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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

der britischen Waffen immer aufs neue überzeugen. Allein so gern und unumwunden ich die stattliche, martialische Erscheinung der Leibgarde anerkenne, kann ich mich beim Anblick dieser beiden Posten doch des Gedankens nicht erwehren, ob, dafern sie durch ihr Strammen und Strecken und Steifen und Spreizen sich plötzlich ein Leids anthäten, wohl gleich zwei andere Waffenbrüder bei der Hand wären, ihre Stelle auszufüllen? Denn nur gering ist die Zahlenstärke dieses den patriotischen Busen des Briten schwellenden Trupps.

Wesentlich verschieden von dem Bild, das Rotten Row an den Wochentagen bietet, ist dasjenige des Sonntags. Nicht nur Sonntagsreiter, sondern auch Sonntagsfahrer stehen auf dem Londoner Boden in üblem Ruf, theils aus religiösen Anschauungen, vornehmlich aber aus dem rein menschlichen Grundsatze, daß am Sonntag auch den Pferden und besonders auch dem Kutscher Ruhe zukommt. Sind das eigentliche Rotten Row und die Ladies’ Mile an diesem Tage daher verödet, so sind die angrenzenden Promenaden um so mehr überfüllt, und die langen Reihen von Holzstühlen, die hinter einander auf dem Rasen aufgestellt sind, erinnern an ein großes Theaterparkett, vor dem das promenirende Publikum vorbei defilirt, sich selbst und die eleganteste Toilette bewundern zu lassen. Kommen doch die Schönheiten der letzteren auf diese Weise noch besser zur Geltung, als wenn die Inhaberinnen derselben im Wagen eingezwängt säßen.

Eine verhältnißmäßig große Anzahl der sonntäglichen Rotten Rowbesucher sind Ausländer, die, der englischen Sonntagsstille müde, im Park heimathlicher Gewohnheiten pflegen. Selbst das Lustwandeln an einem so viel besuchten Orte würde in den Augen mancher Engländer als ein sabbathwidriges Unterfangen erscheinen. Die Prediger der Heilsarmee und anderer religiöser Genossenschaften fehlen daher auch nicht. Sie stehen etwas abseits auf den weiten Rasenflächen – bis unmittelbar an die Promenade dürfen sie nicht kommen! – und strengen ihre Lungen gewaltig an. Es bildet sich auch stets bald um den Priester ein kleiner Kreis von Zuhörern, theils Gläubigen, theils Spöttern, die zur Abwechslung dann und wann unter freiem Himmel eine Hymne anstimmen. Daneben spielt seit einigen Jahren auch eine Militärkapelle, eine Neuerung, die nicht nur den Parkpredigern, sondern auch vielen anderen Engländern als ein Werk des Satans erscheint, während sie doch, von einzelnen wohlhabenden Privatleuten ins Leben gerufen, den niederen Klassen Londons die so seltene Gelegenheit giebt, ganz erträgliche Musik umsonst zu hören.

Wer die niederen Elemente der Bevölkerung vermeiden wollte, promenirte früher am Sonntag nachmittag im Zoologischen Garten, zu dem an diesem Tage nur Aktionäre desselben Zutritt haben. Eine Aktie kann man sich schon für zwei Guineen erwerben, und viele bezahlten dieselben gern, nicht aus Interesse an der Thierwelt, sondern wegen des Zutritts zu der Promenade.

Seit einigen Jahren aber ist der „Zoo“ ganz und gar vernachlässigt, und Rotten Row, wohin jedermann unbehindert Zutritt hat, ist an Sonntagen wie an Wochentagen fast ausschließlich der Versammlungsort der vornehmen Welt geworden.




Blätter und Blüthen.

Die Sonne als Brandstifterin. In heißen Ländern soll der Wüstensand durch die Sonnenstrahlen derart erhitzt werden, daß man in ihm Eier kochen kann. Daran glauben die Menschen; ungläubig aber pflegen die meisten den Kopf zu schütteln, wenn man ihnen sagt, daß die Sonnenstrahlen die Ursache eines Brandes bilden können. Die Sonne als Brandstifterin zu brandmarken, das scheint vielen mindestens übertrieben, und dennoch ist jene Anschuldigung wahr.

Häufig sind solche Fälle glücklicherweise nicht, aber die Geschichte des Feuerlöschwesens verzeichnet eine ganze Reihe von Bränden, in welchen die Wärme der Sonnenstrahlen als Brandursache ermittelt wurde.

