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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

erkrankten Kindern vier Wochen, Kindern, welche von Scharlach, Diphtherie und Pocken befallen wurden, sechs Wochen nicht gestattet. Alle schulpflichtigen Kinder aus solchen Wohnungen haben durch ein ärztliches Zeugniß nachzuweisen, daß sie die Ansteckung nicht übertragen, sonst müssen sie die gleiche Zeit die Schule meiden.“ Bei Masern hat, wie wir sahen, der Besuch der Schule von Geschwistern, wenn sie selbst die Krankheiten überstanden haben, keine Gefahr, und mit Recht fordern auch neuerdings einige Städte dann keine ärztlichen Zeugnisse; der größte Nachtheil für die Schule kann aber bei Scharlach und Diphtherie sowie Pocken erwachsen und bei richtigen Fällen sollten die Geschwister vor Ablauf der gesetzlichen Frist nicht zur Schule geschickt werden.

Die Ansteckung geschieht am seltensten durch das Aufhalten in der Wohnung des Kranken, sondern entweder dadurch, daß die Geschwister, von ganz leichten, kaum bemerkbaren Anfällen, mit welchen sie ausgehen können, heimgesucht, auf gleiche Weise wie ein schwerer erkranktes Kind die Ansteckung vermitteln, oder daß sie Bücher oder Gegenstände der Erkrankten aus Zufall mit in die Schule hereinbringen.

Merkwürdigerweise hat die Mehrzahl der Schulgesetze keine Rücksicht auf das Verhalten der Lehrer genommen, falls in ihrer eigenen Familie ein derartiger Krankheitsfall ausbricht. Bei Masern ist auch hier nur geringere Vorsicht anzuwenden; Scharlach, Diphtherie und Pocken erfordern dagegen einen Ausschluß aus der Schule während sechs Wochen; die größte Vorsicht ist außerdem nothwendig, Besuche von Schulkindern sind nicht zu gestatten, Bücher nicht in dem Krankenzimmer zu korrigiren. Auch sollten die Wohnungen der Schulwärter wegen etwa vorkommender ansteckender Krankheiten in der eigenen Familie einen nicht in den allgemeinen Schulvorsaal mündenden Eingang besitzen und die Lehrer- und Direktorialwohnungen möglichst aus dem Schulgebäude entfernt werden. Erfährt der Lehrer die ansteckende Krankheit eines seiner Klassenkinder, so warne er die Kinder, ohne die Krankheit zu nennen, ihren Mitschüler während der nächsten Zeit zu besuchen, und beobachte die bisherigen Nachbarn des Erkrankten wegen einer etwa stattgefundenen Ansteckung.

Von sonstigen Krankheiten, die Beachtung verdienen, sind in Kürze nur zu erwähnen die verschiedenen ansteckenden Hautausschläge; besonders einige Flechten des behaarten Kopfes, welche durch einen pflanzlichen Parasiten verursacht werden, übertragen sich in einem hohen Grade auf andere Kinder. Es ist nicht Sache des Lehrers, hier weitere Untersuchungen anzustellen, aber wegen der Gefahr der Ansteckung und des Ekel erregenden Ausschlages kann die Fortsetzung des Schulbesuches erst nach der Abheilung stattfinden. In dieses Gebiet wird die Krätze mit eingeschlossen, deren sichtbare Zeichen nur in einem Ausschlage der Haut beruhen, welcher mit anderen gerade bei Kindern vorkommenden oft solche Aehnlichkeit besitzt, daß der Lehrer sie nicht mit Sicherheit unterscheiden kann.

Von plötzlich auftretenden Krankheiten verursachen Ohnmachten und Krämpfe am häufigsten ein Einschreiten seitens des Lehrers. Man lege die davon befallenen Kinder platt auf den Boden, befreie sie von beengenden Kleidungsstücken und sprenge ihnen etwas kaltes Wasser ins Gesicht; das Aufbrechen der eingekniffenen Daumen ist zu unterlassen. Oefter auftretende epileptische Krämpfe gebieten das Unterlassen des Schulbesuches wegen des nachteiligen Eindruckes auf die Mitschüler. Das Gleiche gilt von dem Veitstanz, denn hier liegt besonders bei Mädchen die Gefahr der Nachahmung sehr nahe. Der Lehrer erkennt diese Krankheit durch die unruhigen Bewegungen des Kindes: die Muskeln des Gesichtes zucken, es finden fortdauernde, nicht gewollte Bewegungen der Hände und Füße statt, so daß das geforderte Stillsitzen und -Stehen trotz der größten Mühe nicht zu ermöglichen ist.

Nasenbluten kommt fast immer von selbst zum Stillstand; bei häufigerer Wiederholung sind die Eltern davon in Kenntniß zu setzen, weil dann der Grund zumeist in Blutarmuth und allgemeiner Schwäche des Kindes zu suchen ist. Auch der häufig auftretende Kopfschmerz entsteht fast immer durch Blutarmuth des Gehirns, nur selten kommt er durch das Gegentheil, Blutüberfüllung des Kopfes, zum Vorschein.

