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verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Blätter und Blüthen.

Die Briefmarken, diese für unsere heutigen Verkehrsverhältnisse ganz unentbehrliche Erfindung, haben doch auch ihre Gefahren, und schon wiederholt ist vor dem Befeuchten derselben mit Zunge oder Lippen gewarnt worden, da unter Umständen der Klebstoff gesundheitsschädliche Eigenschaften annimmt. Ganz besondere Vorsicht aber ist bei der Verwendung gebrauchter Briefmarken geboten, die bei Händlern und Sammlern ja vielfach von Hand zu Hand gehen und von Kindern und Erwachsenen in das Album eingeklebt werden. Kürzlich brachte ein englisches Blatt die Mittheilung, daß in einer Familie in Birmingham plötzlich die Diphtheritis ausgebrochen sei, obgleich in der Stadt seit langer Zeit kein Krankheitsfall dieser Art beobachtet worden war. Sorgfältige Nachforschungen ergaben, daß der Ansteckungsstoff nur durch gebrauchte Briefmarken eingeschleppt worden sein konnte, die ein auswärtiger Verwandter der Familie dem Sohne derselben für seine Sammlung eingesandt hatte. Der Knabe hatte die Marken beleckt, seinem Album einverleibt und auf diese Weise den Krankheitsstoff in sich aufgenommen.

Ein ganz ähnlicher Fall wurde vor einigen Jahren in Freiberg in Sachsen beobachtet; auch hier trat die Krankheit ganz plötzlich und völlig vereinzelt auf, so daß das Entstehen derselben unerklärlich blieb, bis festgestellt wurde, daß die Ansteckung auf dieselbe Weise erfolgt sein mußte wie im vorstehend erwähnten Falle. Das Kind war ein leidenschaftlicher Briefmarkensammler und tauschte mit einem ehemaligen Schulkameraden, der mit seinen Eltern nach einer andern Stadt verzogen war, diese Werthzeichen brieflich ein. In diesem Orte aber herrschte die Krankheit bereits seit Wochen und es war daher fast zweifellos, daß dieselbe durch diese Marken übertragen worden war.

Bei dem großen Umfang, den die Liebhaberei des Markensammelns allerwärts angenommen hat, ist es gewiß angezeigt, auf diesen bis jetzt kaum beachteten Umstand aufmerksam zu machen, denn die Gefahr, auch andere Krankheiten durch Ansteckung zu übertragen, liegt sehr nahe. Man dulde also keinesfalls das Berühren der Briefmarken, weder neuer noch gebrauchter, mit der Zunge.

Unsere fünf kaiserlichen Prinzen. (Mit Illustration S. 165.) Welches Auge sollte nicht mit innigem Behagen auf diesem Familienbildchen ruhen, auf diesen lieblichen Kindergesichtern, welche das Antlitz einer glücklichen Mutter umrahmen! Es ist die Kaiserin Augusta Viktoria mit ihren fünf Söhnen. Links von der Mutter steht der älteste, der Kronprinz Friedrich Wilhelm, geboren am 6. Mai 1882, rechts von derselben der zweite, Eitel Friedrich, geboren am 7. Juli 1883; er hat sein rechtes Aermchen auf die Schulter der Mutter, sein linkes aber auf die seines zweitjüngsten Bruders August Wilhelm, geboren am 29. Januar 1887, gestützt, während diesem gegenüber auf der andern Seite der Mutter der dritte dem Alter nach, Adalbert, geboren am 14. Juli 1884, sich aufgestellt hat. Den jüngsten der Prinzen aber, Oskar, geboren am 27. Juli 1888, hält die Kaiserin vor sich auf dem Schoße, mit dem gewinnendsten Ausdruck mütterlicher Zärtlichkeit auf ihn herniederblickend.

Ein kleiner Vorfall aus den jüngsten Tagen, bezüglich des Kronprinzen und des Prinzen Eitel Fritz, möge hier noch Platz finden. Er charakterisirt sowohl die Erziehungsmethode als auch die Kindernatur. Von Kaiser Wilhelm ist neuerdings angeordnet worden, daß die beiden Prinzen allein schlafen sollten. Namentlich Eitel Fritz, den der Kaiser wegen seines etwas scheuen Wesens schon häufig „Prinzessin“ genannt hat, erhob dagegen Einspruch und erklärte, er werde sicher vor Furcht nicht schlafen können. Es wurde den Prinzen dagegen bedeutet, daß zur Rechten und Linken von ihren Zimmern jemand schlafen werde, sodaß sie nur zu rufen brauchten, wenn sie durch irgend etwas beunruhigt würden.

