Seite:Die Gartenlaube (1889) 008.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Die Wiege und das Grab der Hohenstaufen.

Von Eduard Paulus. Mit Illustrationen von R. Stieler.

Linde bei Kloster Lorch.   Der Hohenrechberg.   Der Hohenstaufen.

Als breiter, mäßig hoher Gebirgswall zieht sich durch das Schwabenland von Südwesten nach Nordosten die Schwäbische Alb, das Mittelglied jenes vom Rhonethal bis an das Fichtelgebirge in Bayern quer durch Mitteleuropa streichenden Kalksteingebirges, im Süden von der Donau, im Norden vom Neckar bespült. Es ist ein acht bis zehn Stunden breites Kalksteinplateau, von Höhlen durchlöchert, durchrissen von tiefen malerischen, mit prachtvollen Buchenwäldern bedeckten Felsthälern, im Süden sich sanft gegen die Donau senkend, am steilen gegen den Neckar abstürzenden Nordrand besäumt von frei vortretenden Bergen. Schon von ferne gesehen, giebt dieser Nordrand der Schwäbischen Alb landschaftlich einen schönen und bedeutsamen Hintergrund. Der von Thälern und Schluchten vielfach zernagte Steilrand ist mit Wald bedeckt oder kahl, nur mit magerer Heide; oben und in der Mitte der Abhänge steigen weiße weithin sichtbare Kalkfelsen, Ruinen gleichend, empor oder senkrechte Abstürze schauen wie Schneeflächen hinab in das Land. Auf all diesen seltsam schön geformten Vorsprüngen, sowie fast auf allen Vorbergen und Vorhügeln schuf sich der Mensch seit urältester Zeit feste Wohnsitze; es sind Berge von großer geschichtlicher Vergangenheit, zwei davon wirkten weit über Deutschland hinaus, der Hohenstaufen und der Hohenzollern, dieser näher dem Schwarzwald, jener mehr gegen Bayern zu gelegen.

Der Hohenstaufen ist nicht der höchste (sein Scheitel liegt 683 Meter über dem Meer), aber durch seine Lage weitaus der wichtigste Berg des Schwabenlandes; so recht im Herzen desselben steigt er auf, von seiner Stirn einen Umblick bis an die fernsten Gebirge gestattend, an den Odenwald, Schwarzwald, die Vogesen und bei ganz hellem Himmel an die Alpen, dazu aber über das ganze Berg- und Hügelgewirr des schwäbischen Landes. Zwei der begangensten Thäler, uralte Völkergassen, liegen ihm zu Füßen, im Norden das Remsthal, das ebenen Eintritt von Osten, vom Ries her ins Neckarthal gewährt, im Westen das Filsthal, als nächste Verbindung zur Donau.

Kein Wunder, daß schon die Römer, nachdem sie im ersten Jahrhundert n. Chr. das Schwabenland besetzt hatten, den bereits von den Urvölkern zum Opfer- und Vertheidigungsplatz erkorenen Berg Hohenstaufen (Staufen bedeutet soviel wie Becher: der Berg hat die Form eines umgestürzten Bechers), zum Angel- und Mittelpunkt ihrer großartigen Grenzwehren machten. Vom Staufen aus gehen beide Grenzwehren, die eine nordwärts über Odenwald, Taunus etc. bis Neuwied am Rhein, die andere ostwärts über Gunzenhausen bis Kellheim an der Donau, auf lange Strecken schnurgerade sich hinziehend. Man mag auf diesen beiden Linien noch so weit fortschreiten, immer wieder sieht man von ihnen aus des Hohenstaufens blaues Haupt am Himmel aufsteigen. Beide Grenzwehren sind in ihren Trümmern noch erhalten, mit Wachhäusern, Wachthürmen, Castellen und Burgställen und geben heute noch Zeugniß davon, wie gewaltig der Ansturm der Germanen und wie gewaltig und zäh die Vertheidigungskunst des Römerreiches gewesen.

Beide Grenzwehren beginnen in der Nähe des Nordfußes des Staufens; das nächste noch erhaltene römische Castell liegt nur eine halbe Stunde nördlich vom Staufen, der sogenannte Burglauch, und unweit östlich davon, vorgeschoben an den Rand einer Thalschlucht, liegt das Wäscherschloß – ein zwiefach mit Wall und Graben aus der tief unter dem Scheitel des Staufens liegenden Hochfläche herausgeschnittenes (ohne Zweifel auch römisches) Erdwerk, jetzt mit den uralten Mauern einer kleinen verlassenen Burg, fast verdeckt von den Bäumen des Waldes.

Hinter diesen Mauern saß im Anfang des elften Jahrhunderts Friedrich von Büren, ein freier Herr, dessen Besitz in engen Grenzen in der Nähe seiner Burg eingeschlossen sein mochte. Sein Vater hieß gleichfalls Friedrich und dessen Schwester Bertha war die Mutter des Grafen Berthold von Villingen in der Baar. Friedrich von Büren selbst war an die im Elsaß reich begüterte Hildegard verheirathet. Der Sohn beider, Friedrich von Büren, verlegte seine Burg auf den Scheitel des nahen Hohenstaufenbergs, sich Friedrich von Hohenstaufen nennend, und erhielt im Jahre 1079, an Ostern, von Kaiser Heinrich IV. das Herzogthum Schwaben, bald darauf die Hand der einzigen Tochter des Kaisers, Agnes. Damals habe der Kaiser, schreibt Otto von Freising, zu Friedrich also geredet:

Wäscherschloß.

„Wackerer Mann, den ich mir immer im Frieden als den treuesten, im Krieg als den tapfersten erprobt habe, du siehest, wie die heiligsten Rechte zu Boden getreten sind, wie durch des Teufels Eingebung empörerische Verbindungen eidlich beschworen werden, und weißt, daß alle Gewalt von Gott ist, und daß der göttlichen Ordnung widerstrebt, wer sich der obrigkeitlichen Gewalt widersetzt. Umgürte dich also mannlich zur Niederkämpfung der Reichsfeinde! Um dir zu zeigen, daß ich deiner Verdienste nicht uneingedenk bin und daß ich dir auch künftig dankbar sein will, gebe ich dir meine einzige Tochter Agnes zum Weibe und das Herzogthum Schwaben zur Mitgift.“

Achtundfünfzig Jahre, bevor ein Glied der Staufen deutscher König ward, wurden sie so unter die deutschen Fürstenstämme als ein neuer Sproß eingesetzt, hauptsächlich auf Kosten

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_008.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)