Diese chronischen Erkrankungen des Gesammtorganismus, Blutarmuth, blasses Aussehen und allgemeine Schwäche, finden besonders in zwei Perioden statt: die erste kurz nach dem Eintritt in die Schule ist nur von kurzer Dauer und wird bald überstanden. Der Lehrer bemerkt, daß das frisch und gesund in die Schule eingetretene Kind blässer und fettärmer wird, ohne daß dabei die Freude und Kraft zur Arbeit leidet. Die Ursache ist in der vollkommen veränderten Lebensweise, dem Stillsitzen, der Klassenluft und der geistigen Anstrengung zu suchen. Das Wohlbefinden der Kinder erfordert es dringend, daß ihnen in jeder Zwischenstunde vollständige Freiheit gelassen und nicht, wie es leider manchmal geschieht, das Verlassen des Platzes verboten wird. − Von größerer Wichtigkeit ist die zweite Periode, welche bei Mädchen im zwölften bis vierzehnten Jahre, bei Knaben zwischen dem vierzehnten und siebzehnten Jahre eintritt. Hier bedingen die Wachsthumsvorgänge die Veränderungen. Bei Mädchen tritt oft Bleichsucht mit Vergrößerung der Schilddrüse (Kropf) ein, bei Knaben äußert sich der Zustand weniger im Aussehen als in der geistigen Schlaffheit, welche vom Lehrer oft als Trägheit gedeutet wird. Die Vergleichung mit dem früheren Zustande, die größere geistige Frische nach den Ferien, der Wechsel zwischen gut und schlecht kann den Lehrer jedoch auf die richtige Ursache hinleiten, und gerade diese Schüler erholen sich später vollständig wieder und überragen dann oft die ihnen früher zum Muster vorgestellten Mitschüler.

Diese krankhaften Entwickelungsvorgänge hängen mit der Ueberbürdungsfrage eng zusammen. Derartige Organismen sind nicht im Stande, ihre Aufgaben in der gewöhnlichen Zeit zu erledigen; sie müssen die späten Abendstunden zu Hilfe nehmen, wodurch der Schule häufig der Vorwurf der Arbeitsüberhäufung gemacht wird. Hier ist aber nur die Entlastung einzelner Schüler am Platze, ohne daß die Allgemeinheit viel davon berührt zu werden braucht. In den Volksschulen kann von einer Ueberbürdung kaum gesprochen werden. In den höheren Schulen dürfte außer der Vermehrung der Turnstunden und dem geringeren Eingehen der Lehrer in ihre Specialfächer eine große Abhilfe durch die allgemeine Einführung eines sogenannten Studientages für die Anfertigung der häuslichen Schularbeiten, wie es schon an mehreren Schulen der Fall ist, geschaffen werden. Fraglich ist nur, ob nicht der Montag dem hierzu gewöhnlich verwendeten Sonnabend vorzuziehen sei, denn es liegt an der kindlichen Natur, die Arbeit bis auf den letzten Termin, also den Sonntag, zu verschieben, welcher von jeder Arbeit befreit bleiben soll, während sie am Montag mit größerer Frische die Hausarbeiten erledigen würden. Von den Eltern ist zu fordern, daß sie einen solchen Einblick in die Hausarbeiten ihrer Kinder besitzen, um das Verschieben derselben bis zum letzten Augenblicke und das dadurch hervorgerufene Zusammenkommen verschiedener Arbeiten zu verhindern.

Von großer Bedeutung für die Schule ist die Verlegung des Stoffes, welcher die höchste geistige Thätigkeit erfordert, in die ersten Stunden; ich erinnere an die bekannte Thatsache, daß das gleiche Diktat am Beginn und Schluß des Vormittags im letzteren Falle 25% mehr Fehler aufwies.

So lange es nicht möglich ist, physiologisch direkt festzustellen, wie viel Arbeit dem Gehirn in einer jeden Altersklasse auferlegt werden kann, müssen wir den Nachtheil ins Auge fassen, welchen der Schulbesuch und die zu große geistige Arbeit auf Körper und Gehirn ausübt, und denselben zu mindern suchen. Den Körper gesund zu erhalten, ist daher die erste Pflicht der Schule, und der Lehrer kann zur Erfüllung dieses Zweckes, wie unsere kurzen Ausführungen zeigst sollten, die segensreichste Beihilfe entwickeln.




Benjamin Harrison.

Es war im Juli dieses Jahres. Wenige Wochen nach den Demokraten waren die Republikaner zu dem großen Parteikonvente in Chicago zusammengetreten, auf welchem die Abgesandten der Partei aus allen Staaten der nordamerikanischen Union ihrerseits der Nation den Kandidaten nennen wollten, den sie für den kommenden Präsidentschaftstermin zu präsentiren hatten. Heiß wogte der Kampf drei Tage hin und her. Mit gleicher Zähigkeit hielten die Freunde Blaines, der seit fünfzehn Jahren der Auserkorene eines sehr starken Bruchtheils der Republikaner ist, an ihm fest, bekämpften ihn die unter sich in viele Fraktionen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 867. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_867.jpg&oldid=- (Version vom 8.8.2016)