Seite:Die Gartenlaube (1889) 256.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

bereits vorgeschritten ist. Und wehe dem armen Kaufmann, der sich, vielleicht weil die von Liberia erwartete neue Sendung ausgeblieben ist, auch nur ein paar Tage lang über die vertragsmäßige Zeit hinaus auf die Dienste solcher nach der Heimath verlangenden Kruleute angewiesen sieht! Er hat es alsdann mit gedanken- und überlegungslosen Leuten zu thun, deren Seele in einem anderen Lande lebt und die ihm in wenigen Stunden mehr Aerger bereiten werden als sonst wohl in Monaten.

Während man die Bewohner des Togolandes zu den sogenannten echten Negern rechnet, gehören die Dualla, die Bakwiri, Bambuku, Banoko, Bapuko, Kumbe und alle sonstigen die Küste bewohnenden Stämme der deutschen Kolonie Kamerun zur großen und weitverbreiteten Rasse der Bantuneger. Da es für diese aufgezählten Stämme, die sich trotz der nahen Verwandtschaft der von ihnen gesprochenen Dialekte ihrer Zusammengehörigkeit kaum bewußt sind, bisher keinen Sammelnamen gab, so hat der Verfasser dieses Aufsatzes den Vorschlag gemacht, sie mit dem gemeinsamen Namen „Kamerunvolk“ zu bezeichnen. Eine vollständige Schilderung der in mancher Hinsicht sehr lehrreichen Sitten und Gebräuche dieses Volkes kann in dem knappen Rahmen eines einzelnen Aufsatzes kaum versucht werden. Anstatt abgerissene Notizen zu geben, dürfte es eher angebracht sein, die beiden hervorragendsten Kulturleistungen des Kamerunvolkes, nämlich die Ausbildung eines ausgiebigen Signalwesens (Trommelsprache) und den Bau höchst eigenartiger See- und Flußfahrzeuge, etwas näher zu besprechen.

Batanganeger mit ihren Kanoes.

Einige Stämme des Kamerunvolkes, und zwar in erster Linie die Dualla, haben es in Bezug auf Lautsignale weiter gebracht als irgend eine europäische Nation. Vermittelst verschiedenartiger, namentlich auch langer und kurzer Trommellaute können sie sich auf weite Entfernungen alle möglichen Nachrichten mittheilen. Bisweilen hört man ganze Nächte hindurch dieses Trommeln von Ort zu Ort und von Landschaft zu Landschaft herüberschallen. Die Signale gleichen nicht etwa den bei unserem Militär üblichen, sondern wir haben es hier mit einer vollkommen ausgebildeten Sprache zu thun, vermittelst deren man nicht nur einige der Zahl nach sehr beschränkte Befehle, sondern alles und jedes mittheilen kann. Häufig, wenn ich mit eingeborenen Begleitern aus dem unteren Kamerungebiet landeinwärts reiste, war es mir angenehm, durch ihre Kenntniß der Trommelsprache zu erfahren, womit man sich in den umliegenden Ortschaften beschäftigte und was man etwa gegen uns im Schilde führte. Bald hieß es, der und der habe seinen Bruder zum Abendessen eingeladen, bald theilte ein König seinem Volke mit, daß er sehr böse sei, weil ich ihn beim Vorübermarsch nicht besucht und ihm keine Geschenke gegeben habe, bald wurde jemand beauftragt, Palmwein zu holen, oder es erging auch wohl der Befehl, sich auf einen etwaigen feindlichen Ueberfall vorzubereiten. Die Trommelsprache muß gleich jeder anderen Sprache erlernt werden und es giebt recht begabte und hochstehende Neger, wie z. B. Jim Equalla von Dido-Stadt, die ihrer nicht mächtig sind. Auf Dualla heißt Wasser „Madiba“, aber in der Trommelsprache heißt es, soweit mein Gehör zum Verständniß ausreichte, „To–ku–lo–o–ku.“ Da das Instrument, dessen man sich zur Trommelsprache bedient – ein ausgehöhlter Holzklotz –, bloß wenige, allerdings sehr modifizierbare Töne besitzt, so müssen die Worte der Trommelsprache natürlich sehr lang werden. Obwohl die Trommelsprache im großen und ganzen innerhalb jenes Gebiets, wo sie überhaupt bekannt ist, die nämliche zu sein scheint, so giebt es doch gewisse örtliche Verschiedenheiten, die ich nicht in der Ebene, wohl aber im Gebirge angetroffen habe, und die es mit sich bringen, daß sich hier bloß gewisse Gruppen von Dörfern unter einander verständigen können. Von keinem anderen Volke der Welt weiß man, daß es ein ähnliches Verständigungsmittel erfunden hätte. Zwar kennt man auch am Kongo Hornsignale, durch die sich gar mancherlei mittheilen läßt, aber soviel bekannt, ist auf der ganzen Erde einzig und allein im Kamerunland das Signalwesen zu einer vollkommenen Sprache ausgebildet worden. Und das Seltsamste ist, daß diese Sprache nicht bloß getrommelt, sondern auch, wie ich bereits oben mit dem Worte „To–ku–lo–o–ku“ andeutete, gesprochen, beziehentlich mit dem Munde nachgeahmt werden kann. Wenn die eingeborenen Händler sich in Gegenwart von Europäern, die des Dualla-Idioms mächtig sind, unter einander verständigen wollen, so ahmen sie die Trommelsprache nach. Jedenfalls gehört ein außerordentlich feines Gefühl dazu, um diese Sprache verstehen zu können.

