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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

der Welfen, mit deren Vortheilen sich die der Hohenstaufen dermaßen kreuzten, daß dadurch der Knoten zu den verwickeltsten Kämpfen, welche lange Zeit den Vordergrund der deutschen Geschichte bilden, geschürzt wurde. Aus so kleinem Anfang, aus so bescheidenem Besitz erwuchs das berühmte Geschlecht. Seit Jahrhunderten schon saßen die großen alten alemannischen Fürstengeschlechter auf den Bergen und Burgen Schwabens, und seit Jahrhunderten schon gaben diese Fürstengeschlechter den deutschen Kaiserhäusern ihre Töchter, so besonders die Welfen – die Herren von Büren aber saßen fast in der Tiefe auf dem Rest einer römischen Erdverschanzung auf engen Burgmauern, sie werden in keiner Urkunde genannt. Das sind neue Männer gewesen, diese freien Herren von Büren, daher auch der ingrimmige Haß der alten Fürstengeschlechter, besonders der Welfen, auf die Emporkömmlinge, die so rasch und glänzend aufstiegen, freilich um nach beispiellosem Siegesgang jäh hinabzusinken und auszulöschen in der Nacht. – Aber die Gedanken der Hohenstaufen sind unsterblich; sie werden unsere Nation überdauern. Ihr Wesen wirkt fort, rein geistig – und damit stimmt wunderbar die jetzige Erscheinung des Hohenstaufenberges, von dem längst das letzte Mauerstück heruntergebröckelt. Durchaus kahl, aber in den edelsten Umrissen steigt der hünengrabähnliche Berg über die Wälder und Schluchten empor. Um sein weltgeschichtliches Haupt schweben die Wolken und schwirren die Lieder der schwäbischen Dichter in trüben und kühnen Accorden:

„Es steht in stiller Dämmerung
Der alte Fels, öd’ und beraubt,
Nachtvogel kreist in trägem Schwung
Wehklagend um sein moosig Haupt.“
 Justinus Kerner.

In die alte Zeit sich zurückversetzend, singt Ludwig Uhland:

„O denk’ an jenen Berg, der hoch und schlank
Sich aufschwingt, aller schwäb’schen Berge schönster,
Und auf dem königlichen Gipfel kühn
Der Hohenstaufen alte Stammburg trägt!
Und weit umher, in milder Sonne Glanz,
Ein grünend fruchtbar Land, gewundne Thäler,
Von Strömen schimmernd, heerdenreiche Triften,
Jagdlustig Waldgebirg und aus der Tiefe
Des nahen Klosters abendlich Geläut.“

Hinter dem Staufen sind noch zwei freistehende Berge, der Rechberg und der Stuifen, letzterer ganz schmal und kahl und nie von einer Burg besetzt. Auf dem Hohenrechberg aber steht bei alten Linden eine Wallfahrtskirche und auf seinem felsigen gegen Westen heraustretenden Vorberge liegen die Trümmer der Burg Rechberg; – sie stand unversehrt bis zum 6. Januar 1865, damals fuhr ein Blitzstrahl in das Schloß, daß sein Holzwerk zusammenbrannte.

Burg Rechberg.

Von der herrlichen Kaiserburg des Hohenstaufen ist kein Stein übrig geblieben; kaum ein Baum wächst um den Gipfel, aber gerade deshalb steigt erhaben groß der Berg über das grüne Land, über die lachenden, mit Städten, Dörfern, Weilern, Kapellen, Schlössern und Kirchen besetzten vielgefächerten Obstbaumthäler. – Und in blauer Ferne hinter ihm und den andern großartigen Albbergen glänzt zackig die siebenthürmige Burg des neuen Kaisergeschlechtes – der Zollern – herauf.

Die Hohenstaufenburg stand aufrecht bis zum Jahre 1525, dem Jahre des Bauernkrieges. Damals kamen die aufrührerischen Ellwanger und Schenk-Limpurger Bauern das Remsthal herunter und lagerten am Fuße des Hohenstaufen. Die Besatzung desselben bestand nur aus 32 Mann. Die Zahl der Bauern war auch nicht groß, aber der Ueberfall geschah bei Nacht. Da warfen die Wächter die Schlüssel von der Zinne und verbargen sich dahin und dorthin. So ward die ehrwürdige Burg 450 Jahre nach ihrer Erbauung von den wilden Horden eingenommen, geplündert und verbrannt. Lange noch standen Trümmer davon. Der Tübinger Humanist Martin Crusius, der dieselben im Jahre 1588 besuchte, beschreibt sie folgendermaßen:

