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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Die Bevölkerung dieses Hauptklosters, das jetzt zu einer vollständigen Stadt herangewachsen ist, schätzte Heinrich Duveyrier 1880 auf etwa 4000 Seelen, während 1874 nur einige Rechtsgelehrte, Studenten und Sklaven vorhanden waren. Aber schon 1876 sollen Waffenfabriken errichtet worden sein, und Sidi Mohammed el Mahdi kaufte in Alexandrien 15 Kanonen und eine große Anzahl von Flinten nebst Munition. Auch wurden Pferde gekauft und eine Reiterei herangebildet. Man konnte also doch nicht umhin mit den Christen in Handelsbeziehungen zu treten.

Im Jahre 1881 hielt Sidi Mohammed el Mahdi großen Hof in Djarabub, umgeben von etwa 2000 Soldaten und vielen Algerinern, unter denen wir den Bu-Schandura nennen, welcher 1861 den Aufstand in Djelfa in Algerien angezettelt hatte.

Die Verwaltung dieser Hauptsauya ist vollkommen staatlich zugeschnitten. Die Verwalter führen den Titel „Uisir“, also Minister. 1876 war erster Minister Sidi Ali Ben Abb el Mula von Sfax, zweiter Minister war Sidi Amran von Sliten, der Direktor der theologischen Studien war Sidi Mohammed Scherif, Bruder Sidi Mohammed el Mahdis, der Imam in der großen Moschee endlich war Sidi Mohammed Seruali von Fes.

Der Orden hat nach Duveyrier 17 Klöster in Aegypten, in Europa eins, nämlich in Konstantinopel, in der asiatischen Türkei je eines in Mekka und Medina und zwölf andere Klöster; in Tripolitanien und Cyrenaïka 86, so daß man sagen kann, die Cyrenaïka ist ganz für die Snussi gewonnen. Ebenso ist das Gebiet der Tebu ganz den Snussi zugethan. Die Herrscher von Uadaï waren immer Anhänger der Lehre. Sultan Ali sowohl wie sein Nachfolger und Bruder Yussuf haben sich als eifrige Snussisten gezeigt. Und erst kürzlich kam mir über Bengasi die Nachricht von einem Bündniß zu, das die Snussi mit dem Sultan von Uadaï abgeschlossen hätten. Ebenso giebt es jetzt Sauyas in Tunesien und Marokko, in der ganzen Wüste, bis zum Senegal hin, hat er seine Anhänger.

Als ich im Jahre 1879 in Kufra weilte, kamen mehrere Pilger aus dem französischen Senegal, deren Ziel nicht etwa Mekka, sondern Djarabub war. Eine solche weite Reise, die sie für verdienstvoller zu halten scheinen als eine Reise nach Mekka, erhob sie in den Augen der Bewohner, deren Länder sie durchzogen, zu verdienstvollen und heiligen Männern.

Der tiefe Einfluß des Snussi Sidi Mohammed el Mahdi erstreckt sich also über den ganzen Norden von Afrika, und vorzugsweise über den Nordosten. Daß Mohammed el Mahdi wohl imstande ist, Krieg zu führen, namentlich mit schlechtbewaffneten Truppen darf man dreist behaupten. Wenn sich nun auch nicht die Nachricht von der Einnahme Chartums seitens der Snussi zu bewahrheiten scheint, so bleibt es doch immer zweifelhaft, wer den Sieg über die Abessinier errungen hat. Waren es die ehemals aufrührerisch gegen Aegypten stehenden Rebellen, oder war es Sidi Mohammed el Mahdi? Das Telegramm soll vom Mahdi gezeichnet gewesen sein, das ließe vermuthen, daß die Snussi es gewesen sind. Andererseits soll das Telegramm aber auch von einem anmaßenden Brief an den Chedive, sowie an die Königin Viktoria reden, und letzterer Umstand, wenn wahr, spräche dafür, daß der alte Rebellenchef der Absender wäre. Oder nennt sich der Sohn auch Mahdi?

Daß Sidi Mohammed el Mahdi ben Snussi keinen beleidigenden Brief an den Chedive schreiben wird, glaube ich annehmen zu dürfen, denn er wohnt ja schließlich auf ägyptischem Gebiet, und wenn er auch befreit ist von allen Abgaben, so halte ich ihn doch für viel zu klug, als daß er sich ohne weiteres mit der ägyptischen Regierung entzweien sollte.

Die Stellung der Snussi ist in Nordafrika augenblicklich derart zugeschnitten, daß sie in erster Linie Frankreich Schwierigkeiten zu bereiten versuchen. Duveyrier geht sogar soweit, sie für alle Aufstände und für alle Morde, die an französischen Reisenden begangen worden sind, verantwortlich zu machen. Ja, nicht nur die Morde der französischen Reisenden schiebt er ihnen in die Schuhe, sondern auch Vogel, v. Beurmann, die Tinne und von der Decken sollen auf ihre Aufreizungen hin getödtet worden sein.

Ich glaube, daß dies übertrieben ist. Die Snussi streben wohl nach der Weltherrschaft, ich habe aber mehrere Male direkte Beweise ihres Wohlwollens erhalten.

Den größten Beweis ihrer Macht aber sollte ich in Kufra erhalten. Dort herrschen die Snussi in der That als unumschränkte Herren.

