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verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Diogenesruhe nicht zu stören; während die Herde sich, die Köpfe nach innen kehrend, zusammendrängt, um unbeweglich, eine lebende Mauer, Wind und Wetter über sich hinbrausen zu lassen, hüllt sich der Hirt gleichmüthig in seine Bunda (Schafpelz), stülpt die Pelzmütze über das Haupt, und nun mag die Welt zu Grunde gehen!

Nur einmal greift etwas störend in dieses gleichförmige Dahinleben ein. Das ist, wenn zur Zeit der Ernte die Schnitterinnen aus den Dörfern herauskommen auf die Heide. Da geschieht es wohl, daß die bunten Gestalten im Aehrenfelde den Einsamen mit magischer Gewalt hinüberlocken, und daß der rauhe „Zuhasz“ (Schafhirt) plötzlich aus seinem Zustande des Gleichmuths heraus in den einer merkwürdigen Erregung hineingeräth, in welchem die Pfeife aufhört, für ihn das Wichtigste auf der Welt zu sein, und der sonst so einsilbige Mund sich zu einer vielleicht nicht eben feinen, jedenfalls aber wirkungsvollen Beredsamkeit aufschwingt. Dann schaut man wohl auf der Pußtalandschaft solch eine idyllische Staffage, wie sie Paul Böhms Bild uns vorführt. F. Schifkorn.

Generalstabsarzt Dr. von Lauer †. Am 8. April, in der zwölften Stunde, verschied nach ziemlich andauernder, bis gegen das Ende noch Aussicht auf Genesung bietender Krankheit der in den weitesten Kreisen hochangesehene und wegen seiner engeren Beziehungen zu dem verstorbenen Kaiser Wilhelm I. wohl in der ganzen gesitteten Welt bekannte Dr. v. Lauer. In den letzten Tagen hatte den Patienten bereits das Bewußtsein verlassen, und von da an gaben die Aerzte bei einem Manne, der das einundachtzigste Lebensjahr erreicht hatte, die Hoffnung auf Wiedergenesung auf.

Im Jahrgang 1877 hat die „Gartenlaube“ das Bildniß des nunmehr Verstorbenen nach einem Studienkopfe Anton v. Werners und zugleich einen Abriß seines Lebens ihren Lesern vorgeführt. Wir wiederholen aus demselben hier die hauptsächlichsten Angaben. Als der Sohn eines evangelischen Geistlichen wurde Lauer zu Wetzlar im Jahre 1808 am 10. Oktober geboren. Im Jahre 1825 trat er als Zögling in das medizinisch-chirurgische Friedrich Wilhelms-Institut zu Berlin ein. Er promovirte 1830, war aber schon zwei Jahre vorher zum Unterarzt in der königlichen Charité ernannt worden. Nachdem Lauer 1839 zum Stabsarzt und 1843 zum Regimentsarzt befördert worden war, wählte ihn der Prinz Wilhelm von Preußen, der nachmalige König und Kaiser, zu seinem Leibarzt. Im Jahre 1861 erfolgte seine Ernennung zum Generalarzt, 1864 wurde er zum Corpsarzt des Gardecorps befördert, und nach dem Kriege von 1866 verlieh ihm der ihm besonders wohlgesinnte Monarch den Adel. Am 22. März 1881 erhielt Lauer den Rang eines Generallieutenants und damit das Prädikat Excellenz. Bei Gelegenheit seines fünfzigjährigen Dienstjubiläums ernannte ihn die Berliner Universität zum Professor.

Im Jahre 1879 war Lauer bereits Generalstabsarzt der Armee geworden, und die großen Verdienste, die er sich als Chef des Militärmedizinalwesens erworben hat, werden in der deutschen Armee unvergessen bleiben. Aber vorzugsweise werden es doch diejenigen Verdienste bleiben, die er sich als Leibarzt des Kaisers Wilhelm I. um dessen Person erworben hat. Lauer besaß das unbeschränkte Vertrauen seines Fürsten, begleitete ihn auf allen längeren Reisen und war während der Feldzüge in seiner unmittelbaren Nähe. Nach dem Nobilingschen Attentat wich der treue Pfleger überhaupt kaum von dem Lager des kaiserlichen Greises.

