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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

rückte heran, mit ihm der Krieg des verbündeten Preußens und Oesterreichs gegen Dänemark, und General Moltke war es, dem die Stelle des Chefs der operierenden Armee übertragen wurde. Wäre es nach ihm gegangen, hätte Oesterreich sich nicht eifersüchtig gegen seine Vorschläge gestemmt, so wäre auch Fünen in die Hände der verbündeten Armee gefallen; so blieb es bei der Besetzung Jütlands und dem Uebergange nach Alsen, der am 29. Juni erfolgte. Wir treffen Moltke, der inzwischen zum General der Infanterie ernannt worden war, danach auf den blutigen Gefilden Böhmens wieder. Am 3. Juli 1866, als ihm der große Schachzug, die drei preußischen Armeen auf einem Punkt bei Königgrätz zusammenzuführen, hier mit ihnen zu siegen und sie wiederum zu theilen, gelang, sah ich ihn zum zweiten Male in meinem Leben. In welchem Sinne Moltke den Sieg von Königgrätz auffaßte, das zeigt am besten sein Ausspruch: „Es steht zu hoffen, daß das Ergebniß dieses beispiellos schnell und glücklich verlaufenen Feldzuges eine segensreiche Zukunft für Deutschland und die heranwachsende Generation herbeiführen wird.“ Es ist das eines der geweihten Worte des großen Schlachtenlenkers und was er sagte, ist eingetroffen, freilich erst, nachdem noch mancher Tropfen edlen deutschen Blutes vergossen worden war. Groß war der Antheil, der von dem Ruhm des Krieges auf ihn fiel – und wie bescheiden blieb er!

„Ich habe eine Antipathie gegen Lobhudeleien; es macht mich für einen ganzen Tag verstimmt, so etwas zu hören,“ so sprach einst Moltke! Das Vaterland erwies sich ihm dankbar durch eine reiche Dotation, für welche er sich das Gut Creisau kaufte, dessen Beschreibung in Bild und Wort die „Gartenlaube“ im Jahrgang 1887 brachte. Dort pflegt er als einsichtiger, thätiger Landwirth einen Theil des Jahres zu verbringen, ein Fürsorger für seine Untergebenen und freundlicher Nachbar für die angrenzenden Besitzer. Da kam der Schatten, der sich unerbittlich auch auf sein Leben senkte. Als im Jahre 1868 der Weihnachtsbaum mit seinem Lichterglanz die Welt verschönte, trat der Todesengel in sein Haus und nahm ihm die Gefährtin seines Lebens, die er so sehr geliebt. Sie schlummert in dem Mausoleum zu Creisau, welches dereinst auch des Gatten sterbliche Reste umschließen soll.

Alles, was Moltke bis dahin gethan, war nur ein Vorspiel von Größerem, das er noch vollbringen sollte. Auf Frankreichs Schlachtgefilden führten Tausende und Abertausende treuer deutscher Krieger den Plan aus, den er so fein ersonnen. Und wie das Generalstabswerk des Krieges 1870/71 in der Einleitung sagt: „Zu den Aufgaben des Generalstabes im Frieden gehört es, für alle wahrscheinlichen kriegerischen Eventualitäten die Gruppirung und den Transport der Truppenmassen in detaillirter Weise zu bearbeiten und die Entwürfe dafür im voraus bereitzuhalten,“ so hat es Moltke gethan, und das Kriegsexempel, welches der große Rechenmeister im Frieden aufgestellt, es hat genau gestimmt! Am 19. August des Jahres 1870, am Tage nach der Schlacht bei Gravelotte, sah ich ihn wieder: schwerverwundet lag ich in dem Städtchen Gorze, als er an der Seite des Königs ernst, schweigend wie immer, an mir vorüberfuhr. Dann kam der große Tag von Sedan, der 2. September 1870; Frankreich lag danieder, im Schlößchen Donchery begannen die Kapitulationsverhandlungen und Moltkes eisenfestes Wort: Niederlegung der Waffen und Kriegsgefangenschaft der ganzen französischen Armee sammt den Offizieren! erschallte über das weite Erdenrund.

