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verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Stadtmission, Prinzen von königlichem Geblüt interessirten sich für die Sache. Anfangs waren die Straßenprediger gutbesoldete anständige Reverends in schwarzen Röcken und mit weißen Kravatten, die zum Theil sogar einen Jungen mit sich führten, der ein leichtes Pult und eine schwere Bibel trug, und die Sache hatte Schick und Art. Später aber wurde die Bewegung immer mehr verwahrlost; neben den bestellten Missionären begannen unberufene Prediger zu wirken, die nicht immer in der erbaulichsten Weise das Wort Gottes verkündeten. Die Reverends zogen sich allmählich zurück und ihre Stelle nahmen ruppige Gesellen ein, die von Salbung troffen, aber auch gleichzeitig nach Gin dufteten. Bald fanden sich Mitternachtsprediger ein, die mit allen Regeln der Grammatik auf gespanntem Fuße lebten, und sie wurden für die Mehrzahl der Passanten eine Quelle der Erheiterung. Nun mischte sich auch bisweilen die Polizei ein. Jeden Montag stehen einige Straßenprediger als Urheber von Straßenaufläufen und Verkehrsstockungen vor dem Polizeirichter. Die Praxis, die man ihnen gegenüber befolgt, ist eine sehr verschiedene. Manche Richter ertheilen dem Policeman für seinen Diensteifer am unrechten Orte einen scharfen Verweis und entlassen den Prediger mit Lobsprüchen; andere, in denen der Ordnungssinn stärker ist als die Frömmigkeit, drohen mit einer empfindlichen Strafe bei abermaliger Verkehrsstörung in den Straßen. Einmal wurde indeß auch ein unglücklicher Straßenprediger zu vierzehntägiger Haft verurtheilt; doch in diesem Falle ging die Aussage des Policeman dahin, der fromme Cityapostel habe sehr geschwankt, stark nach Weingeist geduftet, sei wiederholt zu Boden gefallen und habe einem ältlichen Zuhörer, der einen Zweifel an der Richtigkeit der vom Redner beliebten Eintheilung der Teufel in drei Hauptklassen ausdrückte, einen heftigen Faustschlag aufs linke Auge versetzt.

Das erzählt Max Nordau in seinen geistreichen Reiseskizzen „Vom Kreml zur Alhambra“, von denen soeben eine dritte Auflage erschienen ist (2 Bde. Leipzig, Elischer Nachfolger).

Königin Luise mit den Prinzen Friedrich Wilhelm und Wilhelm im Schlosse Sanssouci. 1806. (Mit Illustration S. 25.) Ein Bild des reinsten Familienglückes im fürstlichen Saale führt uns hier der Künstler vor. Die junge schöne Mutter unterbricht einen Augenblick den angefangenen Brief und wendet sich den beiden kleinen Kriegern zu, die in diesem Augenblick, unter dem Schutz der schwarzweißen Fahne, den Untergang der feindlichen Macht vorbereiten. Eifrig visirt Kronprinz Friedrich Wilhelm und voll Spannung erwartet der kleine Prinz Wilhelm die verheerende Wirkung des Geschosses. Mit dem Blick beglückter Mutterliebe ruhen Luisens schöne Augen auf ihren Söhnen, aber ein gedankenvoller Ernst liegt über ihrem Angesicht. Die Hand hat die Feder nicht niedergelegt – war diese vielleicht eben beschäftigt, dem fernen Vater die täglich ernster werdende Lage des jungen Königspaares zu schildern, die von Tag zu Tag unausweichlicher werdende Kriegserklärung gegen den gehaßten und gefürchteten Imperator, der gleich einem blutigen Meteor im Westen aufgegangen war und Tod und Verderben über Fürsten und Völker brachte? Wohl hatte sie Ursache zur bangen Sorge, die edle Königin, denn immer drohender sammelten sich die Wolken und bald war das heitere Leben in Sanssouci zu Ende, wo die Knaben zu ihren Füßen spielten, wo sie abends mit ihnen und dem König übers Wasser schiffte, um im Freien ein ländliches Mahl zu genießen. Die unglückliche Schlacht von Jena machte sie alle zu Flüchtlingen. Erst in Königsberg, dann an der äußersten Ostgrenze des verlorenen Reiches, in Memel, unter harten Entbehrungen lebte das Königspaar mit seinen Kindern, und hier war es, wo die herrliche Frau mit ihrem begeisterten Herzen und unerschütterlichen Gottvertrauen den König oft an der Grenze der Verzweiflung aufrecht erhielt. Wie eine Lichtgestalt steht sie auf dem Hintergrunde ihrer Zeit, des moralischen und materiellen Elends, sie, die mit hohen Geistesgaben eine Charakterstärke vereinigte, die damals in Deutschland ein seltenes Gut geworden war.