Wie naturgemäß mit allen solchen Stellungen eine außerordentlich große Verantwortung verknüpft ist, so war es hier ganz besonders der Fall, denn der verstorbene Kaiser Wilhelm stellte sich bei seinem ungewöhnlich hoch entwickelten Pflichtgefühl, das ihn immer erst nach seinen Herrscheraufgaben und dann erst nach seiner Gesundheit fragen ließ, sehr häufig mit seinem ärztlichen Berather in Widerspruch, und es war dann für den letzteren unendlich schwer, entweder seine ärztliche Ueberzeugung dem Willen des Kaisers unterzuordnen, oder seine Meinung durchzusetzen, ohne die Vorschriften der Ehrerbietung außer acht zu lassen. Diesen schweren, oft an ihn herantretenden Zwiespalt hat der Verstorbene stets in bewunderungswürdiger Weise gelöst. Bisweilen war Lauer genöthigt, mit einer gewissen schroffen Entschiedenheit seine Autorität durchzusetzen, und er wagte dies, indem er sich dann durch das übereinstimmende Gutachten der zu Rathe gezogenen Aerzte deckte.

Mit den großen Kriegsereignissen von 1870/71 bleibt Dr. v. Lauers Andenken für alle Zeiten verknüpft. Bei einer Darstellung des Lebens Kaiser Wilhelms gebührt ihm ein hervorragender Platz, und in der Sterbestunde am 9. März 1888 hielt die Hand des großen Heldenkaisers derselbe Mann, der nun – auch ein Gerechter, ein Pflichtgetreuer und Edler – für immer entschlafen ist. –

Das Grillparzer-Denkmal in Wien. (Mit Abbildung S. 309.) Das schöne Denkmal des Dichters der „Ahnfrau“ befindet sich im Volksgarten, diesem traut anheimelnden Stück der verjüngten Kaiserstadt. Es zeigt eine halbkreisförmige Wand, deren Spannweite annähernd 16 Meter beträgt. Inmitten dieser Marmorwand, zu welcher drei Stufen emporführen, ist eine Rundbogennische angebracht, welche gepaarte Halbsäulen in korinthischem Stile flankiren. Die Figur des sitzend und in sinnender Haltung dargestellten Dichters in dieser Nische hat eine Höhe von über 7 Fuß und über ihr, im Giebelfelde, halten zwei Putten einen Lorbeerkranz, der den Namen des Dichters trägt. Rechts und links stoßen an das Nischengesims Wände, welche auf jeder Seite drei Hochreliefe zeigen, die wieder durch flache Pfeiler von einander getrennt sind. Bekrönte Pylonen, rechteckige Thürmchen, schließen dann auf jeder Seite die Vollwand ab. Innerhalb des Wandbogens ist eine Rundbank angebracht.

Das zarte, länglich schmale Antlitz Grillparzers ist porträtgetreu wiedergegeben und in dem sinnenden, träumenden Ausdruck die Eigenart des Klassikers der nachklassischen Zeit meisterhaft verkörpert. Die in einem Lehnstuhl sitzende Figur ist etwas vorgebeugt, wie es des Dichters Brauch war, wenn er seinen Gedanken folgte; das Haupt neigt sich leicht zur Seite, und die Kniee deckt ihm ein Mantel, wie er in seinen Tagen üblich war. Die ganze Figur übt in ihrer schlichten, einfachen Form auf den Beschauer einen stillen Zauber aus, und Meister Kundmann, dem dieselbe ihr Dasein verdankt, hat damit sein zartes Empfinden, sein verständnißvolles Eingehen auf die edle Dichternatur und auf den Geist des unglücklichen Poeten, der sein ganzes Leben lang Bräutigam – der „ewige Bräutigam“ – geblieben war, bewiesen.

