Seite:Die Gartenlaube (1888) 860.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

mit 45 farbigen Originalzeichnungen geschmückt hat. Eines der besten Bilderwerke aber, von Frida Schanz, mit Bildern von C. Colin, führt den Titel „Kleine Leute von sonst und heute“ (Stuttgart, Gebrüder Kröner). Bilder und Gedichte athmen liebenswürdigen, echten Humor und in den Prosageschichten weiß die Verfasserin vorzüglich den Ton zu treffen, den Kinder verstehen und lieben.

An Knaben und Mädchen im Alter von 7 bis 10 Jahren wendet sich eine neue Jugendschrift von Dietrich Theden: „Laßt Euch erzählen!“ (Leipzig, E. Twietmeyer). Das in geschmackvollster Ausstattung vorliegende Buch enthält Märchen und schlichte Erzählungen aus dem Leben, bestimmt und trefflich geeignet, die empfängliche Seele des Kindes mit der Poesie der Natur vertraut zu machen und sein Herzens- und Gemüthsleben zu wecken und zu bilden. Den reichen Bilderschmuck in Schwarz- und Buntdruck lieferten Hermann Vogel, R. Püttner u. a.

Die „Plauderstündchen“, eine Festgabe zur Unterhaltung und Belehrung, herausgegeben von Helene Binder (München, Th. Stroesers Kunstverlag), sind ein empfehlenswerthes Sammelwerk für Knaben und Mädchen von 8 bis 12 Jahren, während die unter dem Titel „Aus bewegter Jugendzeit“ (ebenda) vereinigten 6 Erzählungen von Auguste Meixner vorzugsweise für Mädchen dieses Alters in Frage kommen. Manche der Bilder in den „Plauderstündchen“ können zwar ihre englische Herkunft nicht verleugnen, doch sind sie hübsch und dürften namentlich durch ihren Farbenreichthum den Kindern außerordentlich zusagen. – „101 neue Fabeln“, mit über 80 künstlerisch schönen Illustrationen von Fedor Flinzer, sind von Frida Schanz im Verlage von Ambr. Abel in Leipzig herausgegeben worden. Sie werden sich bald einbürgern.

Für die reifere Jugend empfehlen wir in erster Linie ein vortreffliches Jugendbuch unseres altgeschätzten Mitarbeiters Victor Blüthgen: „Der Weg zum Glück“, mit sechs Bildern in Farbendruck von Fritz Bergen (Stuttgart, Gebrüder Kröner). Die fünf meisterhaften Erzählungen dieses Buches entsprechen auch den höchsten Anforderungen und verbinden mit spannendster Handlung wahrhaft sittliche Grundgedanken, deren Wirkung um so sicherer ist, als sie überall als selbstverständlich erscheinen, nirgends aber sich aufdrängen. – Von Erzählungen historischen Inhalts sind Oskar Höckers „Im Rock des Königs“, illustrirt von A. von Roeßler (Leipzig, Ferdinand Hirt und Sohn), „Die Erben von Scharfeneck“, Bilder aus der Zeit der Königin Luise, für das reifere Mädchenalter, von Brigitte Augusti (ebenda), „Ein Mann, ein Wort“, eine Geschichte aus der Zeit der Kreuzzüge von E. Wuttke-Biller (Leipzig, Ambr. Abel) und „Die Befreiung Germaniens vom Römerjoche“ von Albert Kleinschmidt (Leipzig, Friedrich Brandstetter) werthvolle Bereicherungen der Jugendlitteratur, gegen welche zahlreiche andere geschichtliche Schriften merklich zurücktreten.

Als erfreuliche und für die reifere Jugend vortrefflich passende Novitäten vom Gebiete der Länder- und Völkerkunde müssen wir schließlich noch drei Schriften anführen, welche bald in den weitesten Kreisen heimisch sein werden: „Ein afrikanischer Lederstrumpf“ von C. Falkenhorst (Stuttgart, Gebrüder Kröner), „Sturmhaken“ von demselben (Leipzig, F. A. Brockhaus) und „König Salomos Schatzkammer“ von H. Rider Hagard, übersetzt von M. Strauß (München, Th. Stroeser). Wie Nordamerika in dem Cooperschen „Lederstrumpf“ einen beredten Anwalt bei der Jugend gefunden hat, so möchte C. Falkenhorst durch den „Afrikanischen Lederstrumpf“ einen Fürsprecher für den „dunkeln Welttheil“ schaffen, und mit dem vorliegenden ersten Bande des Lederstrumpf, „Weißbart-Weichherz“, ist es ihm in der That gelungen, das Interesse für seinen Gegenstand in hohem Maße anzuregen. Mit der Schilderung spannender Abenteuer verbindet er eine nicht vordringliche, aber verläßliche Belehrung und bringt so die Länder und Völker des noch so wenig bekannten Erdtheils dem Verständnis; und der Anschauung des jugendlichen Lesers näher. – Die Handlung seines „Sturmhaken“ hat der Verfasser nach jener zu Melanesien gehörigen Inselgruppe verlegt, welche seit 1884 deutsche Kolonie ist und vom deutschen Kaiser 1885 den Namen Bismarcks-Archipel erhalten hat. Auch in diesem Buche gehen Belehrung und Schilderung spannender Abenteuer Hand in Hand.