Die Perchtlnacht in den österreichischen Alpen. Die Göttin Freya der nordischen Mythologie lebt in der poesievollen Sagenwelt der österreichischen Alpenländer in der Gestalt der Frau Percht oder Perchtl fort; ihr ist die Nacht vom 5. auf den 6. Januar, die Dreikönigsnacht, geweiht. In dieser Nacht zieht sie im Gebirge umher, meist begleitet von einer großen Schar kleiner Kinder, die ungetauft gestorben sind. Die guten Menschen, welchen die Percht auf dieser nächtlichen Wanderung begegnet, beschenkt sie reichlich, die bösen aber zerreißt sie. Die Mythen der Aelpler bezeichnen dieselbe als eine freundliche stattliche Frau mit sehr langer Nase, auf der ein zirpendes Heimchen sitzt. Eine der schönsten Perchtl-Sagen ist jene von dem Kinde mit dem Thränenkrüglein. Es lebt der Glaube im Alpenvolke, daß man den Todten nicht nachweinen solle, da jede Thräne, die man der Verstorbenen wegen vergießt, denselben Schmerz bereitet und ihnen im Grabe keine Ruhe gönnt. Die kleinen Kinder, die ungetauft gestorben sind, müssen die Thränen ihrer auf Erden zurückgebliebenen Angehörigen in ein Krüglein sammeln, das sie mit sich umhertragen, wenn sie mit der Frau Prechtl wandeln. Einst wollte eine Mutter ihr verstorbenes Mägdlein in der Perchtlnacht sehen und ging in derselben über die Berge. Wirklich begegnete sie auch dem langen Zuge der Kinder. Sie sah auch ihre zarte schwächliche Kleine, welche mühsam einen großen mit Thränen vollgefüllten Krug vor sich her schleppte. „Mutter, liebe Mutter“ rief ihr das Kind zu, „weine nicht mehr um mich; denn alle Deine Thränen muß ich in diesem Krüglein auffangen und umhertragen und ich kann’s nicht mehr, das Krüglein ist schon so schwer.“ Da sagte die Mutter: „Ich will nicht mehr weinen, mein Herzchen.“ Nun lächelte die Kleine und verschwand. Frau Percht aber meinte: „Du hast deinem Kinde einen Namen gegeben und nun ist es erlöst.“

Freude an Blumen. Von Darmstadt ist vor wenigen Jahren eine Neuerung ausgegangen, welche eine weitere Verbreitung verdient: das Abgeben von Zimmerpflanzen an Arbeiterfamilien. Dieses eigenartige gemeinnützige Unternehmen besteht, wie uns aus Karlsruhe berichtet wird, darin, daß man an Arbeiterfamilien im Frühjahr junge Topfpflanzen zu dem billigen Preise von 10 Pfennig für das Stück abgiebt und im Herbst eine Ausstellung veranstaltet, auf welcher die am besten gepflegten Pflanzen prämiirt werden, und zwar wiederum durch Abgabe von Topfpflanzen. Zur Vertheilung gelangen leicht wachsende und willig blühende Arten, wie Geranien, Fuchsien, Heliotrop und Begonien. Jede Pflanze ist mit einer Plombe versehen, um sie als Gabe des Vereins bei der Spätherbstausstellung wiederzuerkennen. Außerdem wird dem Empfänger der Topfpflanze eine kurze, aber sehr klar abgefaßte Anleitung zur Pflege der Zimmerpflanzen mitgegeben.

In Darmstadt und in Karlsruhe befassen sich mit diesem eigenartigen Unternehmen die Gartenbauvereine. Welchen Zweck erreicht man damit? Materielle Vortheile sollen die betreffenden Arbeiterfamilien dadurch nicht erringen, diese Neuerung hat lediglich eine ethische Wirkung.

Reine Freuden erhöhen unsern Muth im täglichen Lebenskampf und zu den reinsten Freuden gehört ohne Zweifel das Verfolgen der schaffenden Natur. Die Betrachtung der wachsenden, knospentragenden und endlich blühenden Pflanze, das Bewußtsein, daß sie auch ein Kind unserer Pflege ist, erfüllt uns mit einer stillen Zufriedenheit. Der Landwirth empfindet dieses Gefühl oft genug, dem städtischen Arbeiter soll es gleichfalls nicht fehlen. Er kehrt von der Arbeit in sein Heim zurück, er ist abgespannt und müde, ein leiser Verdruß beherrscht seine Stimmung; da fällt sein Auge auf seine grünenden und blühenden Pfleglinge und seine Stimmung wird heiterer, zufriedener. Das ist der magische Einfluß der Blumenpflege auf Herz und Gemüth. Viele in besser situirten Ständen kennen ihn aus eigener Erfahrung. Daß er auch bei dem einfachsten Manne in dem steinernen Häusermeere der Großstadt zur Geltung kommen kann, beweisen uns die Erfolge, die mit jener Abgabe von Topfpflanzen erzielt wurden. Nicht mit Unrecht hat man dieses Vorgehen ein wenn auch nur bescheidenes Stück praktischer Socialpolitik genannt. Es verdient die Beachtung wirklicher Volksfreunde und eine rege Nachahmung. *