Eine prächtige und sinnreiche Ergänzung der stummen und doch auch wieder so beredten Dichterfigur bilden die sechs Reliefe Weyrs, welche Hauptscenen aus den bedentendsten Dramen Grillparzers darstellen. Zur Rechten des Dichterbildes sehen wir die Schlußscene aus dem ersten und bekanntesten Stück Grillparzers, aus der „Ahnfrau“. In der Gruft des unglückseligen Geschlechts ruht schon die Leiche Berthas, zu der Jaromir mit Todesahnen hinabgestiegen ist. Die geisterhafte Frau erscheint ihm, und die Gestalten des Kastellans, Boleslavs und der andern dringen eben in den düstern Raum. Das zweite Relief auf dieser Wandseite zeigt die Schlußscene des dritten Aktes aus der Tragödie „Ottokars Glück und Ende“. Der Kaiser ertheilt dem vor ihm knieenden Böhmerkönig in seinem Zelte die Lehen Böhmens, und draußen steht das Kriegsvolk, welches dem wider die Vereinbarung öffentlich vorgenommenen Akte zusieht. Die zweite Scene des zweiten Aufzuges aus „Der Traum, ein Leben“ veranschaulicht das nächste Reliefbild. Held Rustan träumt auf seinem Lager, während der weiße Genius mit der flammenden Fackel und der schwarze Genius mit der gesenkten erloschenen bei dem Träumenden Wache halten. Auf der anderen Seite der Vollwand sehen wir aus der „Sappho“ die sechste Scene des fünften Aktes wiedergegeben. Die Dichterin, welche die Züge der Frau Wolter trägt, verabschiedet sich von Phaon und Melitta. Medea, die kolchische Zauberin, führt uns das fünfte Relief vor. Ihre Kinder, die sie an sich ziehen will, suchen Schutz bei Kreusa. Das letzte Reliefbild endlich bringt die Eingangsscene des letzten Aktes aus der Liebestragödie „Des Meeres und der Liebe Wellen“. Hero erkennt in dem von Janthe aufgefundenen Leichnam ihren Geliebten . . . Ein Hauch von echtem Klassicismus hat namentlich diese drei letzten Hochreliefe berührt. Ernst Keiter.

Straußbinden. „Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus!“ so singt der Dichter. Das Zimmer däucht uns ein Gefängniß jetzt, wenn die Sonne scheint und die laue wonnige Lenzesluft zum geöffneten Fenster hereinströmt. Wir weilen jetzt gar gern im Freien, denn wohin wir blicken, da knospt und blüht es, zarte holde Frühlingsboten schmücken Garten und Flur. Wir pflücken die lang entbehrten Blumen, fügen sie zusammen, damit sie uns auch im Zimmer noch manchen Tag mit ihrem Duft erfreuen mögen. Solch ein Strauß wird am leichtesten gebildet, wenn ein regelmäßig, sagen wir pyramidenförmig geartetes Gestell, wie es der belaubte Stengel der Spargelpflanze mit seinem feinen eleganten Grün giebt, nachdem die Spitze abgenommen, mit der linken Hand gefaßt und durch die Rechte mit Blumen gefüllt wird, mit kleineren im Innern, hervorstehenden größeren mit längeren Stielen nach außen, ohne daß erstere verdeckt würden. Am unteren Rande können hängende Blumen angebracht werden, und das Ganze kann mit einer mehr oder weniger kostbaren Seiden- oder Papierhülle (Manschette) abgeschlossen und zum Handgebrauch mit einem ebensolchen dütenförmigen Bouquethalter versehen sein. Die schönste Form ist die der Kugel, auch die der Halbkugel. Wenn die Spitzen des Spargelgrüns allzusehr hervorstehen, kneipt man sie ab.

