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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

und blauer Trauben aus dem Saalthal herauf. Die Schwalben umschwärmten in Scharen das graue Gebäu und ließen die Wanderpfeife ertönen.

Bei dem Schloßhauptmann wurde eifrig zur Hochzeit Katharinas mit dem Junker von Hagenest gerüstet. Die Leinwandweben in der Eichenholztruhe waren zerschnitten und mit künstlichen gedoppelten Nähten zu allerhand Gewänden wieder zusammengefügt worden. Dann verfertigte der Hofschneider der Frau Witwe das karmoisine Brautkleid; und saß derselbe im Thurmgemach auf demselben Tisch, wo vor wenigen Monden Achatius seine Bartfutterale ausgebreitet hatte; denn also geht es zu auf diesem Wandelstern, der Erde benamset ist.

Frau von Tautenburg hatte in dieser Zeit als den für ihren Gemüthszustand passendsten Abendsegen den Gesangbuchvers erkiest: „O, wie gar viel Gaben muß der Hausstand haben.“

Und bei all der Arbeit kam der würdigen Frau auch noch zum öfteren fremder Einspruch über den Hals, wie das immer geht, wenn der Haushalt gerade auf dem Kopfe steht.

Eben flatterte die Brautwäsche im Hof und Frau von Tautenburg lobte den Utz wegen des schönen Sonnenscheins, den seine Ehrbarkeit herfürgezaubert hatte – da schallte Hufschlag durch das Thorgewölbe. Ein Trompeter aus Weimar ritt ein mit Briefen an die fürstlichen Damen. Unter den hochgehaltenen Leinen und dem scheltenden Geschnatter sämmtlicher Mägde wurde das staubige Pferd hinweggeführt. War so lange kein Bote von dort gekommen, so konnte er auch jetzt wegbleiben.

Dann als sie die neuen Betten ausgebreitet hatte, um sie zu sonnen, fiel mitten hinein, gleich einer verstörenden Karthaunenkugel, der Hofmarschall von Teutleben aus Weimar. Nun, er war ein geriebener Hofmann, der mit feinem Lächeln sagte, es könne ihn kein besseres Vorzeichen empfangen. Sie verstand zwar nicht, wie er das meinte; aber sie hatte keine Zeit, an der Spitzfindigkeit herum zu klauben. Sie mußte ihren Eheherrn rufen lassen, dieweil der Hofmarschall dringend um eine geheime Unterredung mit der Frau Witwe bat.

Dann wurde auch noch eine stattliche Hoftafel seinetwegen anbefohlen. Waren so große Umstände nöthig für den Diener des Herzogs, der das fürstliche Fräulein – man mochte es drehen und wenden, wie man wollte – doch hatte sitzen lassen? Er hätte die Herzogin Dorothea gar nicht zu sehen brauchen. Statt dessen wurde derselben die Qual auferlegt, mit ihm zu Tische zu sitzen.

Der alte Herr war ja freilich des Lobes voll gewesen, als er mit heiteren Mienen aus dem Residenzhaus zurückkehrte. Er behauptete, das fürstliche Fräulein noch nie so schön gesehen zu haben, wie jetzt in dem violenblauen Sammetrock. Er nannte ihre Blässe fürnehm, rühmte ihre Milde und schien sichtlich erfreut durch die gnädige Gesinnung, die sie ihm erwiesen hätte. Und dabei konnte er, ganz entgegen dem Vetter Achatius, gar nicht die Zeit erwarten, da er wieder auf seinem Pferd saß, um stracks nach Weimar zurückzutraben.

Auch Frau von Tautenburg war froh, als er fort war. Nun würde ja endlich Ruhe werden.

Gott bewahre! Jetzt lebte plötzlich die Frau Witwe wieder auf. Frau von Tautenburg gönnte ja hochderselben alles Gute. Sie freute sich, daß die bedrückte Stimmung, die immer nach gescheiterten Heirathen eintritt, allmählich sich verzog. Aber ob die Herrschaft nicht immer die Dinge am verkehrten Ende anfaßte?

Als das hoch zu wünschende Ehewerk im Gang war, hatte sie die Hände in den Schoß gelegt und selbiges durch ihr übermüthiges Fräulein verfahren lassen. Und nun auf einmal war sie die Thatkraft selbst. Sie setzte ihren Kopf darauf, daß die Prunkgemächer abgestäubt, die Purpurpolster der Wandbänke ausgeklopft wurden. Sie ließ die kostbare Tapezerei mit dem Türkenzug aufhängen und in allen Gastgemächern Betten aufschlagen.

Trotz all dieses Ungefährs wurde endlich doch der Polterabend glücklich erreicht.

In ihrem Stüblein stand Käthe vor dem Spiegel, durchstach die blonden Haare mit kleinen silbernen Schwertern, zog den neuen zeisiggrünen Rock an und legte die rothe Korallenkette um den Hals. Zuletzt hing sie an dieselbe das schwere goldene Kreuz, das ihr die Herzogin Dorothea heute eigenhändig überreicht hatte. Und während sie an dem Glanz sich freute, der von dem ernsten Symbol ausging, spürte sie in ihrem Herzen gegen die erhabene Geberin das herablassende Mitleid, mit welchem Bräute auf ihre noch unversorgten Schwestern niederzusehen pflegen.