„Wenn man bei dem Thor hineingegangen ist, siehet man nun zwei Theile des Schlosses, den einen zur Rechten, den andern zur Linken. In dem zur Rechten ist heutiges Tages kein Gebäude, außer ein Stück von einer Mauer, deren Länge und Breite ungefähr 46 meiner Schritte. In dem Eck rechts vom Thor, das gegen das unten gelegene Dorf Staufen sieht, ist eine Kapelle gewesen. In dem Eck links, nicht weit vom Thor, steht ein Brunnen, jetzt mit Steinen gefüllt. Der andere Theil des Schlosses ist 60 Schritt lang und 40 breit. Also ist die Länge des ganzen Schlosses 106 meiner Schritte. Im zweiten Theil steht ein Thurm, welcher damals noch 52 Schuh hoch war und der Mannsthurm genannt ward, in welchen man die Gefangenen legte. Er hatte nur von oben, nicht von unten den Eingang. Neben war die Wohnung des Frauenzimmers. Allda war auch unter der absondernden Mauer ein Weinkeller, welcher mit Steinen schier angefüllt ist. Ich wollte hineinkriechen, konnte aber nicht. Es sind Bäume dabei. Ganz im Eck steht der Bubenthurm. Unten ist eine Höhle, das Heidenloch genannt. Die Mauer, welche das ganze Schloß umfaßt, ist beinahe 7 Schuh dick, an einem Ort höher, am andern niederer, weil viel davon eingefallen oder hinweggeführt worden. Das fürnehmste an der Mauer sind die Quadersteine, welche an allen vier Seiten behauen worden, sodaß das mittlere Viereck über die vier Nebenseiten hinfürgehet (sogenannte Buckelsteine). Die Steine sind noch roth von dem Brande, da die Bauern das Schloß angesteckt. Man kann auf der Mauer umher gehen, und wer ein scharf Gesichte hat, der sieht da bis an den Rhein. – In allen Theilen des Schlosses ist kein Bildniß, keine Inschrift, kein Wappen, keine Farbe mehr. Alles ist durch Feuer, Regen oder böse Zeiten ausgetilgt. Was ein schöner Körper war, ist jetzt nur ein Beingerippe. – Der Schultheiß ackert in dem inneren Hof und säet Frucht darauf.“

Auch das Dorf Staufen, das an der Südwestseite auf halber Höhe des Berges liegt, bewahrt nichts mehr aus der alten Kaiserzeit; das Kirchlein, in das Kaiser Barbarossa eingetreten sein soll, stammt höchstens noch in den Grundmauern aus dessen Zeit.

Das Kaiserschloß der Staufen ist von der Erde verschwunden, aber noch blüht das Land wie ehemals und auch vom nahen Kloster Lorch, der hohenstaufischen Grablege, stehen noch bedeutende Reste. Nur eine starke Stunde nördlich vom Fuß des Hohenstaufen, im grünen Remsthale, trägt heute noch der waldige Klosterberg auf seinem flach abgeschnittenen Scheitel die Mauern des vom Hohenstaufen Friedrich I., Herzog von Schwaben, im Jahre 1102 gestifteten Benediktinerklosters. Noch steht, jetzt wieder hergestellt, die alte Klosterkirche, in deren Felsengrüften Friedrich I., die griechische Kaiserstochter Irene und andere Mitglieder des staufischen Hauses ruhten. Wieder steigt jetzt einer der uralten Rundthürme der Kirche, bis zur Spitze seines Kegeldaches gediegen von Stein, hochauf, in unseren Tagen auf Staatskosten wieder hergestellt nach Entwürfen des Baurath Berner. Der andere Thurm stürzte schon im 15. Jahrhundert zusammen. Noch führt im Westen durch die starke Ringmauer das weite mit normannischem Zickzack umfaßte Rundbogenthor. Diese Grablege der Hohenstaufen ruht gleichfalls auf den Trümmern eines Römerkastells. Ueber das Westportal der Kirche legt sich heute noch als Oberschwelle ein langes antikes Gebälkstück mit einer jetzt ganz verwaschenen römischen Kaiserinschrift. Die Kirche selbst des ehemaligen Benediktinerklosters ward erbaut seit 1102 als

schlichte dreischiffige, gegen Osten mit breitem Querschiff versehene

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_010.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)