Unter solchem und anderem Zureden ward denn nun die neue Einrichtung getroffen, und der Kronprinz fand sich auch leidlich gut hinein. Prinz Eitel Fritz erfaßte aber in dem hohen Schloßgemach, nachdem ihm „Gute Nacht“ gesagt, bald eine quälende Angst, die mit leisem Weinen begann und sich so steigerte, daß er nach Kinderart laut zu schreien begann. Unglücklicherweise hatte sich die dienstthuende Dame nebenan gerade für eine kurze Weile entfernt, und die Rufe des kleinen geängstigten Prinzen verhallten ungehört. Da mochte ihn wohl die Vorstellung beherrschen, man habe ihn nur durch Worte besänftigen wollen, in der That aber ohne nahen Schutz gelassen, was denn zur Folge hatte, daß er aus dem Bett sprang und wehklagend und weinend um Hilfe rief. In dieser höchsten Noth erschien nun endlich seine Beschützerin und es gelang ihr bald, sein bewegtes kleines Kinderherz zu beruhigen. Wir ersehen hieraus, auch Prinzen haben wie andere Menschenkinder ihre Sorgen, Kummer und Herzeleid.

In Ungnade. (Mit Illustration S. 169.) Mit zwei Worten ist die verzweifelte Lage des gefesselten jungen Weibes kurz und bedeutsam gekennzeichnet: „In Ungnade“! Vor wenigen Tagen, ja vielleicht vor Stunden noch war sie die Gebieterin in den Frauengemächern, eine Sklavenschar gehorchte ihr und zitterte vor ihrem Stirnrunzeln. Mit der Gunst ihres Herrn ist ihre Bedeutung, ihre Macht dahin – die Favoritin ist zur Sache, zum Eigenthum gesunken, womit der Besitzer rücksichtslos verfahren kann und in der That verfährt. Um einer geringfügigen Ursache, um einer Laune willen ist sie gestürzt, eine Laune kann ihr den alten Glanz aufs neue bringen, aber auch das härteste Schicksal, ja selbst den Tod. Der Fußblock vor dem Lager, die Gleichgültigkeit der Sklavin, die starre Ruhe des Kriegers, der die Gefesselte bewacht, lassen das Schlimmste befürchten und die apathische Ergebung der Aermsten scheint gleichfalls darauf hinzudeuten … Die Tracht des Kriegers versetzt uns nach Persien und in vergangene Zeiten; wer aber weiß, was noch heute vorgeht innerhalb jener verschwiegenen Haremsmauern? Wir sind gewohnt, den Harem und seine Bewohnerinnen mit phantastischem Zauber zu umkleiden, und der Dichter spricht von Farbenpracht und üppigem Wohlleben: die Scene, welche unser Künstler vorführt, redet nicht von der Poesie des Harems, sondern von der unseligen Lage der orientalischen Frauen, von ihrer tiefen, erbarmenswerthen Erniedrigung! **




Kleiner Briefkasten.
(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)

W. Z. in Köln. Lassen Sie sich in Ihrem menschenfreundlichen Vorhaben durch kleine Schwierigkeiten nicht abschrecken; in Berlin besteht die Einrichtung, an arme Kinder Frühstück zu verabreichen, schon seit Jahren; warum sollte das Gleiche nicht auch in Ihrem Wohnort möglich sein? Die Art, wie die Einrichtung in Berlin gehandhabt wird, verdient Beachtung und giebt vielleicht auch Ihnen praktische Winke. Von der Vorsitzenden des dortigen „Vereins zur Speisung armer Kinder und Nothleidender“, Frau Agnes Blumenfeld, wird uns darauf bezüglich geschrieben: „Die Austheilung des Frühstücks erfolgt um 10 Uhr in der allgemeinen Pause. Es ist nicht rathsam, die Kinder schon vor Beginn der Schule antreten und die Gaben in Empfang nehmen zu lassen. Letzteres muß vielmehr in der Stille geschehen, sonst erscheint es, als ob die Kinder Almosen bekämen, wodurch sie abgestumpft und auch den Hänseleien anderer Kinder ausgesetzt werden. Der Lehrer verliert dadurch auch die Gelegenheit, zu beobachten, ob das Kind Frühstück mitgebracht hat oder nicht. – Der Ordinarius der Klasse sorgt dafür, daß jedes Kind, dem die Eltern kein Frühstück mitgeben konnten, mit einer Anweisung, die er ihm ebenfalls in der Stille giebt, sich aus der Küche des Rektors oder aus einem geeigneten Zimmer das Frühstück holt. Dasselbe besteht in Brotschnitten, mit Butter oder Schmalz bestrichen, oder aus Weißbrot (Schrippen). Schwächliche Kinder und solche, die nüchtern zur Schule kamen, erhielten außer Weißbrot noch warme Milch (auch Brühe, Kaffee, Mehlsuppe, in einem Falle sogar Rothwein). Die bessere Ernährung wirkt so wohlthätig auf die darbenden Kinder, daß ihr Aussehen bald ein merklich gesunderes wird, auch der Schulbesuch wird ein regelmäßigerer und die Aufmerksamkeit beim Unterricht nimmt bedeutend zu.“ Darauf, in wie hohem Maße der Edelsinn für die armen darbenden Schulkinder sich allerorten bethätigt hat, haben wir bereits wiederholt hingewiesen, u. a. im vorigen Jahrgang S. 891. In Pommelsbrunn und in noch einigen anderen Orten Bayerns haben die dortigen Lehrer die Sorge für einen Mittagstisch für arme auswärtige Schulkinder, welche 2 bis 3 Kilometer – und oft noch weiter – vom Dorfe entfernt wohnen, sowie für solche Kinder aus dem Dorfe selbst, welche offenbar zu Hause keinen warmen Bissen bekommen, in dankenswerthester Weise übernommen. Die Kinder erhalten mittags nach der Schule einen Teller warmer Suppe, etwas Fleisch, Gemüse und Brot. – Berichten auch Sie uns bald Erfreuliches!

