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seinen denkwürdigen Zug machte, durch den im Süden das große Reich der Inkas zerstört wurde, wie durch Hernan Cortes im Norden das der Azteken gefallen war. Ungeheure Reichthümer, die Ergebnisse ebenso verwegener wie erfolgreicher Raubzüge, lagen hier aufgehäuft. Aber kurzsichtig suchte Spanien alle fremden Flaggen von seinen amerikanischen Kolonien fernzuhalten und lockte dadurch gerade jene kühnen Piraten herbei, welche als Flibustier, Bukkanier, Küstenbrüder die amerikanischen Meere durchschwärmten, überall brandschatzend oft tief ins Land hineindrangen und manche reiche Silbergallone wegnahmen. Der gefürchtete Morgan erstürmte 1670 Puerto Bello, drang im nächsten Jahr über die Landenge von Panama vor und machte, dabei unermeßliche Beute.

Noch immer zogen nur schmale Saumpfade durch die dichten Wälder, auf welchen mit Hilfe indianischer Träger der ganze Verkehr vermittelt wurde; aber wollte man sich nicht zur gefahrvollen Fahrt um die von Stürmen gepeitschte, in Nebel gehüllte Südspitze Amerikas entschließen, so bot die Landenge den einzigen Weg, auf welchem der ungeheure Raub des Inkareichs der alten Welt zugeführt werden konnte.

Unter dem Zauber von Gold, Silber und kostbaren Perlen blühte Panama schnell auf. Prächtige Kirchen in Porphyr, in rothem oder grünem Basalt erstanden, zahlreiche Orden schufen sich wohldotirte Klöster, eine große Stadt baute sich auf nach maurischem Muster aus Häusern, deren dicke Mauern die Hitze abhielten und in deren weiten Patios unaufhörlich rauschende Springbrunnen erfrischende Kühle verbreiteten. Seine hohen stattlichen Gebäude gaben Panama ein Ansehen, durch welches es sich wesentlich von allen andern Städten Centralamerikas unterschied, denn nur auf diesem in Centralamerika allein von der Erdbebenplage verschonten Gebiet sind solche Bauten möglich.

Aber die eifersüchtige und niedrige Politik, welche Spanien seinen Kolonien gegenüber verfolgte, und die unglücklichen Kriege mit England legten den Grund zum Ruin des damals besuchtesten Ein- und Ausfuhrhafens Westamerikas. Häufige Feuersbrünste thaten außerdem das Ihrige, aber von Grund aus zerstört wurde die Stadt durch Morgans schon erwähnten Raubzug. Indeß wurde sie bald wieder aufgebaut und zwar nun einige Meilen westwärts auf einer felsigen, leicht zu vertheidigenden Halbinsel am Fuße des Cerro Ancon.

Hier schuf der berühmte Baumeister Don Alfonso de Villa Costa einen Platz, dem an Festigkeit in Südamerika damals keiner gleichkam. Mehrere Meter dicke Mauern wurden auf drei Seiten auf dem Terrain der Ebbe gegründet, und an jedem Endpunkte erhob sich eine mächtige Bastion gegen den Ocean. Heute sind die Festungswerke unbewehrt und baufällig; zerstörend prallen die Wogen an die mächtigen Mauern; von der Brandung unterspült, von Ranken und Mauerpflanzen zerklüftet, liegen Steine und Balken zerstreut auf dem Strande, den die Ebbe periodisch freilegt. Eine einzige Bastion ist noch leidlich erhalten, und hier lustwandeln allabendlich die Kreolen und athmen in vollen Zügen die erquickende Meeresbrise ein, während sie den herrlichen Blick auf das entzückende Panorama der Reede und ihrer grünschimmernden Inseln genießen. Leider sind Miethskasernen an die Stelle der malerischen maurischen Bauten getreten, nur hier und dort geben Häuser mit steinernem Erdgeschoß und hölzernen, rings weit überstehenden Stockwerken der Stadt einen eigenartigen Anstrich.

Von den Dutzenden von Kirchen, welche die Stadt birgt und die mit ihren zugehörigen Klöstern den früheren Reichthum Panamas ahnen lassen, dienen nur noch wenige ihrer ursprünglichen Bestimmung. Die meisten Kirchen sind in Wohnhäuser umgewandelt oder in Trümmer zerfallen, die Klöster zu Magazinen oder Kasernen geworden. Aber hoch und gesund gelegen, stand Panama selbst in seiner tiefsten Erniedrigung weit über dem Fiebernest Chagres, dem Hafen der atlantischen Küste, dem die Landenge vornehmlich ihren traurigen Ruf verdankt.

