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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

26 gepanzerte Schiffe, von denen das älteste, der „Arminius“, allerdings nur noch als Eisbrecher Dienst thut.

Aber diese Rüstung wurde dem mächtig erstarkenden Reich zu eng. In der Marinedenkschrift, welche zur Etatsberathung 1889/90 dem Reichstag vorgelegt wurde, heißt es zum Schluß:

„Um der deutschen Marine denjenigen Platz unter den Seemächten zu geben, welcher den politischen, militärischen und überseeischen Interessen des Deutschen Reiches entspricht, und um ein Bündniß mit Deutschland auch in maritimer Beziehung zu einem erwünschten und gesuchten zu machen, erscheinen folgende Neubauten unabweisbar:

4 Panzerschiffe neuester Bauart, jedes zu 9 300 000 Mark, ohne Artillerie- und Torpedobewaffnung,

9 Panzerfahrzeuge für die Küstenvertheidigung, jedes zu 3 500 000 Mark,

7 Kreuzerkorvetten oder ‚geschützte Kreuzer‘, jede zu 5 500 000 Mark,

4 ungeschützte Kreuzer, jeder zu 1 600 000 Mark,

2 Avisos (für den Nachrichtendienst), jeder zu 1 000 000 Mark,

2 Torpedodivisionsboote, jedes zu 600 000 Mark. – Zusammen 116 800 000 Mark.

Diese Bauten wären zu vollenden je nach ihrer Dringlichkeit, so daß in den Staatshaushalt für 1894/95 die letzten 4 700 000 Mark einzustellen wären.“ – Und so ward es vom Reichstag beschlossen. Deutschland geht vorwärts und der Kaiser sorgt für seine heißgeliebte Marine. Ehe das Jahrhundert zur Rüste geht, sind der Nordostseekanal und dieser mächtige Zuwachs unserer Marine vollendet und ausgebaut!

Decksbatterie und Wanten.

Es war ein schöner, stolzer Anblick, als im vorigen Jahre vor der Kaiserjacht „Hohenzollern“ am 14. Juli das ganze Manövergeschwader in Kiellinie vorüberzog, vor dem kaiserlichen Herrn die Flaggen senkend; einzigartig war es, als dann die „Hohenzollern“ sich in Bewegung setzte, um die Führung zu übernehmen, und plötzlich gleich schwarzen, sprühenden Walfischen in schnaubender Fahrt von fünf deutschen Meilen in der Stunde die Torpedoboote beider Divisionen hervorschossen, auf das Schiff zu, das den Kaiser und sein Glück trug, ihm das Geleit gebend bis dort, wo der Leuchtthurm ragt, dann in fliegender Fahrt mit prächtigem Manöver einschwenkend und die „Hohenzollern“ umfassend. – Das alles ist auf deutschen Werften gebaut! Und zu uns kommen jetzt die Fremden und bestellen bei uns! Darauf dürfen wir schon ein wenig stolz sein!

Der Torpedo – er trägt seinen Namen von dem elektrische Schläge austheilenden Zitteraal, lateinisch torpedo genannt – ist die empfindlichste, feinste und verderblichste Waffe der Neuzeit. Da liegt ein Schiff zu Anker bei Nacht oder wendet im Pulverdampf des Gefechts; eine auserlesene Bemannung an Bord, lauter „gepanzerte Herzen“, jeder bereit, zehn Tode für sein Vaterland zu sterben: da schleicht sich’s heran, zu zweien und zweien, schwarz wie der Tod und die Nacht, kaum aus dem Wasser ragend, behende und schlank, ohne Licht zu zeigen in schauriger, eiliger Fahrt; nun sind sie nahe genug – von 400 Metern an kann mit einiger Sicherheit geschossen werden, je näher, desto sicherer; der Schuß ist abgegeben, lautlos gleitet der Torpedo in die See – schnell wenden die Boote und tauchen zurück in Nacht, aber unter dem Wasser eilt das Verderben dahin, die lange, sich selbst steuernde Bronzecigarre von 31/2 Metern Länge – nun stößt der mit Sprengstoff, nasser Schießbaumwolle, geladene Kopf unter der Wasserlinie gegen den Panzer des Feindes – eine Wassergarbe steigt auf – und tödlich getroffen neigt sich das stolzeste Schiff zur Seite. Durch das gesprengte Loch strömen gurgelnd die Wasser ein – was helfen dir nun deine gepanzerten Herzen?