Und endlich – Paris gefallen, endlich der langersehnte Friede, Deutschland geeint und auf König Wilhelms Haupt die deutsche Kaiserkrone! War’s Wirklichkeit? War’s nur ein Traum? Kaum konnte man es fassen! Und doch war’s so. Das gesammte deutsche Volk hatte am großen Werke mit geholfen, doch welchen Männern der erste Lorbeerkranz gebührte, das sagten Kaiser Wilhelms Worte: „Sie, Kriegsminister von Roon, haben unser Schwert geschärft, Sie, General von Moltke, haben es geleitet, und Sie, Graf von Bismarck, haben seit Jahren durch die Leitung der Politik Preußen auf seinen jetzigen Höhepunkt gebracht.“

So sprach der Kaiser. Und was hatte er selbst zur Erhebung des Vaterlandes gethan? Davon sprach der Held nichts. Der kaiserliche Löwe mit dem weichen Kinderherzen that ja auch, wie Moltke es von sich sagte, „nur seine Pflicht.“ Der 16. Juni des Jahres 1871 brach sonnengoldig an und die Truppen zogen in die preußisch-deutsche Hauptstadt ein; da sah ich den Grafen Moltke mit dem güldenen Feldmarschallstabe wieder. „Unser Moltke“, entschlüpfte es jubelnd meinen Lippen; doch wer hörte wohl mein schwaches Wort, das Tausende und Abertausende gleichzeitig in die Lüfte riefen?

Nun kamen friedliche, wenn auch nicht weniger arbeitsame Zeiten für den kriegsgefeiten Mann. Er wurde Ehrenbürger der ersten Städte Deutschlands, Mitglied des Herrenhauses, ein neu erbautes Fort in Straßburg und eine Korvette bekamen seinen Namen, er erhielt die Kanzlerstelle des preußische Ordens vom Schwarzen Adler, begleitete den Kaiser bei jedem Manöver, reiste nach Italien, Schweden und Dänemark. Und dabei leitete er, jetzt unter der Beihilfe des Generalmajors Grafen von Waldersee, immer noch mit demselben Fleiß wie früher, die Geschäfte des Generalstabes. Er sitzt im Reichstag, meist schweigend und zuhörend, doch wenn er sich erhebt und wenn er spricht, dann lauscht jedes Ohr gespannt den ehernen Worten, die wie wohlgezielte Schwerteshiebe niederfallen. So konnte sich z. B. niemand dem gewaltigen Eindrucke verschließen, welchen die denkwürdigen Worte des greisen Feldmarschalls in der Reichstagssitzung vom 4. Dezember 1886 ausübten, mit denen er seine berühmte Rede für die Erhöhung der Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeres schloß: „Die ganze Welt weiß, daß wir keine Eroberungen beabsichtigen; mag sie aber auch wissen, daß wir das, was wir haben, erhalten wollen, daß wir dazu entschlossen und gewappnet sind!“[1]

Ein schweres Jahr für Deutschland brach herein, das Jahr 1888! Zwei Kaiser schieden, Moltke stand an zwei geweihten Grabesstätten. Er liebte beide, den heimgegangenen Vater wie den Sohn, so innig, sein Herz war mit den Entschlafenen so eng verbunden, ihr Heimgang war ein harter Stoß für den greisen Mann und er erbat sich von dem jungen Herrscher, Kaiser Wilhelm II., die wohlverdiente Ruhe. Doch Kaiser Wilhelm, und das ganze deutsche Volk mit ihm, mochten den vielbewährten Rath des Feldmarschalls Grafen von Moltke noch nicht missen; so entbürdete ihn der Monarch nur des größten Theiles seiner Arbeitslast und setzte ihn an die hohe Stelle, welche einst Kaiser Friedrich als Kronprinz eingenommen hatte, indem er ihn zum Vorsitzenden der Landesvertheidigungskommission ernannte.

Als solcher feiert der Feldmarschall Graf von Moltke jetzt sein siebzigjähriges Dienstjubiläum; wir aber rufen laut den Wunsch unserer Herzen ihm zu: „Bleib uns noch lange, was Du uns immer warst, bleib unser Moltke!“ E. von Wald-Zedtwitz.




In den Wolken.

Eine Waldgeschichte von Heinrich Noé.
(Fortsetzung.)
3.

Als am nächsten Morgen die Magd des Försters die Hausthüre öffnen wollte, um in den Stall hinüberzugehen, wo sie die Kuh zu melken hatte, fiel ihr ein großer Schneeklumpen auf den Flur herein entgegen. Beim Lichte der Laterne sah sie, daß ein Schneehügel gegen die Thüre angeweht war, welcher fast bis zur Höhe derselben hinaufreichte. Da sie hörte, daß der Eisenhans, welcher, wie alle Jäger, zu den Frühaufstehern gehörte, sich bereits in der großen Wohnstube befand, so meldete sie diese Entdeckung alsbald ihrem Herrn. Dieser aber hatte bereits wahrgenommen, was während der Nacht geschehen war, weil er neugierig nach dem Wetter geschaut hatte.

„Ein solcher Schneefall bei Bora ist mir noch nie vorgekommen, solange ich in dem vermaledeiten Loche sitze,“ antwortete er verdrießlich der Magd.


  1. Vergl. Jahrgang 1887, S. 45, der „Gartenlaube“.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_159.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)