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verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Hildebrandt sammelte und die später im botanischen Garten in Berlin ausgesät wurden, keimten etwa dreißig Stück. Ein keimendes Exemplar kaufte 1881 der botanische Garten in Breslau, und hier hat es sich inzwischen zu einer stattlichen Pflanze entwickelt, welche zwar noch keine Vorstellung von den riesigen Maßen erwachsener Stämme giebt, aber dafür uns Anhaltspunkte für die sehr charakteristische Blattform geboten hat. Der ganze Farbenton der prächtig gedeihenden Palme ist blaugrün, und die fußlangen und mehr als daumendicken Blattstiele zeigen schon die Anfänge der weißen Streifung, welche Hildebrandts gärtnerischem Sinn sofort auffiel. Zahlreiche weiße Fäden hängen auch schon von den Blättern unseres Pfleglings herab, und wir hoffen, ihn sich kräftig weiter entwickeln zu sehen.

Unser Bild zeigt außer der ragenden Bismarckia nobilis in mächtiger Baumform (Nr. 2) im Vordergrunde das Bild unserer jungen Bismarckia (Nr. 3), rechts (Nr. 4) einen tropischen Schraubenbaum (Pandanus) und links (Nr. 1) den breitblätterigen „Baum der Reisenden“ (Ravenala madagascariensis), welcher in seiner breiten Blattform an eine Banane erinnert. Seinen Namen verdankt er der Eigenthümlichkeit, daß in seinen breiten Blattscheiben sich Wasser ansammelt und erhält, welches den Reisenden zur Erquickung dienen „soll“. In Wahrheit wird es wohl nicht trinkbar sein, und so gehört wieder eine Tugend mehr in das Reich der Legenden. Wenn einst nach langen Zeiträumen die Tradition das Gedächtniß an den Reichskanzler Fürst Bismarck mit den Ranken der Legende umflochten haben wird, wie sie sich heut um die Paladine des Großen Karl winden, dann wird in den ehernen Tafeln der Wissenschaft noch klar leuchten der Name „Bismarckia nobilis“. B. Stein.

Tullia. (Zu dem Bilde S. 344 u. 345.) Vieles, was ehemals „römische Geschichte“ hieß, ist in das Reich der Sage verwiesen worden. Ihr Schleier deckt das feindliche Brüderpaar Romulus und Remus, den weisen, halb göttlichen Numa Pompilius sammt der Nymphe Egeria. Aber mit historischer Deutlichkeit tritt schon aus dem Nebel der Dichtung das Bild des alten Tarquinius, an dessen Namen die ältesten römischen Bauten anknüpfen, sowie seines ebenso tüchtigen Schwiegersohnes und Nachfolgers Servius Tullius. Durch volksthümliche Einrichtungen zog sich dieser letztere den Haß der Geschlechter zu, sie sannen auf seinen Untergang und fanden den Vollstrecker der ruchlosen That in seiner eigenen Familie. Nach dem Bericht der alten Schriftsteller hatten die beiden Töchter des Servius Tullius die beiden Söhne des alten Tarquinius geheirathet. Lucius, der ältere, ein lasterhafter und unbändiger Mensch, hatte die sanfte und fromme ältere Schwester, Aruns, sein redlicher und treuer Bruder, die wilde und ruchlose Tullia zum Weibe. Diese konnte den Tod ihres alten Vaters nicht erwarten, und da sie ihren Mann nicht zur Ermordung des Königs bewegen konnte, wandte sie sich an Lucius Tarquinius und wurde rasch genug mit ihm einig. Sie vergifteten vorerst beide ihre Ehegenossen und zündeten an deren Scheiterhaufen ihre Hochzeitsfackeln an. Hierauf trat Lucius in die Verschwörung der unzufriedenen Edeln zum Sturze des Königs Servius Tullius ein. Er erschien plötzlich im Senat mit den Abzeichen königlicher Gewalt und umgeben von einem bewaffneten Anhang. Auf das Gerücht davon eilte der König in die Versammlung und nannte entrüstet den Tarquinius einen Verräther; dieser aber wandte sich um, ergriff den schwachen Greis und stürzte ihn die Treppe hinab. Blutend und schwerverwundet ward Servius von seinen Getreuen fortgetragen; ehe er aber sein Haus erreichte, ereilten ihn die nachgesandten Mörder und machten ihn vollends nieder. Der blutige Leichnam blieb dann auf der Straße liegen.

Tullia aber litt es nicht länger zu Hause; sie fuhr zum Forum, ihren Mann als König zu begrüßen. Ihm selbst war das Frohlocken des ruchlosen Weibes gräßlich, und er schickte sie heim. Als aber ihr Gespann durch die Mordgasse kam, scheuten die Pferde vor dem dahingestreckten Leichnam, der Knecht hielt die Zügel an. Tullia jedoch richtete sich hoch auf und gebot mit gellendem Ruf, über den Todten wegzufahren. Dies geschah, und das Blut des Vaters spritzte über ihr Gewand. Die Gasse aber, in der ein solcher Greuel geschah, hieß noch in späten Zeiten „die verruchte“.