Es gehört zur Herstellung eines schönen Straußes ebenso wie zu allen anderen Blumengebilden Geschmack, Geschicklichkeit und Farbensinn. Die Farben müssen harmonisch zusammengestellt und über den ganzen Strauß gleichmäßig vertheilt werden; niemals darf ein ganzer Klumpen einer Blumenart oder einer Farbe sich auf einer Stelle geltend machen. Um einen harmonischen Farbenkontrast hervorzubringen, folgen wir der Farbenlehre von Goethe, nach welcher es nur drei Farben giebt: Roth, Blau, Gelb. Aus Roth und Blau entsteht Violett, aus Blau und Gelb wird Grün, aus Gelb und Roth wird Orange. Man stelle deshalb neben eine Hauptfarbe diejenige Mischfarbe, in welcher jene nicht enthalten ist, also Roth neben Grün, Gelb neben Violett, Blau neben Orange, und wo solche Zusammenstellung nicht oder nur annähernd möglich ist, da verwende man viel Weiß, das jeden Fehler gutmacht. Diese Regel für den harmonischen Kontrast gilt oder sollte gelten für alle Gebilde der Binderei, für die Bepflanzung der Blumenbeete wie für die Zusammenstellung von Blumen überhaupt. O. H.




Kleiner Briefkasten.

Verehrer der „Münchener“ in Berlin. Die für das wirkungsvolle Mittelbild unseres Holzschnitts „Scenen aus den Volksstücken der ‚Münchener‘“ benutzte Photographie ist von W. Kuntzemüller in Baden-Baden.

Abonnent F. in Falkenstein. Wir können Sie nur darauf verweisen, was am Kopfe jeder Beilage zur „Gartenlaube“ ausdrücklich angegeben ist: „Für den Inseratentheil sind die Redaktion und Verlagshandlung der ‚Gartenlaube‘ nicht verantwortlich.“

A. S. in Bonn. Abgelaufene Quartale der „Gartenlaube“ können, soweit der Vorrath reicht, stets zum gewöhnlichen Preise durch jede Buchhandlung bezogen werden.

„Speisekarte.“ Sie möchten für deutsche Benennung der Speisen etc. in Ihrem Haushalte Sorge tragen. Dafür können wir Ihnen ein vortreffliches Hilfsmittel empfehlen. Es ist das erste von einer Reihe kleiner, handlicher „Verdeutschungsbücher“, welche der „Allgemeine deutsche Sprachverein“ herausgiebt, betitelt „Die Speisekarte“ (Leipzig, Ferdinand Hirt u. Sohn). Es giebt noch weit mehr, als sein Titel besagt, indem es seine Verdeutschungen auch auf alle in der Küche und im Gasthofswesen vorkommenden Fremdwörter erstreckt.


Inhalt: Nicht im Geleise. Roman von Ida Boy-Ed (Fortsetzung). S. 309. – Zur Enthüllung des Wiener Grillparzer-Denkmals. Von August Sauer. S. 314. – Originalgestalten der heimischen Vogelwelt. Thiercharakterzeichnungen von Adolf und Karl Müller. 2. Die Gravitätischen. S. 317. Mit Abbildungen auf S. 317 und 318. – Lore von Tollen. Roman von W. Heimburg (Schluß). S. 318. – „Morgenstunde hat Gold im Munde!“ Illustration. S. 321. – Milchanstalten für Kinder. S. 322. – Blätter und Blüthen: In der Pußta. Von F. Schifkorn. S. 323. Mit Illustration S. 312 und 313. – Generalstabsarzt Dr. von Lauer †. S. 324. – Das Grillparzer-Denkmal in Wien. Von Ernst Keiter. S. 324. Mit Illustration S. 309. – Straußbinden. S. 324. – Kleiner Briefkasten. S. 324.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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