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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Das Panzerschiff „Kaiser“.

Die „Olga“ strandete in Sand und Schlamm, ward wieder abgebracht und konnte über See fahren, aber „Adler“ und „Eber“ fliegen nicht mehr über die See und kämpfen nicht mehr auf blauem Wasser. Doch den Todten hat ihr Kaiser die Leichenrede gehalten. „Nicht ertrunken sind unsere Kameraden in Samoa, sondern gefallen, ihre Pflicht bis zum letzten Augenblick erfüllend!“ Als Ersatz für die „Olga“ ist im April die Kreuzerkorvette „Alexandrine“ nach Samoa hinausgegangen, und vorher noch, gleich nach Eintreffen der Unglücksnachricht, war die „Sophie“ vom Sansibar-Geschwader abgesondert und nach dem so plötzlich schutzlos gewordenen Inselreich abgesandt worden. – Der Wechsel kommt schnell im Leben des Seemanns!

Auf der ostasiatischen Station mag der „Sperber“ im Hafen von Yokohama zu Anker gehen im Herbst, umringt von japanischen Zampans, und der „Iltis“ liegt wohl im Winter in Tientsin eisumklammert am Bollwerk.

Die weiße „Hyäne“ liegt in der Ruhe des Sonntagnachmittags still da in der Mündung des Kamerunflusses; kein Hauch kühlt die Hitze des Nachmittags und rührt die Wipfel der Kokospalmen; sie hat das Sonnensegel ausgeholt, und in seinem Schatten liegen die Schläfer an Deck, weiß vom Fuß bis zum Kopf, bis die Stunde des Urlaubs da ist; vier helle Schläge der Glocke – und es kommt Leben ins Schiff; – der Kutter setzt ab – aber nach sechs Uhr darf niemand an Land sein; nach Sonnenuntergang geht dort das Fieber um. – Nicht ganz so warm wird’s den Leuten sein auf dem „Greif“, dem schnellen, neuen Schiff, das zum Schutz unserer Hochseefischer in der Nordsee kreuzt und den englischen Fischern auf die Finger sehen soll: „Hübsch artig – und nicht zu dicht ’ran!“

Es ist eine kleine Welt für sich, solch ein reisiges Schiff, ob groß oder klein; und wenn’s – wovor Gott es behüten wolle! – an fremder, unwirthlicher Küste stranden sollte, aber alle Leute und alles Material retten könnte, dann dürfte es wohl möglich sein, aus dem Vorhandenen eine kleine Kulturheimath zu bauen und auszustatten. Aber keine Welt wär’s, auf der der alte, unerfüllbare Traum in Erfüllung ginge von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. So verschiedenartige und so eng an einander gedrängte Elemente zusammen zu halten, bedarf es eiserner Zucht und streng hochgehaltener Rangunterschiede.

Achtern in seiner Kajüte wohnt, über dem Ganzen gleichsam schwebend, nur im Nothfall selbst eingreifend, als das Geschick und die Vorsehung des Schiffs, als der alles Vermögende, alle Gewalt in seiner Hand Zusammenfassende, niemand an Bord Verantwortliche –: der Kommandant. Sein Organ, ihm verantwortlich für den ganzen Zustand und die Einrichtung des Schiffes, für die Ausbildung der Mannschaft, für die Ausführung jedes gegebenen Befehls, ist der Erste Offizier, der bei: „Alle Mann!“ selbst kommandirt, dessen Stellung vergleichbar ist mit der des vielgeplagten Kompagniechefs in der Landarmee, nur daß sie auf größeren Schiffen unendlich viel verantwortlicher, mühsamer und rastloser ist.

Für die nautische Führung des Schiffes ist der Navigationsoffizier bestellt, der die Länge und Breite berechnet und dem Kommandanten das tägliche „Besteck“ überreicht. Sein Gebiet sind die Seekarten, seine Furcht die Korallenriffe und Sandbänke, die Abtrift durch Sturm und Strömung; rennt das Schiff auf in einer schwierigen Flußmündung, setzt es sich auf den Fels bei der Hafeneinfahrt: ihn trifft die ganze Wucht der Verantwortlichkeit.

Der Batterieoffizier hat die Wehrhaftigkeit des Schiffes in seiner Hand. Er exerziert die Mannschaft am Geschütz; er läßt den Salut feuern im fremden Hafen, wenn am Großmast die Flagge des Landes aufgeht, an dessen Küste das Schiff ankert; und auf sein Kommando zischen heulend die Hartgußgranaten gegen den Panzer des Feindes, bis das gellende Hornsignal etwa schmettert: „Batterie halt; klar zum Entern!“ – oder: „Entern abschlagen!“

Der wachhabende Offizier – vom Unterlieutenant bis zum Kapitänlieutenant (Hauptmann) hinauf, je nach der Größe und Bedeutung des Schiffes – ist, so lange er im Dienst ist, verantwortlich für die Sicherheit des Schiffes. Es ist ein hartes Werk, je vier Stunden lang ohne Ablösung auf der Kommandobrücke auf und ab zu gehen, ohne Unterlaß in gespanntester Aufmerksamkeit mit dem Blick die Segel und die ganze Takelage, die Leute an Deck, die See draußen und den Himmel droben zu umspannen; alles zu bemerken, nichts, auch das Kleinste nicht außer Acht zu lassen, sofort, wo’s noth thut, mit dem richtigen Befehl einzugreifen; zumal bei stürmender See und in rabenfinsterer Nacht, wenn die vom Blick in die Dunkelheit schmerzenden Augen vom Regen geblendet sind, oder im Nebel, der wie ein Leichentuch überall herniederhängt; oder wenn der Schneesturm über den Atlantik herfaucht, den Heimkehrenden entgegen. Von Mitternacht bis vier Uhr morgens, das ist die böse „Hundewache“, auf der wohl mancher in strahlender Schöne die Sonne hat aus dem Meer tauchen sehen, aber auch mancher in Sehnsucht des Friedens der Heimath gedacht hat.

Diesen Offizieren allen stehen Hilfskräfte zur Seite, jüngere Offiziere, Deckoffiziere und Unteroffiziere. Die Deckoffiziere haben etwa die Stellung wie die Feldwebellieutenants in der Armee; die Obermaate – Obersteuermannsmaat für die Navigation, Oberfeuerwerksmaat für die Artillerie etc. – entsprechen den Sergeanten, die Maate den Unteroffizieren. Bei der Mannschaft ist der Obermatrose dem Gefreiten des Landheeres gleich, erkennbar an dem

Das Panzerschiff „Bayern“.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 476. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_476.jpg&oldid=- (Version vom 1.1.2023)