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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Dann zogen eines Tages die Rindergespanne, welche das Heu einfahren sollten, aus dem Gut hinab. Junker Utz ritt auf seinem Rothschimmel nach, um darüber zu wachen, daß die Fuder richtig geladen würden, damit sie weder in der holperigen Schlucht das Gleichgewicht verloren, noch unter dem Hofthor hängen blieben.

Vor den kleinen Fenstern des Hauses, welches der Schloßhauptmann bewohnte, tummelte er sein Rothroß weidlich. Aber kein blondes Mägdlein ließ sich hinter den runden Scheiben blicken; nur die würdige Hausfrau nickte mit ihrer emporgesträubten Haubenkrausel heraus. Es stand klärlich auf seinem Gesicht zu lesen, daß es einen jungen Mann wenig beglückt, wenn er fürnehmlich alten würdigen Matronen wohlgefällt.

Nachdenklich ritt er weiter. Es war doch wunderbar, wie lange Bedenkzeit die Jungfrau Käthe brauchte, ehe sie ihre Einwilligung dazu gab, sich von ihm heirathen zu lassen. Nirgend vermochte er ein Hinderniß für die Verlobung zu erspähen. Selbst der Alamodegeck aus Weimar, der ihr für einen Abend den Sinn verstört hatte, war nicht mehr im Wege. Er heirathete nun die rundliche Hofmeisterin. Sie selbst hatte es ihm vertraut, als sie gestern bei ihm anfragte, ob er fürkommenden Falles ihr seinen Vorrath an feinen Flaumfedern verkaufen könne. Er hatte es abgelehnt; denn er brauchte sie selbst fürkommenden Falles. Aber aus Freude über die gute Nachricht verehrte er ihr einen großen Büschel Pfauenfedern zu einem prängischen Wedel.

Unter solchen Gedanken erreichte er seine Wiese. Mitten in dem balsamischen Futter standen die mächtigen Stiere. Er ließ die Stränge von ihren Jochen lösen, eingedenk des Bibelwortes: Du sollst dem Ochsen, der da drischt, das Maul nicht verbinden; und er lachte nachsichtig, als die übermüthigen Mägde einen mürrischen Knecht in einen Heuhaufen warfen. Fröhliche Leute arbeiten besser denn verdrießliche. Mit Zufriedenheit sah er dann zu, wie die starken Thiere an den rothgestickten Stirnbändern sonder Beschwerde die hoch aufgebauschten Fuder den steilen Weg hinauf zogen.

Als tüchtiger Landwirth hielt er seine Gedanken auf die Arbeit gerichtet, solange er zu schaffen hatte. Nun, da er sich zum Heimweg wandte, kehrten sie zu seinem beabsichtigten Ehewerk zurück. Er wollte doch einmal den Schloßhauptmann in die Seite stoßen, auf daß die Sache fürbaß ging.

Drüben auf der herrschaftlichen Wiese trabte sein zukünftiger Schwiegervater auf seinem Ramskopf zwischen den Arbeitern herum. Da konnte er ihn gleich abfangen und ihm seine Meinung sagen über diese unnöthige Zimperlichkeit.

An dem Eingang zur Schlucht wartete er auf den Schloßhauptmann. Dann begannen Ramskopf und Rothschimmel neben einander empor zu klimmen.

„Sagt einmal, wie steht es mit meiner zukünftigen Braut?“ fragte Utz ohne Umschweife.

Der Schloßhauptmann drehte verlegen an einem Knopf seines Wamses. „Ich vertraue, daß noch alles gut wird,“, antwortete er. „Habt nur Geduld! Sie ist noch gar jung.“

„Ach jung,“ Murrte Utz. „Meine Mutter war sechzehn Jahre alt, da sie sich verehelichte. Das ist kein Grund, mich hinzuhalten. Ihr und Eure Frau Eheliebste kennt mich genugsam; und das ist die Hauptsache.“

Der Schloßhauptmann drehte unruhig weiter. „Das ist nicht die Hauptsache,“ antwortete er. „Ich habe in Weimar vernommen, daß das Frauenzimmer insgesammt itzunder verlangt, daß das Mannsvolk ihm zu Gefallen lebt und ihm aufwartet. Die jungen Herren von Adel bringen dort jeden Tag einen neuen Brauch auf. Heute beugen sie ein Knie mit Knixen, morgen küssen sie zur Huldigung die eigenen Fingerspitzen.“

Utz blickte dem Schloßhauptmann mit ehrlichem Zorn in das Gesicht „Dazu bringt mich kein Mensch, daß ich einen Knix mache wie das Frauenzimmer. Und kein vernünftiger Mann verlobt sich, um die eignen Fingerspitzen zu küssen.“