Eine zweite nicht ganz so große, aber doch auch recht achtungswerthe Kulturleistung des Kamerunvolkes ist der Bau von höchst originellen und ganz vortrefflich ihrem Zwecke dienenden See- und Flußfahrzeugen, zu denen es meines Wissens in Europa kein Gegenstück giebt. Wenn man in Europa von den Festen und den kriegerischen Aufzügen der Neger liest, so stellen wohl die meisten Leute sich vor, daß dieselben sowohl barbarisch als auch kindisch sein müßten. Beides ist durchaus nicht in allen Fällen zutreffend. Ich entsinne mich, daß, als einmal Admiral Knorr die hervorragendsten Häuptlinge der Dualla zu einem großen Palaver berufen hatte, die vielen Dutzend mit je 50 bis 60 Ruderern und Flintenträgern bemannten Kriegskanoes, die damals im Kamerunfluß herumfuhren, sich zu einem Gesammtbilde gruppirten, wie man es sich gar nicht bunter, mannigfaltiger, großartiger und wirkungsvoller hätte vorstellen können. In der That gewährt schon jedes einzelne der 20 bis 30 Meter langen, aber ganz schmalen Kriegskanoes mit der starken wohlgeschulten Bemannung und dem bunten, aber durchaus nicht geschmacklosen Aufputz einen imponirenden Eindruck. Gewöhnlich steht hoch aufgerichtet der Führer mit Gewehr und Kriegshelm in der Mitte, während seine Leute, die je nach Bedarf Ruderer oder Schützen sind, ihre herzförmig geschnitzten Riemen mit einer Gleichförmigkeit und Geschicklichkeit ins Wasser tauchen, die selbst den Gigmannschaften europäischer Admiralsschiffe zur Ehre gereichen würde. Bei irgend einem feierlichen Anlaß ist der Vordertheil dieser Kriegskanoes mit hübsch geschnitzten, viele Menschen- oder Thierfiguren enthaltenden und buntbemalten Bootaufsätzen geschmückt. Niemals werde ich den malerischen Anblick vergessen, als von mehreren mit der Geschwindigkeit eines Rennpferdes dahinschießenden Kriegskanoes aus Schüsse und Trommelwirbel das Nahen Manga Bells verkündeten. Umgeben von mehreren ehrfurchtsvoll zu ihm aufblickenden Flintenträgern, war der mit Kriegshelm, Hüftentuch, Wamms, Offiziersäbel und Revolver ausgestattete Königssohn eine stattliche Erscheinung.

Die kleinen Könige und Häuptlinge des Kamerunlandes haben häufig genug Kriege unter einander geführt, bei denen ihren Kriegskanoes wenn nicht die größte, so doch jedenfalls eine sehr große Rolle zufiel. Obwohl die Neger nicht gerade sehr viel Schneidigkeit zeigen und kühne Ueberfälle ihrer Natur nur wenig entsprechen, so wäre es den deutschfeindlichen Joßleuten doch einmal nahezu geglückt, durch die pfeilartige Geschwindigkeit ihrer Kriegskanoes den gänzlich wehrlosen Woermannschen Dampfer „Dualla“ zu überholen und zu überrumpeln. Denn gute und gut geführte Kriegskanoes übertreffen an Schnelligkeit alle besten bisher in Westafrika existirenden Flußdampfer. Die Bewaffnung der Kamerunneger besteht nur noch selten aus Lanzen, sondern meistens aus Steinschloßflinten oder Hinterladern und aus kurzen Schwertern, beziehentlich langen Messern. Die Waffen werden sehr schlecht gehalten und alle Snidergewehre, die ich sah, waren unglaublich schmutzig und verrostet. Die Kriegshelme gleichen

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1889, Seite 256. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_256.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)