In Brookfield, Massachusetts, ließ ein Bauer eine Jacke mit Streichhölzchen in der Tasche auf einem Blocke hängen, die Sonne schien darauf, die Streichhölzer entzündeten sich und die Scheuer gerieth in Brand. Das ist ein einfacher Fall, an dessen Glaubwürdigkeit niemand zweifeln wird. In unsern technischen Betrieben haben wir aber eine ganze Reihe leicht entzündlicher Stoffe, deren Aufflammen durch die Sonnenwärme herbeigeführt werden kann. Wir unterschätzen in der Regel die wärmende Kraft des Tagesgestirns, obwohl wir uns jeden Sommer auf flachen Dächern aus Metallblech, Dachpappe oder dunkelfarbigem Schiefer von der Wirkung dieser Kraft überzeugen können. Es ist sogar in Fachkreisen der Vorschlag gemacht worden, derartige Dächer während der Mittagszeit mit feuchten Plantüchern zu bedecken.

Die Wissenschaft hat seit langer Zeit Mittel gefunden, die Wärme der Sonnenstrahlen zu sammeln und sie in Hitze zu verwandeln. Dies geschieht durch die Brennspiegel und Brenngläser. Im Alterthum soll Archimedes die römische Flotte mit solchen Brennspiegeln in Brand gesteckt haben; noch heute wird mit dem Brennglas bei physikalischem Unterricht Schießpulver entzündet, und im vorigen Jahrhundert war als wissenschaftliche Spielerei ein Brennglas in Gebrauch, mit dessen Hilfe alle Arten Holz in einem Augenblick entzündet wurden und Wasser in einem kleinen Gefäß beinahe augenblicklich zum Sieden gebracht werden konnte. In neuester Zeit versuchte man sogar, die Sonnenwärme zu industriellen Zwecken zu verwerthen, indem man die sogenannten Sonnenmaschinen baute, bei welchen die auf den Dampfkessel gesammelten Sonnenstrahlen das Wasser zum Sieden brachten und so eine Dampfmaschine in Gang setzten.

In unsern Häusern giebt es aber eine ganze Menge von Glasgeräthen, die vermöge ihrer Krümmungen wie Brenngläser wirken, und in der That gaben diese Geräthe öfters die Veranlassung zu Brandschäden. In dem vortrefflichen „Handbuch des Feuerlösch- und Rettungswesens“ von Branddirektor W. Döhring ist eine Reihe solcher Beobachtungen zusammengestellt.

Schon unsere Fensterscheiben können, wenn sie Blasen enthalten, als Brenngläser wirken, und darum besteht auch in Pulverfabriken die Vorschrift, daß die Glasscheiben an Fenster und Thür mit weißer Farbe überstrichen werden. Aber man braucht gar nicht erst in Pulvermühlen zu gehen, um ähnliche Fälle der Brandursachen festzustellen.

In einem Hause war eine Brille am Fenster hängen geblieben, auf dem Fußboden waren Betten zum Trocknen ausgebreitet; die Sonne schien hell und trocknete gut, aber die Brille übernahm die Rolle der Brenngläser und entzündete die Betten.

Als Brennglas kann auch der Oelbehälter einer Petroleumlampe wirken, und ein solcher Fall wurde im Jahre 1875 aus Plymouth gemeldet, wo die Sonnenstrahlen, die durch das Oelbassin einer Lampe gebrochen wurden, die darunter liegende Wachsleinwand in Brand gesteckt hatten.

Noch merkwürdiger ist der folgende Bericht: Ein Herr saß an einem am Fenster stehenden Tische, der Tisch war mit Saffianleder bedeckt, auf welchem einer von den vielfach benutzten Briefbeschwerern aus vier zusammenhängenden gläsernen Kugeln lag. Plötzlich stieg eine dünne Rauchsäule von der Tischdecke empor, und es fand sich, daß der Briefbeschwerer als Brennglas gewirkt und die Decke in Brand gesteckt hatte. Dies passirte, obwohl die Sonne nur geringe Macht besaß; wären die Strahlen der Julisonne auf einen leicht entzündlichen Stoff konzentrirt worden, so würde aller Wahrscheinlichkeit nach ein Brand ausgebrochen sein, über den das Urtheil gelautet hätte: „Entstehungsursache unbekannt.“ „Man muß darauf achten,“ fügt der Berichterstatter hinzu. „daß dergleichen gläserne Briefbeschwerer, die als kräftige Brenngläser wirken, nicht einen derartigen Platz erhalten, daß die direkten Strahlen der Sonne auf sie fallen können.“

Aehnliches läßt sich auch unter Umständen von den Wasserflaschen behaupten; besonders kräftig aber wirken die mit Wasser gefüllten Glaskugeln der Schuhmacher. So wurde z. B. im Anfang dieses Jahrhunderts die Lehne eines Stuhles, welche der Brennpunkt einer solchen Kugel traf, in helle Flammen gesetzt.

