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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Das im Lande bereitete Pulver ist schlecht, statt Kugeln ladet man Eisenstückchen, die man mit einem Stein etwas rund geklopft hat. Die Hauptwaffen sind aber Lanzen, krumme Säbel und Schilde aus Elefanten- oder Büffelhaut mit metallenen Buckeln, auch mit Fellstücken und Thierschwänzen phantastisch ausstaffirt.

Die Wohnung des Negus Johannes von Abessinien.

Die Hauptmacht des Heeres lagerte gewöhnlich im Bezirk Debra Tabor, wo der Negus auf der Plattform des mit einer Batterie gekrönten Samara-Hügels seine Residenz aufgeschlagen hatte, zu der man auf steiler Basalttreppe emporstieg. Offiziere mit schwarzen Pantherfellen umhangen und mit prachtvollen gold- und silberbeschlagenen roth- und blausammetnen Schilden versehen, hielten Wache. Dort gab der Negus Audienz auf dem abessinischen Sofa, dem Angareb, sitzend und gehüllt in seinen kostbaren Margaf, der nur Augen und Stirn freiläßt. Seine Kleidung war sonst eine sehr einfache und von der seiner Unterthanen kaum zu unterscheiden. In der Schlacht hatte von vier dazu bestimmten hohen Würdenträgern immer einer die königlichen Kleider und Abzeichen anzulegen, um dadurch die Augen des Feindes auf sich und vom „Gesandten Salomos“ abzulenken. Unter Theodoros fiel der Irländer John Bell in Ausübung dieses Amtes an der Seite des Negus 1860 im Treffen von Dobarek. – Die Wohnung des Negus war sehr bescheiden, wie wir sie auf unserer obenstehenden Abbildung erblicken. Früher war das freilich anders. Davon zeugt das berühmte Kaiserschloß zu Gondar, eine imposante, aber geschmacklose Schöpfung portugiesischer Werkmeister, reich an Kuppelthürmen und Zinnen. Aber heute ist es ebenso wie die großartigen Lustschlösser in der Nachbarschaft schon halb zur Ruine verfallen, in der Raubthiere hausen. Die militärische Dienstleistung der Abessinier ist als Ausfluß ihrer Lehenspflicht eine regelmäßige. Die Statthalter der Provinzen haben eine je nach dem Flächeninhalt derselben bemessene Anzahl wehrfähiger Leute zu stellen. Dem im ganzen arbeitsscheuen Abessinier ist der Kriegsdienst eine Lieblingsbeschäftigung, weil es dabei gewöhnlich etwas zu plündern giebt. Daher findet sich auch, wenn es irgendwo losgeht, sofort eine Anzahl alter, mit den landesüblichen Chikanen vertrauter Kämpfer. Für Kleider, Waffen, Lebensunterhalt muß jeder selber sorgen. In Schoa erhalten nur die vierhundert aus des Königs Besitzungen ausgehobenen Schützen Sold, nämlich jeder jährlich acht Stück Steinsalz im Werth von je 1½ Mark. Disciplin ist in den abessinischen Heersäulen nicht zu suchen.

Wurde der Aufbruch beschlossen, so versammelte sich sogleich ein ungeheuerer Troß beutegierigen Volks. Voran ritt der Negus auf reich geschirrtem Maulthier unter einem mächtigen rothseidenen Sonnenschirm, dem höchsten Ehrenzeichen, das außer ihm nur der vornehmsten Geistlichkeit zukommt. Musikbanden kündigten sein Kommen an. Auf ihn folgte der Abuna auf einem stattlichen, mit zierlichen Glöckchen und schimmerndem Metallhalsband ausgeputzten Maulthier. Er trug ein Tuchgewand, schwarzen kleinen Turban und einen rothausgeschlagenen Burnus. Dann eine der Königinnen, umgeben von Eunuchen und Soldaten, auf schönem Thiere und gehüllt in einen enganliegenden blauen Sammetmantel mit reicher Silberstickerei und kleinen goldenen und silbernen Glöckchen, das Gesicht auf tscherkessische Weise verschleiert. Darauf das ehrwürdige Haupt der geistlichen Kongregationen, der Etschege, in weißem Gewand und Turban, begleitet von vermummten Geistlichen aller Grade. Im Lager erhob sich neben dem kaiserlichen Zelt das Kirchenzelt mit den in rothes Zeug eingewickelten hölzernen Gesetztafeln Mosis, die auf vergoldeten Lehnsesseln ruhten. Theodoros pflegte vier gezähmte Löwen mit sich zu führen. In ähnlicher Weise mögen auch ein Rhamses und ein Nebukadnezar bei ihren Kriegszügen aufgetreten sein, einen großen Troß Weiber, gemißhandelte Knechte und verstümmelte Gefangene hinter sich. Denn unsäglich grausam ist der Abessinier als Sieger. Er verstümmelt den Todten, den verwundeten wie den unverwundeten Gefangenen auf die scheußlichste Art.

Landschaft aus dem Hochlande von Tembien in Abessinien.

Dies ist das Reich, dessen Thron jetzt verwaist ist, denn der Negus Johannes ist todt. Feinde stürmen auf das Land von allen Seiten ein, von Norden und Westen die wilden Scharen der Derwische, von Süden der Herrscher von Schoa, der das ihm aufgezwungene Lehensverhältniß abgeschüttelt hat, im Nordosten steht Italien. Die Frucht scheint zur Ernte reif; wie schwer es aber ist, sie zu pflücken, das haben nur zu oft die erfahren müssen, welche sich daran wagten.




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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 301. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_301.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)