Ich wurde in Kufra mit meiner Expedition überfallen, meine sämmtliche Habe mir geraubt. Da änderte sich einige Tage später plötzlich meine Lage – wir hatten nur unser nacktes Leben gerettet –, als ein direkt von Djarabub geschickter Abgesandter eintraf: Sidi el Hussein. Nicht nur überbrachte er mir Grüße von Sidi Mohammed el Mahdi, sondern er betonte auch, daß er ausdrücklich hergeschickt worden sei, uns beizustehen und Gastfreundschaft zu erweisen. Wären die Befehle von Djarabub nur einige Tage früher eingetroffen, ich wäre nicht überfallen und ausgeplündert worden, sondern hätte meine Unternehmung mit Erfolg zu Ende führen können. Und wenn die Snussi früher durch ihre feindselige Haltung die Ursache der Katastrophe gewesen waren – wie hatte ich zu leiden gehabt durch die fanatischen Hetzereien ihrer Unterbeamten! – so gebietet die Gerechtigkeit, zu sagen, daß sie von dem Augenblick an, als der Befehl von Djarabub gekommen war, gut für uns zu sorgen, es in der That an nichts fehlen ließen. Ja ich glaube nicht zu viel zu behaupten, wenn ich sage, daß wir Kufra ohne die Snussi wohl nicht lebendig verlassen haben würden.

Wir ersehen aus Vorstehendem, daß es mit dem Fanatismus Sidi Mohammed el Mahdis, des Snussi, nicht so schlimm steht. Es ist bei den Snussisten eine gewisse Sättigung eingetreten, die zur Ruhe mahnt. Nach einer Zeitdauer von kaum 50 Jahren hat dieser Orden eine Macht erlangt in der mohammedanischen Welt, die alles übersteigt, was je ein anderer Orden erlangt hat. Und wenn die Snussisten auch mit der Regierung, deren Ausbreitung sie am meisten fürchten in Nordafrika, wir meinen die französische, auf gespanntestem Fuße leben, so haben sich die Franzosen das ohne Zweifel selbst zuzuschreiben. Wenn es der französischen Regierung gelang, den Schich der Muley Thaïb in Marokko, Sidi el Hadj Abd es Ssalem, zu sich herüberzuziehen und ihn sich vollkommen dienstbar zu machen, so würde es meiner unmaßgeblichen Meinung nach auch nicht so schwierig sein, Sidi Mohammed el Mahdi zu gewinnen.

Augenblicklich fühlen sich aber die Snussi bedroht von den Derwischen, deren Führer sich den Titel eines Mahdi angemaßt und der große Siege über die Aegypter errungen hat. Sie bekämpfen ihn, und wenn es nicht so schwer wäre, einer mohammedanischen Regierung einen Rath zu ertheilen – in Konstantinopel sowohl wie in Kairo weist man jeden Rath, der sich auf die eigenen Angelegenheiten bezieht, namentlich wenn es sich um religiöse Dinge handelt, schroff zurück – würden wir der Regierung von Aegypten den Rath ertheilen, die Derwische nur durch die Snussi zu bekämpfen und diese aufs kräftigste zu unterstützen.




Blätter und Blüthen.

Herzog Christoph von Württemberg. (Zu dem Bilde S. 425.) Dem Leser sind vielleicht in freundlicher Erinnerung geblieben die Bilder aus Stuttgart, welche die „Gartenlaube“ im Jahre 1887 gebracht hat. Eines derselben zeigte die hochragende Jubiläumssäule mit der ehernen Concordia, eine Erinnerung an das fünfundzwanzigjährige Regierungsjubiläum des Königs Wilhelm im Jahre 1841. Der prachtvolle Schloßplatz, dessen Mittelpunkt die Säule bildet, erhält in diesen Tagen – und zwar abermals im Zusammenhange mit einem fünfundzwanzigjährigen Regierungsjubiläum, demjenigen, welches König Wilhelms Nachfolger, Karl I., feierlich zu begehen sich anschickt – einen neuen künstlerischen Schmuck von hervorragender Bedeutung, ein Denkmal des Herzogs Christoph.

Es ist nicht ohne tieferen Sinn, wenn König Karl im Jubeljahre seiner Regierung gerade diesen unter seinen Vorfahren durch die Errichtung eines Standbildes in der Hauptstadt des Landes ehrt. Die Regierungszeit des Herzogs Christoph, 1550 bis 1568, ist die erste für die Gesetzgebung des Landes bedeutsame Periode in der Geschichte Württembergs. Aus kleinen Anfängen heraus hatten sich die Grafen, dann Herzöge von Württemberg durch klugen Haushalt, politischen Verstand, Ansehen beim kaiserlichen Hofe, theilweise auch durch Heirath und kriegerische Eroberung nach und nach zu Herren eines stattlichen Gebietes gemacht, und insbesondere waren unter Herzog Christophs Vorgänger, dem aus Wilhelm Hauffs „Lichtenstein“ bekannten Herzog Ulrich, umfangreiche Neuerwerbungen erfolgt. Es galt nun, diese mannigfaltigen Theile zu einem einheitlichen Ganzen zusammenzuschmelzen, aus den vielen Besitzungen einen Staat zu gestalten.

Diese Aufgabe hat Herzog Christoph mit großer Weisheit und staatsmännischer Kunst durchgeführt; die Formen, welche er der politischen und kirchlichen Verfassung des Herzogthums gegeben hat, haben sich im wesentlichen bis in den Beginn des 19. Jahrhunderts erhalten. Er ist der Schöpfer eines einheitlichen Landrechts, er zuerst sorgte für gleiches

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 427. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_427.jpg&oldid=- (Version vom 7.12.2022)