Frau von Tautenburg beaugenscheinigte die lange Reihe von Hochzeitskuchen, die auf den Köpfen des sämmtlichen Ingesindes aus dem Backhaus in die Vorrathskammern einzogen. In der Küche loderten helle Feuer, bereiteten Koch und Küchenmägde den Schmaus für den Abend und trugen geheimnißvoll alles seit Wochen angesammelte schadhafte Geschirr herbei.

Da kam abermals ein Kurier aus Weimar in die Quere. Gottlob! er hielt sich nicht lange auf. Eiligst jagte er, mit einer kurzen Antwort der Frau Witwe versehen, wieder davon.

Aber nun regte es sich auch im Residenzhaus. Die Pagen trugen Befehle vom Witwengemach hinauf in das Gestock, wo die Hofmeisterin und die Hofjungfrauen wohnten, und hinab in die Gesindestube. Die Lakaien mußten die Galalivrei anziehen, die Damen in ihre Staatsröcke schlüpfen. Auch der Schloßhauptmann wurde zur Frau Witwe berufen. Als er heimkam, ließ er sein Galakleid bereit legen. Aber auf die feinen Fragen seiner Hausehre antwortete er nur mit einem schlauen Augenblinzeln.

Der Herzogin Dorothea war von ihrer Mutter die Weisung geworden, sie solle sich bereit halten, noch am heutigen Tage einen vieltheuren Gast empfangen zu helfen.

Sie fragte nicht, wer es sei. Ihr war es gleichgültig, ob ein Graf von Rudolstadt oder Gleichen vorsprach. Sie saß in ihrem kleinen Zimmer, dessen Fenster, halb beschattet von der Burglinde, in den Hof blickten, und schaute mit wehmüthigem Lächeln stuf das frohe hochzeitliche Treiben.

Wie viel Freude gab es doch in der Welt! Und wie verschieden fielen die Lose der Menschen! Der treufeste Herr von Hagenest vergab Käthchen, daß ihr Herz zuerst an dem leichtfertigen Hofmeister gehangen hatte. Voll Sicherheit hatte die junge Braut vor ihr gestanden in dem Bewußtsein, es fertig gebracht zu haben, daß ein edler Herr sie von früh bis spät als seine Perle und wahre Krone pries.

Die Glückliche! Wie schwer war es dagegen ihr geahndet worden, daß sie in übermüthiger Jugendlust für einen Schemen, den Celadon, geschwärmt hatte! Sie blieb allein im Frühlinge des Lebens.

Wie hatte sie noch vor wenigen Monden gelacht bei dem Gedanken, daß sie Abbatissa werden könnte! Nun stand es vor ihr, dieses Geschick. Gleich ihrer ältesten Stiefschwester würde sie, das Stiftskreuz auf der Brust, durch die düsteren Gänge in Quedlinburg schreiten, die vor Einsamkeit hallten, ohne Theil an dem frischen Menschenleben, das draußen fluthete, in Wahrheit nun lebendig eingemauert.

Und es war das Beste so. Sie verstand die Menschen ja doch nicht mehr. Nichtt das leichtlebige Pärlein da drüben, nicht das lustige Völklein drunten – nicht einmal mehr die gnädige Mutter. Das hatte sich deutlich gezeigt, als vor einigen Wochen endlich einmal ausführliche Briefe von der Herzogin Eleonore ankamen. Es war ja auch ihr lieb gewesen, daß die sanfte Freundin sich wieder näherte. Sie schrieb so offen und herzlich wie in früherer schöner Zeit. Auch den Herzog Albrecht nannte sie wieder, und Dorothea hatte eine wehmüthige Genugthuung empfunden, als sie las, er sei sehr verändert; der sonst immer zu einem heitren Wort Bereite verhalte sich jetzt allezeit ernst und schweigsam. Aber sie begriff doch nicht, daß die Frau Witwe über den an dieselbe gerichteten Brief, den Dorothea nicht zu lesen bekam, sich also freute, daß sie jetzt von der Hochzeit des Lammes nicht mehr zu sprechen beliebte.

Und vollends unergründlich blieb ihr die Heiterkeit ihrer Mutter nach Teutlebens Vorsprechen. Sie hatte nicht gefragt und ihre Mutter nicht geäußert, um was die geheime Berathung sich drehte. Wahrscheinlich um einen neuen Tausch von Gütern der Altenburgischen und Weimarischen Herrschaft, denn der Hofmarschall hatte von einem demnächstigen Besuch bei ihrem Bruder in Altenburg gesprochen.

Das Wiedersehen mit dem alten Diener, der einst schon ihr und ihrem Gemahl aufgewartet hatte, schien die Frau Witwe gänzlich in die Vergangenheit zurückversetzt zu haben. Unermüdlich plauderte sie von ihren Erinnerungen; und sie konnte so froh lächeln, wenn sie erzählte, wie Herzog Albrecht, da er noch ein kleines Krabbelchen war, ihr einst einen wohlsingenden Hänfling verehrt und mit solchem Geschenk ihr Herz gewonnen hatte.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 827. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_827.jpg&oldid=- (Version vom 6.6.2018)