Dr. Emin Paschas naturwissenschaftliche Sammlungen. Welche Dienste Dr. Schnitzer trotz der Gefahren, die ihn umgeben, der Wissenschaft geleistet hat, dürfte am besten aus seinen zoologischen Sendungen zu ersehen sein. Die Zahl der Vogelbälge, welche die Museen in Wien, Bremen und London von ihm erhalten haben, beträgt bereits über zweitausend. Die letzte Sendung ist am 28. November 1886 in Wadelai abgegangen und gelangte Ende 1887 nach London. Die Bälge sind nicht allein vortrefflich präparirt, sondern für die Wissenschaft auch dadurch besonders werthvoll, daß den einzelnen Stücken genaue Angaben über Geschlecht, Fundort, Zeit der Erlegung und Lebensgewohnheiten der betreffenden Vögel beigegeben sind. Außer den Vogelbälgen enthalten die Sendungen noch zahlreiche Säugethiere, Mollusken, Reptilien, Schmetterlinge und Käfer. Eine Anzahl von Forschern hat bereits den größten Theil dieser Sendungen bearbeitet und werthvolle Aufschlüsse über die afrikanische Fauna erhalten. *

Scherz-Bilder-Räthsel.

Kleiner Briefkasten
(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)

A. D. in L. „Papa, meine Stiefel sind schon wieder durch!“ Sie beschweren sich, daß Sie allzu oft mit diesem Ausrufe erfreut werden, und verlangen von uns die Angabe eines Mittels, um das fatale Schuhwerk dauerhafter zu machen. Da es ein solches in der That giebt und es wohl für alle größeren Familien, in denen das Schuhwerk eine beträchtliche Ausgabe erfordert, von Interesse sein dürfte, führen wir es hier an: „Neues Schuhwerk,“ wird uns von sachverständiger Seite geschrieben, „hält fast noch einmal so lange Zeit, als es sonst halten würde, wenn man die Sohlen desselben so lange mit gekochtem Leinöl einreiht, als letzteres noch vom Leder eingesogen wird; das Oberleder hingegen reibe man mit warmem Ricinusöl ein. Das Ricinusöl füllt nicht nur die Poren des Leders aus, sondern macht dasselbe auch weich, geschmeidig und wasserdicht. – Ricinus- und Leinöl, von denen man zum Konserviren des Schuhwerks nur geringe Mengen braucht, sind billig zu beziehen, so daß sich diese Öle zur Präparirung des Leders wohl empfehlen.“

Frau Professor B. in K. Wir empfehlen Ihnen Hoffmanns Haushaltungsbuch, dessen praktische und leicht faßliche Einrichtung darauf angelegt ist, eine statistische Uebersicht über die Ausgaben für einzelne Zweige der Haushaltung zu geben.

B. H. in Chemnitz. Die Erzählung „Josias“ von Fanny Lewald ist bereits vor mehreren Monaten in Buchform erschienen und zum Preise von 4 Mark elegant gebunden in den meisten Buchhandlungen zu haben.


Inhalt: Lore von Tollen. Roman von W. Heimburg (Fortsetzung). S. 21 – Ha–a–derlump! Illustration. S. 21 – Die schwarze Kunst des 19. Jahrhunderts. Von Maximilian Harden. S. 26. – Alles verschneit. Gedicht von Anton Ohorn. S. 28. Mit Illustration S. 29. – Die Vermählung der Todten. Von Isolde Kurz (Fortsetzung). S. 28. – Lebensgefahr im eigenen Hause. Von C. Falkenhorst. S. 32. Mit Abbildungen S. 34 und 35. – Griechische Braut. Illustration. S. 33. – Blätter und Blüthen: Mitternachtsprediger. S. 35. – Königin Luise mit den Prinzen Friedrich Wilhelm und Wilhelm im Schlosse Sanssouci. 1806. S. 36. Mit Illustration S. 25. – Die Perchtlnacht in den österreichischen Alpen. S. 36. – Freude an Blumen. S. 36. – Dr. Emin Paschas naturwissenschaftliche Sammlungen. S. 36. – Scherz-Bilder-Räthsel. S. 36. – Kleiner Briefkasten. S. 36.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaklion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1889, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_036.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)