„König Salomos Schatzkammer“, im Innern Afrikas spielend, ist eine Uebertragung aus dem Englischen und wenn wir auch im allgemeinen Uebersetzungen nicht gerade mit Vorliebe betrachten, so nimmt doch dieses Buch eine Ausnahmestellung ein. Es klingt glaubhaft, daß die englisch- amerikanischen Ausgaben in kurzer Zeit in mehreren hunderttausend Exemplaren verbreitet wurden; die Jugend liebt Schilderungen ungewöhnlicher Abenteuer und solche bringt das Buch in reichem Maße, ohne daß die Phantasie des Erzählers allzu bedenkliche Purzelbäume schlägt.

Christbaumschmuck. Obwohl die Industrie in neuester Zeit auch für den Schmuck des Weihnachtsbaumes sorgt und den Markt mit dem schimmernden Tand überschüttet, bleibt doch in weitesten Kreisen das Bestreben erhalten, den Baum mit Werken eigener Hand zu schmücken. Die Vertreter und Vertreterinnen jener guten alten Sitte haben jetzt allerdings einen schwierigeren Stand, denn der fabrikmäßig hergestellte Schmuck zeichnet sich durch feine Arbeit und Mannigfaltigkeit aus. Es giebt aber ein Mittel, dem selbstgefertigten Behang des Baumes noch einen besonderen Werth zu verleihen, und dieses finden wir in einem kleinen Büchlein, das unter dem Titel „Der Schmuck unseres Weihnachtsbaumes“ von J. Bergmeister im Verlage der Leipziger Lehrmittelanstalt von Oskar Schneider erschienen ist. Wir erhalten in demselben eine Anleitung zur Anfertigung von hübschen Gegenständen aus Kartenpapier, welche sich nicht nur als Schmuck des Christbaumes, sondern auch zu kleinen sinnigen Geschenken eignen. Die Sterne dienen z. B. als Wickelsterne für Stickwolle oder Seide, ein Bauernhäuschen soll nach dem Christfest seinen Zweck als Schachtel zum Aufbewahren von Visitenkarten erfüllen, ein kleiner Ofen stellt eigentlich ein Feuerzeug mit Kerzchen dar; andere Modelle bieten uns Nadelkissen, Fingerhutbecher, Ringbehälter etc. Mit derartigem selbstgefertigten Schmuck kann sich die Familie unter einander beschenken und die kleinen Arbeiten tragen gewiß dazu bei, die Festesfreude zu erhöhen.

*

Ein Sommernachtstraum. (Mit Illustration S. 853.) Eines der bekanntesten und phantasiereichsten Jugendlustspiele des großen Shakespeare, der „Sommernachtstraum“, ist in einer deutschen Prachtausgabe erschienen, welche bald zu einem beliebten Geschenke für den Büchertisch des Salons werden dürfte. Die Vollbilder dieser Ausgabe sind in reichem und stimmungsvollem Farbendrucke ausgeführt und bilden eine lebensvolle Veranschaulichung der Dichtung. Wir geben – mit Einwilligung des Verlegers Th. Stroeser in München – in Holzschnittreproduktion dasjenige der Bilder wieder, welches für die ganze Dichtung am meisten charakteristisch erscheint. Der „Sommernachtstraum“ ist in allem ein Gegenstück zu „Romeo und Julia“, eine heitere Verspottung des menschlichen Liebeslebens im Gegensatz zu der tragischen Verherrlichung desselben in der Romeodichtung.

„Dem schlechtsten Ding an Art und an Gehalt
Leiht Liebe dennoch Ansehn und Gestalt!“

spottet der Dichter und beweist dies durch eine Leidenschaft, die selbst einen Zettel mit dem Eselskopf zu ihrem Ideale erheben kann.

„Ich bitt’ Dich, holder Sterblicher, sing’ nochmals,“

läßt er Titania sagen,

„Mein Ohr ist ganz verliebt in Deinen Sang;
Auch ist mein Aug’ entzückt von Deinem Wesen;
Dein Tugendreiz reizet mit mächt’gem Trieb mich
Beim ersten Blick zum Wort, zum Schwur: ich lieb’ Dich.“

Titania, die liebreizende Königin der Elfen, und Zettel mit dem Eselskopf wirkungsvoller hätte der Dichter seine Gestalten nicht aussuchen können!