An diesem von verpesteten Sümpfen umschlossenen Platze ausgeschifft, mußten die Reisenden fünf schreckliche Tage die Windungen des Chagresflusses hinauffahren; in enge Pirogen ohne Schutz gegen Regen und Sonne eingeschachtelt, kamen sie schon elend in Gorgona, dem Endpunkte der Schifffahrt, an, und um Panama zu erreichen, hatten sie noch zwanzig volle Stunden unter tausend Beschwerden des Bodens und der Witterung zu marschiren. Abends kein stärkendes Mahl, nachts kein Lager, bis auf die Haut durchnäßt und doch nicht im Stande, die Kleider zu wechseln, wie konnte ein Organismus, und war er noch so stark, diesen Angriffen widerstehen! Und dennoch begann seit Entdeckung der fabelhaft reichen Goldschätze Kaliforniens ein immer stärker anschwellender Strom von Abenteurern über den Isthmus sich zu bewegen. Führte doch damals über die weiten Prairien des „Westens“ und die schneebedeckten, rauhen Grate der Rocky-Mountains noch kein bequemer Schienenweg und waren doch die mit müder Qual über die unwegsamen Landschaften Nordamerikas hinziehenden Ochsenkarawanen nur zu häufig den mörderischen Angriffen räuberischer und grausamer Rothhäute ausgesetzt.

Freilich fehlte es auch auf dem Isthmus an solchem Gesindel nicht, sobald eine rückläufige Strömung einsetzte und glückliche Digger (Goldgräber) mit dem Erlös ihrer Arbeit in die Heimath zurückzukehren begannen. Sehr bald wurde die Straße durch Banden gefährdet, welche den Heimziehenden auflauerten und so auf bequemere Art an den kalifornischen Schätzen theilnahmen. Dies Unwesen mit der Wurzel ausgerottet zu haben, ist das Verdienst eines kaum zwanzigjährigen Amerikaners. Mit einigen kühnen Genossen drang er in die Wälder und lynchte ohne Erbarmen die Banditen, die er in ihren Schlupfwinkeln überraschte; in wenigen Monaten hatte dieser neue Herkules das Land gründlich gesäubert.

Der Verkehr über die Landenge war in dieser Zeit ungeheuer gestiegen. Während 1849 nur 800 Menschen die Straße gezogen waren, zählte man bereits im nächsten Jahr nicht weniger als 13 484 und 1851 gar 21 180 Reisende. Amerikanischer Unternehmungsgeist wußte sehr bald von den neuen Verhältnissen Nutzen zu ziehen. In New-York bildete sich eine Gesellschaft von Kapitalisten, welche zuerst sorgfältige Untersuchungen über die Ausführbarkeit einer Eisenbahn durch den Isthmus anstellte und, nachdem dieselben zur Befriedigung ausgefallen, mit der Regierung Neugranadas einen Vertrag abschloß, wonach ihr 200 000 Acker Landes an der vorgezeichneten Bahnlinie und ein Privilegium zugesprochen wurde, das die Regierung nach Ablauf der ersten 20 Jahre, von Vollendung der Bahn an gerechnet, für 5 Millionen Dollars einzulösen befugt war.

Machte sie von diesem Rechte keinen Gebrauch, so sollte das Privilegium auf weitere zehn Jahre verlängert werden. Nach Ablauf dieser zweiten Frist sollte die Regierung die Bahn für 4 Millionen, und nach Ablauf einer dritten gleich langen für 2 Millionen Dollars einlösen können. Aber bei dem politischen Zustand des Landes war von vornherein nicht zu erwarten, daß die Regierung das Geld je für die Ablösung werde aufbringen können, und bis dahin war die Gesellschaft unter den Schutz der Vereinigten Staaten gestellt. Bemerkenswerth ist noch, daß die Gesellschaft das Monopol des Transits über den ganzen Isthmus, also auch die Entscheidung über die Kanalfrage, für sich in Anspruch nahm.

Die Bahnlinie begann bei der Stadt Panama; zum Endpunkt wählte man nicht das ungesunde Chagres, sondern die Manzanillo-Insel in der Navybai, wo dann der Ort Aspinwall entstand, so getauft nach einem der Mitglieder des Konsortiums. Doch hat dieser Name in neuerer Zeit mehr und mehr der Bezeichnung Colon Platz machen müssen. Manzanillo ist ein gehobenes Riff von Madreporenkorallen, zum großen Theil von einem Sumpfe erfüllt, aus dem sich das Geripp einer riesigen Mangrove erhebt, deren vielverzweigte Wurzeln einen willkommenen Ruhesitz für die zahlreichen Geier bilden, welche die sonst von niemand geübte Wegereinigung in dankbarer Weise übernehmen. Die ganze Insel ist nackt und kahl, doch hat man mit großer Mühe an der im amerikanisch-englischen Stil aus rothem Porphyr erbauten Kirche, am Bahnhof und am Leuchtthurm einige Kokospalmen groß gezogen und rings um die Insel zieht sich eine schöne von der Eisenbahngesellschaft angelegte Promenade.

Die mit Balkonen und Veranden geschmückten Häuser der Bahnbeamten, Kaufleute, Agenten erbaute man auf der festen und trocknen Nordwestspitze der Insel, dahinter in den Sumpf hinein erstrecken sich, auf Pfählen oder fragwürdigen Erdaufschüttungen ruhend, Magazine, Quais, der Bahnhof und die ganze elende Ansammlung von Hütten und Buden, deren hauptsächliches Material alte Kisten und Lianen bilden, die Wohnungen der zahlreichen Schwarzen und Braunen. Zwischen beiden Theilen der Stadt sind zur besseren Drainirung zwei große Teiche gegraben worden, welche das Meer und die gleichfalls als Unrathsvertilger verdienstvollen Alligatoren einlassen. Hier erhebt sich, durch eine leider

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verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1889, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_059.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)