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verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Marbod wich einen Schritt zurück und sah in Alfreds Gesicht, auf dem in diesem Augenblick nur wohlwollende Antheilnahme stand.

„Bist Du von Sinnen?“ fragte er erzitternd, „Du sprichst von Deinem Weibe!“

„Von meinem Weibe?“ wiederholte Alfred mit einem wehmüthigen Lächeln, „ach nein; Germaine ist nicht mein Weib.“

„Ich weiß es,“ rief Marbod, „daß sie in jenem höchsten, letzten Sinne nicht die Deine ist, daß Ihr wie Geschwister neben einander lebt und so auch nur Euch zugethan seid. Aber doch ist sie Dein Weib und eines Tages könntest Du sie lieben lernen.“

„Niemals,“ sagte Alfred. „Jener gesetzliche Akt, der Germaine das Recht gab, den Namen von Haumond zu führen – denke, er sei nur eine Form gewesen, mittels welcher ich Germaine ermöglichen wollte, in meinem Schutze, in meiner Versorgung zu leben.“

„Das weiß ich, das fühlte ich längst,“ sprach der gefolterte Mann, „und dennoch, und obschon Ihr auch den Segen der Kirche verschmäht habt, dennoch muß Euer Bund mir heilig sein. Trägt sie nicht Deinen Namen? Und Du selbst, Du selbst sagst Dinge, die klingen, als wolltest Du mein Liebeswerben begünstigen!“

Alfred ging einige Male im Zimmer hin und her. Plötzlich blieb er vor Marbod stehen, der ihn mit bangen Augen verfolgt hatte.

„Nun denn! Eine Frage auf Ehrenwort! Denke nicht, daß hier ein Weib zu schonen ist! Denke, daß von Deiner Antwort Dein und ihr Lebensglück abhängt! Liebt Germaine Dich wieder und hast Du davon Beweise?“

„Ja!“ antwortete Marbod erblassend, „sie liebt mich, obschon ich keine andern Beweise habe, als ihre unbewachten Blicke.“

„Wenn Germaine ihre Blicke nicht mehr bewacht, so ist das mehr Beweis als die glühendsten Liebesworte von hundert Frauen. Sie liebt Dich! O, Ihr seid beide die Naturen, ein dauerndes Glück mit einander zu finden. Ihr – ja!“ sagte Alfred, von einer peinigenden Erinnerung erfaßt.

„Was sinnst Du?“ rief Marbod, „eine Scheidung?! Nein! Nicht vor der Welt, noch weniger aber vor mir selbst will ich das auf mich laden, dem geliebtesten Freund den Frieden zu nehmen. Denn wenn ihre Nähe Dir auch kein Glück gab, Frieden gab sie Dir.“

„Ehrlicher Mensch!“ sprach Alfred, seine Hand auf Marbods Schulter legend, „die Wohlthat ihrer sorgsamen Gegenwart brauche ich ja nicht zu entbehren. Höre denn die Wahrheit: Germaine ist eine Tochter meines Vaters. Wir entdeckten dies einige Stunden nach der standesamtlichen Verbindung, die wir – begreifst Du es nun? – in irgend einer unauffälligen Form wieder lösen lassen müssen. Daß wir mit dieser Lösung einige Wochen zögerten, begreifst Du wohl ohne weiteres? Lieber wollen wir, Germaine und ich, das Aufsehen einer Scheidung ertragen, als das Andenken theurer Menschen verschattet sehen.“

Marbod war beinahe fassungslos. Er umarmte den Freund und blieb lange still an seiner Brust.

„Gewiß,“ sagte Alfred leise, „Ihr werdet sehr glücklich sein. Ich mit Euch. Wem es nicht beschieden ist, selbst glücklich zu werden, soll zufrieden sein, wenn er die Liebsten im Glück sieht.“

„Und Du?“ rief Marbod ergriffen, „ist denn für Dich jede Hoffnung ausgeschlossen? Ist es Dir nicht wie ein Schicksalswink, daß aus Deiner geplanten Ehe, die Dich von ihr trennen sollte, nichts wurde?“

„Das alles sagte Germaine mir auch. Aber ich will Dir etwas gestehen.“

(Fortsetzung folgt.)




Das Museum für deutsche Volkstrachten und Erzeugnisse des Hausgewerbes in Berlin.

Von Rudolf Virchow.