**

Die Schreckmittel einer istriainschen Natter. (Mit Abbildung S.857.) Im 4. Kapitel seines Werkes „Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren“ berichtet Ch. Darwin von einer nicht giftigen ostindischen Schlange, dem Tropidonotus macrophthalamus, daß sie, wenn sie gereizt wird, ihre Halshaut wie ihre Landesgenossin, die Cobra (Brillenschlange), ausbreitet und daher irrthümlicherweise für diese gehalten wird. „Diese Aehnlichkeit,“ schließt Darwin, „dient vielleicht dem Tropidonotus als ein gewisser Schutz. Eine andere nicht giftige Schlange, die Dasypeltis von Südafrika, bläht sich auf, breitet ihren Hals aus und zischt und schießt auf jeden Eindringling zu. Viele andere Schlangen zischen unter ähnlichen Umständen. Sie schwingen auch ihre vorgestreckten Zungen mit Schnelligkeit, und dies dürfte dazu dienen, das Schreckenerregende ihres Ansehens noch zu vermehren.“

Ein ähnliches Verhalten gegen den Angreifer beobachtete ich an einer Tropidonotus-Art, die ich in großer Menge auf den Sumpfwiesen am Timavo in Istrien antraf. Diese, die Vipernatter Tr. viperinus hat ihren Namen von ihrer auffallenden äußerlichen Aehnlichkeit mit der Redischen Viper (Vipera aspis sive Redii); sie ist 65 bis 90 cm lang, hat 2 vordere, 2 hintere Augenschilder, 7 obere Lippenschilder, von denen das 3. und 4. an das Auge stoßen; die Schuppen stehen in 21 Längsreihen; die Grundfarbe ist oben bald hellgrau – bald gelb-braun- oder graugrün, an den Seiten Heller; im Nacken hat sie 2 schwärzliche Flecken; dahinter jederseits auf dem Rücken eine Längsreihe schwärzlicher Querflecken, welche häufig durch ein Zickzackband verbunden sind; auf der Unterseite ist sie schwarz gewürfelt. Die Exemplare mit dem Zickzackband sahen bei grauer Grundfarbe mehr der Hornviper (Vipera cerastes) ähnlich.

Das erste 45 ein lange Exemplar traf ich auf den Felsen des Meerufers zwischen Duino und St. Giovanni, und hielt es anfangs für eine Redische Viper. Das Thierchen lag gar behaglich im Sonnenschein – ich hielt es bald mit meinem Stocke nieder. Nun blähte sich die Schlange zum doppelten Umfange auf, ihr Kopf näherte sich im Umrisse einem gleichseitigen Dreiecke, sie zischte laut und lange, rollte sich tellerförmig zusammen und schoß mit dem Kopfe ganz wie eine Giftschlange, wenn sie beißt; nur fiel mir auf, daß sie dabei den Rachen nicht öffnete.

Ich traute ihr aber doch nicht, sondern drehte sanft drückend den Stock bis zu ihrem Genick, wobei sie wüthend zischte und, so lange es noch ging, den Kopf emporschnellte, jedoch immer ohne den Rachen zu öffnen. Die Zunge blieb beim Zischen bis auf die beiden Spitzen eingezogen, welche dabei in vibrirender Bewegung waren. Erst als ich sie mit der Pincette im Genick faßte und sie genau besah, wußte ich, was für einen Gesellen ich vor mir hatte, und nahm ihn unbesorgt in die Hand, was er durch eine reichliche Gabe seiner widerlich riechenden Exkremente belohnte; denn mein Tropidonotus hatte jetzt alle Abschreckungsversuche aufgegeben, ja schien selbst in großer Angst zu sein. Ein Hündchen, das mich zum Timavo begleitete, schreckte eine große Vipernatter durch ihre drohende Haltung derart, daß es sofort Reißaus nahm. Gewiß lassen sich auch Falken, Krähen und Sumpfvögel durch die Schreckmittel und die schützende Aehnlichkeit unserer unschuldigen Natter täuschen. Da in dieser Gegend die obgenannten Giftschlangen häufig vorkommen, haben die Vögel dort wohl oft die tödlichen Wirkungen des Vipernbisses an ihren Genossen gesehen und scheuen daher einen Angriff auf die verdächtige Vipernatter. Daraus läßt sich das überaus häufige Vorkommen derselben in dieser Gegend und das seltene der Ringelnatter erklären, welcher diese

Schreckmittel nicht zu Gebote stehen.

Thomas Schlegel.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1888, Seite 860. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_860.jpg&oldid=- (Version vom 7.5.2019)