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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

No. 14.   1889.
      Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. — Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig oder jährlich in 14 Heften à 50 Pf. oder 28 Halbheften à 25 Pf.


Nicht im Geleise.

Roman von Ida Boy-Ed.
1.

Die beiden Freunde, welche mit langsamen Schritten auf dem Bürgersteig einherwanderten, sahen oftmals ihren ruhigen Gang durch all die Hindernisse unterbrochen, welche Straßen- und Häuserauffrischungen im Sommer dem Verkehre der deutschen Residenz bieten. Hier qualmte ihnen eine Wolke von Mauerschutt entgegen; da baute sich ein Gerüst bis an die Grenzen des Fahrdammes vor; dort dampfte aus einem Asphaltkessel widriger Dunst und Arbeiter lagen auf der Erde, den schwarzen heißen Brei mit flachen Hölzern glatt auf den Boden zu streichen.

Dabei erfüllte ein unendliches Getöse die Luft, Gefährte aller Art mischten dumpf das Rollen ihrer Räder und hart klappten die trottenden Pferdehufe dazwischen.

Das Auge, welches den Himmel suchte, fand nur dessen blassen Glanz über dem steigenden Dunstgewölk, zwischen dem unentwirrbaren Hin und Her von Telephondrähten, welche droben von Dach zu Dach sich spannen. Eine fast unerträgliche Hitze beklemmte den Athem und machte im Verein mit dem Straßenlärm jedes Gespräch unmöglich.

Erst als die Freunde dem Potsdamer Platz entronnen waren und sich in der Bellevuestraße nebeneinander fanden, jetzt durch nichts behindert, zusammen Schritt zu halten, sagte Marbod Steinweber, das dunkle Haupt aufathmend erhoben:

„Nach dieser mehrstündigen Streiferei durch die Straßen wundere ich mich noch mehr, Dich in Berlin zu finden. Der Lärm und die Hitze sind einfach erdrückend. Ich gehorche dem Zwange, der mich am ersten August meine Stellung antreten heißt. Aber Du, unabhängig wie Du bist …“

„Ich bitte Dich,“ unterbrach der Freund ihn etwas ungeduldig, „mir nie von meiner Unabhängigkeit zu reden. Ich bin so unfrei wie möglich. Aber davon abgesehen. Du hast einen Tag mit schwülbrütender Gewitterluft getroffen, sonst ist es in Berlin gerade im Sommer reizend zu leben. Von all den Schrecknissen kannst Du Dich jetzt gut erholen. Wir finden im Zoologischen Garten einige nette oder einige unangenehme Menschen, jedenfalls Bekannte also, die ich Dir empfehlen, oder vor denen ich Dich warnen kann. Aber laß uns fahren, diese langsam vor uns schlendernden Hausväter und Hausmütter machen ja das Vorwärtskommen unmöglich.“

Dabei trug sein feines, schönes Gesicht einen Ausdruck äußerster Ermüdung. Er war blaß und sein blondes, weiches Haar umgab eine Stirn voll Adel und Gedanken. Die wohlgebildete Gestalt trug er lässig, aber mit einem gewissen vornehmen Bewußtsein.

Marbod Steinweber sah den Freund forschend und voll Sorge an. Der innige Ausdruck verklärte sein männlich


Reineke auf der Schnepfenjagd. Nach einem Gemälde von A. Weinberger.
Photographie im Verlage von Fr. Hanfstängl in München.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 221. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_221.jpg&oldid=- (Version vom 31.3.2020)