt uns einen Blick hinter die Coulissen einer solchen wandernden Künstlertruppe thun. „Hinter die Coulissen“ ist wohl nicht richtig ausgedrückt. Es ist ein kleines Budenzelt, dessen geflickte Wände sich rechter Hand gegenüber einer Baumallee erheben, und die Artisten stehen, sitzen und liegen in einem durch ihr „Wohnhaus“ und ihren Kunstkarren gebildeten, geschützten Winkelchen auf und neben ihren Requisiten in holder Ungeniertheit herum. Koffer und Körbe liegen im Rasen, und auf dem kleinen eisernen Feldofen brodelt die Mittagsmahlzeit, welche die junge Frau dort soeben zugesetzt hat. Bis das Wasser siedet, bemüht sich ihr Kleinster, die Künstlernatur mit der Muttermilch einzusaugen. Ein allerliebstes nacktes älteres Brüderchen ist trotz seiner Kleinheit Goliath genug, um ein paar Kaninchen in die Flucht zu jagen. Vielleicht haben sie auch den Elefanten zu Gesicht bekommen, und der Schrecken, mit dem einst Pyrrhus den Fabricius einzuschüchtern suchte, ist ihnen in die Glieder gefahren. Mit Unrecht, denn dieser Elefant ist ein sehr harmloser alter Herr, der pater familias, der Vater der Frau und ihrer noch unvermählten Schwester, sowie der beiden zwischen Morgenschläfchen und Neugier kämpfenden Jungen. Der Alte ist zu gymnastischen Kunstleistungen ein bißchen zu steifbeinig geworden und er giebt sich gern zu Arbeiten und Verkleidungen her wie die gegenwärtige, in denen er immer noch seinen Mann stellen kann. Der Schwiegersohn näht ihm eben den zweiten Stoßzahn an, und das Unthier macht bereits ein recht bedeutendes Gesicht. Wenn auch der Neger, über dessen Heimath die Meinungen getheilt sind, seinen breiten Mund grinsend verzieht, auf die Kleine aus dem Nachbarzelt macht das unheimliche Gebilde doch Eindruck, und die Kinder des Städtchens werden mit wonnigem Grauen den Sprüngen zusehen, mit denen der „Elefant von Borneo“ hinter dem Mohren hertraben wird. Der hübschen, kartoffelschälenden ersten Drahtseilläuferin scheint der Kunstschütze aus dem benachbarten wohlhabenderen Geschäft vergeblich die Cour zu machen. Ein Clown, aus dem im Hintergrunde sich erhebenden großen Cirkus, ist ihm mit ernstgemeinten Absichten zuvorgekommen; der Ehekontrakt wird drüben zugleich mit einem Engagementsantrag wohl noch vor Ende des Jahrmarktes fertig gemacht werden. Und das ist ganz gut, denn das junge Mädchen aus dem dritten Wagen, welches dort beschäftigt ist, Tricots und Strümpfe zum Trocknen zu hängen, hat entschieden ältere Rechte an den Kunstschützen, und sie wirft einen Blick voll Besorgniß nach dem Don Juan, dessen Gespräch mit der Nachbarin eine ganz bedenkliche Länge angenommen hat. O. Justinus.




Kleiner Briefkasten.

„Schwaben“. Wenden Sie sich gefl. direkt an eine der von Ihnen selbst genannten Adressen. Das genannte Preisausschreiben ist längst erledigt.

Frau J. K. in Weilburg a. L. Das ist freilich sehr lästig! Versuchen Sie es einmal mit der Lanolinsalbe, die sich nach längeren Erfahrungen als ein treffliches Mittel zur Erhaltung weicher Hände erwiesen hat. Nachdem die Hand mit Seife abgewaschen und gut abgetrocknet worden ist, reibt man die Haut derselben, namentlich den Handrücken mit Lanolin gut ein. In der „Berl. klin. Wochenschrift“ wird folgendes Rezept zur Herstellung einer wohlriechenden Lanolinsalbe oder wie man sonst sagt des Lanolin-Crèmes empfohlen: Man mengt 100 Gramm reinsten Lanolins mit 25 Gramm flüssigem Paraffin zusammen und setzt 0,1 Gramm Vanille und 1 Tropfen Rosenöl hinzu. Das Einreiben der Haut mit dieser Salbe muß jedoch nach jeder Waschung vorgenommen werden.

R. E. in Leichlingen. Der Ausdruck „magerer Magister“ ist so alt wie die Thatsache, daß die Wissenschaft ihre Jünger selten mit irdischen Reichthümern zu versorgen pflegt. „Magister“ war nämlich ursprünglich der Ehrentitel dessen, der ausstudirt hat, und ist dann im Munde des Volkes vornehmlich zur Bezeichnung des „Schulmeisters“ geworden. Daß aber der Stand der Gelehrten sich im großen Ganzen eher durch Magerkeit als durch Leibesfülle auszeichnet, das haben Sie vielleicht selbst schon beobachtet. Den Philosophen Kant konnte man mit besonderem Rechte einen „mageren Magister“ nennen, denn er war von Person äußerst schmächtig und nur fünf Fuß groß. – Was Ihre zweite Frage: „wie stark ist ein Mensch in Pferdekräften ausgedrückt?“ anbelangt, so fehlt es uns im Augenblick an einer genauen Angabe. Vielleicht finden wir später noch etwas darüber und werden dann nicht versäumen, Ihnen zu antworten.

C. E. in Dresden. Das Einreiben des Schuhwerks mit festen Substanzen ist ein allgemein erprobtes Mittel, um die Haltbarkeit des Leders zu erhöhen. Ihre Bedenken dagegen können wir nicht theilen. Unter Umständen kann allerdings die Transpiration der Füße durch das Einreiben gehindert werden und wer stark schwitzt, wird gut thun, das Schuhwerk oft zu wechseln; gegen nasse Füße aber bildet das Einreiben des Schuhwerks ein bewährtes Schutzmittel. – Die von Ihnen erwähnten „Klimax“ können gegen das Durchlaufen der Sohlen und das Schieftreten der Absätze mit Erfolg angewandt werden. Das mit den Eisenstücken benagelte Schuhwerk sieht aber nicht zum besten aus und von dem Gebrauch derselben in Haus und Zimmer dürften unsere Hausfrauen kaum besonders erbaut sein.


Inhalt: Nicht im Geleise. Roman von Ida Boy-Ed (Fortsetzung). S. 469. – Gottfried Keller. Von Rudolf v. Gottschall. S. 474. Mit Porträt S. 469. – Die Wacht an der See im Frühling 1889. Ein Ueberblick von Gerhard Walter (Schluß). S. 475. Mit Abbildungen S. 476, 477 und 478. – Der Vierfingrige. Eine Erzählung von Eduard Engel (Schluß). S. 478. – Blätter und Blüthen: Eine Hirschjagd im Dachauer Moos. S. 484. Mit Abbildung S. 472 und 473. – Fahrende Leute. Von O. Justinus. S. 484. Mit Illustration S. 481. – Kleiner Briefkasten. S. 484.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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