Die Ankündigung, daß eine Anzahl von Männern zusammengetreten ist, um ein Museum für deutsche Volkstrachten und Erzeugnisse des Hausgewerbes in der Reichshauptstadt in Angriff zu nehmen, hat in weiten Kreisen so viel Theilnahme erregt, daß schon jetzt die Verwirklichung dieses Gedankens als gesichert bezeichnet werden darf. Freilich wird dieselbe zunächst nur in sehr beschränktem Umfange geschehen können, da weder Mittel, noch Raum in genügender Fülle vorhanden sind, um sofort eine umfassende Anstalt herstellen zu können. Aber die Unternehmer glauben ihre nächste Aufgabe auch gelöst zu haben, wenn sie an einer Reihe von Beispielen ihren Plan auschaulich dargelegt haben werden; sie geben sich der zuversichtlichen Hoffnung hin, daß diese Beispiele die Nützlichkeit, ja die Nothwendigkeit eines derartigen Museums ihren Mitbürgern darthun werden, und daß die Regierung, wie sie es gegenüber dem Kunstgewerbe-Museum gethan hat, auch das Trachten-Museum fördern und später in staatliche Verwaltung übernehmen werde.

Schon jetzt hat der Preußische Kultusminister, Herr v. Goßler, mit dem großen Wohlwollen, welches er allen ernsten wissenschaftlichen Bestrebungen entgegen trägt, dem Trachten-Museum freistehende Räume in der alten Gewerbeakademie, dem gegenwärtigen hygieinischen Institut, in der Klosterstraße zur vorläufigen Benutzung überwiesen. Gleich die ersten Erwerbungen, welche auf der Halbinsel Mönkgut in Rügen gemacht waren, hatten ihm die Ueberzeugung verschafft, daß auf dem betretenen Wege lohnende Ergebnisse erzielt werden könnten. Aber es liegt auf der Hand, daß die Erwerbungen selbst leichter durch Privatpersonen gemacht werden können, welche in unmittelbaren Verkehr mit den Bewohnern der einzelnen Gegenden treten, als durch Staatsbeamte, welche durch zahllose Rücksichten und Ansprüche behindert sein würden. So ist denn für die nächste Zeit der Weg ziemlich klar vorgezeichnet, der verfolgt werden muß, und es wird sich vorzugsweise darum handeln, daß in der Bevölkerung selbst ein gleiches Wohlwollen für das Unternehmen geweckt und die Theilnahme von Gönnern für die praktische Unterstützung des Komitees gewonnen werde. Dieses anzubahnen, ist auch der Zweck dieser Zeilen.

Die Entwickelung der älteren Museen ist begreiflicherweise vorzüglich den bildenden Künsten zugewendet gewesen. Selbst die Architektur wurde gegenüber der Bildhauerei und der Malerei stark in den Hintergrund gedrängt.

Sehr langsam und spät erst ist das Kunstgewerbe aus seiner Vergessenheit erweckt worden. Diese höchsten Leistungen menschlicher Kunstthätigkeit wirken, indem sie die Bewunderung des Beschauers erregen, nicht bloß erhebend und erweckend auf den Geist, sondern sie reizen zur Nachfolge und geben ganzen Geschlechtern die Richtung für die eigene Thätigkeit. So werden sie zu Maßstäben für die Kultur überhaupt.

Aber die Kultur ist nie und nirgend auf einmal entstanden. Viele Geschlechter mußten ihre beste Kraft aufwenden, um in langsamer Arbeit die Kunstübung zu finden und heimisch zu machen. Eine Art von erblicher Uebertragung sicherte auch hier die Dauerhaftigkeit des Fortschritts und selbst in Fällen langer Unterbrechung die Wiederaufnahme der einmal gewonnenen Ziele und Methoden. Nicht allein der eigentliche Forscher, der Kunstgelehrte wendet daher seine Aufmerksamkeit der Kunstgeschichte zu, sondern auch der einfache Mann aus dem Volke kommt auf die Frage, wer so Großes erfunden haben möge und wie sich im Laufe der Zeiten immer höhere Stufen der Kunstfertigkeit und des Kunstverständnisses erklimmen ließen.

Zwei Umstände sind es vorzugsweise gewesen, welche diese Fragen vertieft und weit über das Gebiet der eigentlichen Kunst hinaus erweitert haben. Einerseits die zunehmende Kenntniß von den Leistungen der Naturvölker. Sie beginnt mit den großen Entdeckungen des 15. und 16. Jahrhunderts, aber sie hat doch eigentlich erst mit den wissenschaftlichen Reisen des vorigen Jahrhunderts, insbesondere seit den Fahrten Cooks und den Forschungen Alexander v. Humboldts, jene befruchtende Einwirkung auf die allgemeine Anschauung gewonnen, welche heutzutage vor aller Augen liegt. Wer wüßte es nicht, daß der Gang der menschlichen Kultur von ihren rohesten Anfängen an bis zu oft staunenswerther Höhe noch bei den heutigen Naturvölkern wie in einem aufgeschlagenen Buche übersichtlich zu Tage tritt, und daß ebensowohl

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verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1889, Seite 435. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_435.jpg&oldid=- (Version vom 6.1.2021)