Diesen schauerlichen Vorgang führt uns Hildebrands Bild in dramatischer Bewegung vor Augen. Hochauf bäumen, zurückgerissen von dem kräftigen Wagenlenker, die prächtigen Pferde vor der liegenden Greisengestalt, in wildem Zuruf streckt das Weib den Arm empor, und rings herum aus der Volksmenge und den Fenstern heben sich gegen sie andere Arme, wehklagend und verdammend. Selbst die Mutter, die ihr Söhnchen vor den daherstürmenden Pferden rettet, hat noch einen Blick des Abscheus für die Frevlerin, welche hier straflos triumphirt. Und nicht ohne tiefe Symbolik wendet sich wie anklagend nach ihr das Haupt der Wölfin, welche die Zwillinge säugt; aus dem Hintergrund der hohen düstern Straße aber glänzt bedeutungsvoll das Capitol, das Wahrzeichen der Herrschaft über Rom, später über die Welt, um dessentwillen noch vieles Blut fließen sollte!

Das mehrfach durch Preise ausgezeichnete reiche und farbenprächtige Gemälde bildete vergangenen Sommer einen der Hauptanziehungspunkte der Münchener Jubiläumskunstausstellung. Br.

Aus Scheffels Nachlaß. Für den volksthümlichen Sänger des „Trompeters von Säkkingen“ herrscht eine so rege Theilnahme, daß auch Bruchstücke, kleine Reste seiner dichterischen Thätigkeit, Sprüche und Gelegenheitsgedichte willkommen sind. Eine solche Sammlung ist jetzt erschienen: „Gedichte aus dem Nachlaß von Joseph Viktor v. Scheffel“ (Stuttgart, Adolf Bonz u. Comp.). Da finden sich humoristische Gedichte mit den bekannten, sich selbst verspottenden hochgelehrten Wendungen; der schottische und serbische Balladenton wird lustig parodirt; „Eine traurige Geschichte“ schildert uns die Liebe eines Herings zu einer Auster. Dann entrollen sich vor uns allerlei landschaftliche Bilder aus der Alpenwelt und den badischen Landen; es folgen stimmungsvolle Lieder, zum Theil schon aus dem von Emanuel Geibel herausgegebenen „Münchener Dichterbuch“ bekannt, so z. B. „Wiedersehen“, dessen erste Verse lauten:

„Ich hab’ die Jahre nicht gezählt,
Seit mich und dich der Sturm verschlug.
Ein Leben, dem das Liebste fehlt,
Zerfliegt wie flücht’ger Athemzug.“

Unter den Gelegenheitsgedichten finden sich Festlieder, Prologe, studentische Gedichte, Lieder an den Grafen von Schack, an Emanuel Geibel. Da steht auch ein recht burschikoses Alpenlied:

„Wenn du an Pult und Tische
Geschafft dich lahm und krumm –
Zum Teufel ging die Frische
Sammt dem Ingenium –
Dein Hirn wie zähes Leder,
Wie Schwarzblech hart dein Kopf –
Zerstampfe dann die Feder,
Reiß aus, du armer Tropf!

Raus aus dem Haus!
Raus aus der Stadt!
Raus aus dem Staat!
Nix als raus!“

Am Schluß stehen in langer Reihe Sprüche verschiedener Art aufmarschirt, Trinksprüche und Blumensprüche und Sentenzen der Lebensweisheit, wie die folgende kleine Auswahl beweisen mag:

„Stoßt an! Ein Hoch dem Deutschen Reich!
An Kühnheit reich, dem Adler gleich,
Mög’s täglich neu sich stärken …
Doch Gott behüt’s vor Klassenhaß
Und Rassenhaß und Massenhaß
Und derlei Teufelswerken!

Ernhaft streben,
Heiter leben,
Vieles schauen,
Wenigen trauen –
Deutsch im Herzen,
Tapfer und still,
Dann mag kommen,
Was da will.

Dein Leib verwest, dein Haus zerfällt,
Staub wird einst alle Erdenwelt;
Doch niemals stirbt, was Menschenkraft
Im Geist und in der Wahrheit schafft.“


Inhalt: Nicht im Geleise. Roman von Ida Boy-Ed (Fortsetzung). S. 341. – Schillers Antrittsrede als Professor in Jena. S. 347. – Die Goldgräber der Rauris. Von J. Freytag. S. 349. Mit Abbildungen S. 349 und 350. – Seine Mutter. Von A. Merck (Schluß). S. 351. – Ein Herz und Eine Seele. Gedicht von J. G. Fischer. S. 352. – Zur Wahl der Sommerfrischen. Von Prof. Dr. E. Heinrich Kisch. S. 352. – Junge Liebe. Illustration. S. 353. – Blätter und Blüthen: Eine Fürstin unter den Palmen. Von B. Stein. 355. Mit Illustration S. 341. – Tullia. S. 356. Mit Illustration S. 344 und 345. – Aus Scheffels Nachlaß. S. 356.


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Inhalt: Bd. 1. „Das Geheimniß der alten Mamsell“. – Bd. 2. „Das Heideprinzeßchen“. – Bd. 3. „Reichsgräfin Gisela“. – Bd. 4. Im Schillingshof“. – Bd. 5. „Im Hause des Kommerzienrathes“. – Bd. 6. „Die Frau mit den Karfunkelsteinen“. – Bd. 7. Die zweite Frau“. – Bd. 8. „Goldelse“. – Bd. 9. „Das Eulenhaus“. – Bd. 10. „Thüringer Erzählungen“ (Inhalt: „Amtmanns Magd“, Die zwölf Apostel“, „Der Blaubart“, „Schulmeisters Marie“).

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Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1889, Seite 356. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_356.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)