Pastor. Die uns eingesandte stenographische Notiz ist nicht zu enträthseln.

G. C. in H…stadt. Wir können Ihnen die gewünschte Auskunft leider nicht geben, wiederholen aber gern Ihre Anfrage an dieser Stelle, um vielleicht aus unserem Leserkreise Aufschluß zu erhalten. Sie fragen: „Giebt es irgendwo im Deutschen Reich einen Frauenverein oder sonst einen Verein, der sich mit der dankenswerthen Aufgabe beschäftigt, gegen den überhandnehmenden Luxus oder gegen aufkommende Modeverirrungen, die, abgesehen von dem guten Geschmack, namentlich der Gesundheit sehr schädlich sind, mit Erfolg anzukämpfen?“

Kleine Neugierige in B. „Kann die geehrte Redaktion mir sagen, welche Rolle der leidige Monat März im Volksglauben spielt?“ fragen Sie in Ihrer Zuschrift. Wir wissen nicht, was der März, der sich doch sonst eines ganz leidlichen Rufes erfreut, Ihnen gethan hat, wollen Ihnen aber die gewünschte Auskunft gern geben. Eine alte Bauernregel behauptet zunächst, daß „vom Märzstaub das Loth einen Dukaten werth“ sei. Sollte Ihnen das räthselhaft erscheinen, so wollen wir Ihnen verrathen, daß damit angedeutet werden soll, der Landwirth wünsche in diesem Monat trockene Witterung. Dem Märzschnee wird eine besondere Heilkraft zugeschrieben; wenn man sich mit demselben wäscht, „vergehen Warzen und Leberflecke“, die Haut wird weich und zart und selbst die Sommersprossen sollen verschwinden. Auch der Wäsche ist nach dem Volksglauben der Märzschnee sehr zuträglich, sie bleicht zu derselben Weiße wie dieser und keine Motte kommt ihr zu nahe. Dagegen soll man angeblich im März kein – Wasser trinken, da dasselbe für gesundheitsschädlich gilt.

Eifrige Leserin in Gießen. Soweit menschlicher Fleiß die Unmasse von litterarisch thätigen Geistern des 19. Jahrhunderts bewältigen kann, finden Sie alle, die großen und die kleinen Namen, gesammelt und mit einer kurzen Biographie und einem Schriftenverzeichniß ausgestattet in Brümmers „Lexikon der deutschen Dichter des 19. Jahrhunderts“ (Leipzig, Philipp Reclam jr.). Es steckt eine ganz erstaunliche Arbeit in dem Werkchen; dasselbe hat aber auch in der kurzen Zeit seines Bestehens bereits 3 Auflagen erlebt, von denen die letzte Nachträge bis auf den Stand vom 1. Juli 1888 enthält.



Für unsere Knaben und Mädchen empfohlen:
Deutsche Jugend.
Herausgegeben von Julius Lohmeyer.
Inhalt des eben erschienenen 6. Heftes (Preis 40 Pf.):

Höhere Gewalten. Erzähl. v. M. Gerhardt. Mit Illustr. v. C. W. Allers u. Joh. Gehrts. – Konrad von Boppart. Rheinische Sage v. J. v. Wildenradt. Mit Illustr. v. Baur. – Dreimal in Straßburg. Von Georg Lang. Mit Illustr. – Was Tacitus von den Germanen seiner Zeit erzählt. Von Werner Hahn. Mit Zeichn. v. Joh. Gehrts. – Denkspruch. Von Georg Lang. – Die Kerbschnitzerei. Von Kalra Roth. – Sprüche. Von Julius Lohmeyer. – Erzählungen aus dem alten deutschen Reich. Von Werner Hahn. Vom Könige, der sich selbst erhöht. – Die Löwenprobe. – Monogramm. Ein Gesellschaftsspiel. Mitgetheilt v. R. Löwicke. – Knackmandeln, Räthsel etc.


Inhalt: Lore von Tollen. Roman von W. Heimburg (Fortsetzung). S. 165. – Vom Nordpol bis zum Aequator. Populäre Vorträge aus dem Nachlaß von Alfred Edmund Brehm. Lapplands Vogelberge (Schluß). S. 170. – Die „Münchener“ und ihre Dichter. Von Rudolf v. Gottschall. S. 173. Mit Illustrationen S. 173 und 177. – In den Wolken. Eine Waldgeschichte von Heinrich Noé (Fortsetzung). S. 176. – Blätter und Blüthen: Die Briefmarken. S. 180. – Unsere fünf kaiserlichen Prinzen. S. 180. Mit Illustration S. 165. – In Ungnade. S. 180. Mit Illustration S. 169. – Kleiner Briefkasten. S. 180.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaklion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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