Auf Schutzvorrichtungen gegen die Torpedos, z. B. eiserne Netze, hat man wohl auch Bedacht genommen, aber das alles gehört wie vieles andere ins Gebiet der Theorie, welche erst der nächste Seekrieg durch die Praxis bestätigen, ändern oder umstoßen kann. Deutschland besitzt zur Zeit über 70 solcher Torpedoboote, die etwa 70 Fuß lang und ganz aus Eisen gebaut sind.

Eine andere Art der Sprengwaffen sind die Seeminen, große, etwa birnenförmige eiserne Behälter, die in das Fahrwasser gelegt werden, um das dagegen rennende Schiff zu zerstören. Sie werden gleichwie die Küstenbefestigungen, Forts und Panzerthürme mit ihren schweren Riesengeschützen zum Schutz der Hafeneinfahrten und Flußmündungen von der Matrosenartillerie bedient. – Als Vertheidigungstruppe für diese Befestigungen und als Landungstruppe dienen die beiden Seebataillone, von denen das eine in Kiel, das andere in Wilhelmshaven liegt.

So wird mit Fleiß im Frieden der Krieg geübt. Wenn er einmal kommt und wir uns unserer Haut wehren müssen, wird in ihm viel gelernt werden; aber er wird auch viel edles Blut kosten. Doch fließt es nicht umsonst, wie auch all die unendliche, peinliche, gewissenhafte Treue und Arbeit nicht umsonst gewesen ist, mit der die deutsche Marine vor allen andern an ihrer Aufgabe bis zur Stunde gearbeitet hat: rastlos, rücksichtslos, unermüdlich, ohne einen Gedanken der Arbeitenden draußen und daheim an ihre eigene Bequemlichkeit. Alle Gedanken gehen auf in dem einen: „Dienst!“ Und ob’s süß oder sauer fällt, einerlei – Dienst ist Ehre! – So hält unsere Marine die Wacht an der See:

„Lieb Vaterland, magst ruhig sein!“




Der Vierfingrige.

Eine Erzählung von Eduard Engel.
(Schluß.)


Mir schwebten alle nur erdenklichen Todesarten vor. Ans Erwürgtwerden hatte ich bis dahin nicht gedacht, aber mit jeder Minute mehr dachte ich an mehr. Ich dachte an jede Möglichkeit. Erwürgen war für ihn doch wohl das Sicherste. Eine Kugel hinterläßt Spuren; auf der ersten besten Station konnte man sie bemerken. Ein Schuß mußte auch im Nachbarcoupé von den Engländerinnen gehört und auf der nächsten Station gemeldet werden. Mir wurde die Kehle trocken, so trocken, daß ich um ein Haar gehustet hätte.

Aber er saß noch still. Noch spürte ich nicht seine entsetzlichen Finger um meinen Hals. Er saß und lauschte auf die sich immer noch steigernde Geschwindigkeit des Zuges. – Und jetzt wußte ich auch, was es mit dem Verbergen der Packete für eine Bewandtniß hatte. So dumm zu sein, das nicht gleich zu wissen! Vor der belgischen Zollgrenze leert er seinen Koffer von dem Raube, von allem Verdächtigen, läßt alles unter dem Sitz, bis wir die deutsche Grenze passirt haben, stopft dann den Raub wieder in den Koffer und ist geborgen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 478. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_478.jpg&oldid=- (Version vom 1.1.2023)