Auch die schöne Butzenscheibe kann die Sonne zur Brandstiftung verleiten. Es brach in einer Kirche regelmäßig des Mittags Feuer aus, bis man schließlich entdeckte, daß eine Butzenscheibe im gegenüberliegenden Fenster die konzentrirten Sonnenstrahlen immer auf denselben hölzernen Kirchenstuhl warf. Selbst auf der See, wo es doch feucht und kühl zu sein pflegt, sind ähnliche „Brandstiftungen“ beobachtet worden. So las man im Jahre 1876 in Plymouther Zeitungen, daß auf einem Dampfer eine Kajüte in Brand gerieth, indem das runde Deckglas, welches zum Einlassen des Tageslichtes diente, die Sonnenstrahlen gesammelt und auf einen Punkt hatte wirken lassen.

Diese Fälle bilden, wenn man so sagen darf, Feuerkuriosa, die nur selten sich ereignen. Man muß aber bedenken, daß die Ursache derselben fast immer beim Sonnenschein vorhanden ist, und darum gehörte ihre Erwähnung nicht allein in ein Fachwerk, sondern auch vor die Oeffentlichkeit. Jedenfalls aber wird es für viele Leser von Interesse gewesen sein, diesen Steckbrief zu lesen, den wir hinter dem Sonnenschein erlassen haben. C. Falkenhorst.

Das ABC der Küche soll zwar, nach der Ansicht erfahrener Hausfrauen, nicht durch ein Kochbuch zu erlernen sein; doch rechtfertigt das umfangreiche Werk von Hedwig Heyl, welches unter diesem Titel in zweiter Auflage (im Verlage von Carl Habel, Lüderitzsche Verlagsbuchhandlung in Berlin) erscheint, denselben sehr wohl, indem es die Grundlagen aller Kochkunst in ausgezeichneter Darstellung giebt. Es bestehen Dutzende von Kochbüchern, in denen vieles gut, vieles aber auch unrichtig angegeben ist, so daß man oft genug wohl daran thut, erst einmal eine Probe zu machen. In dem vorliegenden Werke nun ist nicht nur das Ganze der feineren bürgerlichen Küche enthalten, sondern die Anweisungen zur Bereitung der Speisen, besonders zu den schwierigeren Handgriffen, sind mit einer solchen Zuverlässigkeit gegeben, daß auch die Ungeübte sich daraus vollkommen unterrichten kann. Außerdem ist jedes Kochrezept von einer Kostenaufstellung begleitet, welche die Wahl der überlegenden Hausfrau sehr erleichtert. Alle Küchenerfindungen der Neuzeit werden eingehend erläutert, so besonders das außerordentlich praktische Bratthermometer, welches, an jedem Bratofen anzubringen, die genaue Herstellung des nöthigen Hitzegrades und somit die Einhaltung der vorgeschriebenen Zeit ermöglicht. Ausführliche Anweisung zur Küchenordnung und Reinlichkeit, Behandlung der Geschirre, Erklärung des Nahrungswerthes der Speisen sind ebenfalls im Eingang enthalten. Die sämmtlichen Fleisch- und Fischgerichte, Geflügel, Ragouts, das Verfahren beim Einmachen etc. sind in mustergültiger Vollzähligkeit und ganz ausgezeichneter Bereitungsart angegeben, etwas weniger reichhaltig, wie dies in der norddeutschen Küche überhaupt herkömmlich, sind die Mehlspeisen behandelt, die in bayerischen und österreichischen Kochbüchern in so reicher und verlockender Fülle erscheinen. Dieser ausgesprochen norddeutsche Charakter des Kochbuchs ist die einzige kleine Ausstellung, die wir daran zu machen haben. Die Verfasserin wird gut thun, in einer folgenden Auflage manche Provinzialismen wie: Besinge, Beeten, Rindshesse u. a. durch die allgemein verständlichen schriftdeutschen Ausdrücke zu ersetzen. Indessen sind das verschwindende Kleinigkeiten gegenüber den Vorzügen des wirklich ausgezeichnet brauchbaren Werkes, das wir hiermit unseren Leserinnen bestens empfehlen. Br.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 339. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_339.jpg&oldid=- (Version vom 29.3.2020)