Der Schloßhauptmann drehte verzweifelt. „Wer weiß auch, wie es ausfiele! Aber gut wäre es, wenn Ihr noch ein wenig abgehobelt würdet. Mich dünkt das Beste, Ihr thut eine zeitlang Dienst bei der Frau Herzogin. Sie bedaf mitunter noch eines Hofjunkers und wird gern auf den Vorschlag eingehen, da Ihr so nahe zur Hand wohnt.“

„Bleibt mir mit dem Hofdienst vom Halse!“ knarbelte Utz trotzig in seinen weißblonden Schnurrbart. „Wozu bin ich ein Freiherr?“

Jetzt riß dem Schloßhauptmann der Knopf und der Geduldsfaden zugleich. „Adelig sind Eure Ahnen geworden und Freiherren, dieweil sie durch ihre edle Art über den ungehobelten Pöbel empor ragten und sich frei machten von dörflicher Tölpelei. Wollt Ihr unverehelicht bleiben, so möget Ihr auf Eurer Scholle sitzen, wie der Puhahn in seinem Felsenloch. Gedenkt Ihr aber ein Weib heimzuführen, müßt Ihr lernen, das Amt eines Familienhauptes würdig fürzustellen. Sonst wird eine adelige Jungfrau Euch nicht das Kränzlein reichen, sondern einen Korb aufhucken.“

Utz sah erschrocken den Schloßhauptmann an.

Gott sei Dank! Obgleich er mit seiner Rede daher polterte, zeigten sich doch die Schelmenfältchen an dem einen Auge.

Da seufzte Utz tief auf und sagte gutmüthig: „Nun, wenn Ihr meint, daß es mir in den heiligen Ehestand hilft, so ich eine Hofschranze werde, will ich’s versuchen.“

Der Schloßhauptmann nickte versöhnt. „So ist’s recht. Ein kluger Mann findet sich in alles. Gleich Morgen werdet Ihr zum erstem Male Dienst thun können. Die Gräfinnen von Rudolstadt und Mansfeld wollen unsrer Frau Herzogin die Visite gehen, und Hochdieselbe wird eine Mahlzeit anpräsentiren.“

Dann schüttelten sie sich die Hände, und jeder ritt in sein Hofthor ein.

Nun war noch ein zweiter Sorgenstein auf das Herz des Junkers gewälzt. Die Ellbogen, müde von der Arbeit, auf den Tisch gestemmt, das Haupt in die Hände gestützt, saß er vor seinem Mittagstisch, und es schmeckte ihm abermals kein Bissen. Bald darauf wurde er zur Aufwartung befohlen. Da schlief er wiederum die ganze Nacht nicht. „Warum bleiben nur die Frau Gräfin von Rudolstadt und die Mansfeldin nicht daheim sitzen? Warum wählen sie auf ihrem Zuge gerade die Dornburg zu einem Ruhestündlein?“ brummte er, während er das Staatskleid anlegte.

Trotz alles freiherrlichen Bewußtseins war seine Beklommenheit so groß, daß er bei dem Gang über den Schloßhof das Rosmärinstäudlein für Käthchen hielt und demselben eine umständliche Reverenz machte. Seine ersten kräftigen Schritte in dem Flur des Residenzhauses hallten laut in dem weiten Raume wieder. Unwillkürlich hob er sich auf die Zehen. Der Gruß, den er mit voller Stimme dem Schloßhauptmann beim Eintritt in das Vorzimmer bot, erstarb ihm auf der Zunge. Es herrschte eine so feierliche Stille daselbst. Was war das nur?

Er kannte alle, die an den Wänden aufgereiht standen, sogar recht genau. Hatte die Hofmeisterin ihm nicht ihr Herzensgeheimniß anvertraut? War die Hofjungfrau nicht mit ihm nach Haus geritten? Und wie oft hatte er ein Auge zugedrückt, wenn die Pagen in seinen Kirschen hausten gleich den Spatzen!

Aber – vollbrachten es die stillen abgeschlossenen Räume, der feine Duft des Räucherwerkes, die feierliche Tracht? Sie stellten sich ihm ganz anders dar als sonst: stolz, unnahbar. Selbst der gemächliche Schloßhauptmann erschien ihm in dem goldgestickten Galakleid fremd.

Dieser merkte seinem Schützling die Beklommenheit an und suchte ihm Muth einzureden. „Ihr habt ein neues schönes Wams und einen alten guten Namen; damit kommt Ihr bei jedem vernünftigen Hof fort. Und wenn Ihr nicht wißt, was Ihr sagen sollt, macht nur eine tiefe Reverenz; die gilt allda oft mehr, als die klügste Antwort.“

„Ist das der Hofdienst,“ flüsterte Utz nach einem Weilchen hinter der vorgehaltenen Hand dem Schloßhauptmann zu, „daß man dasteht wie die Störche, wenn sie Rath halten?“

„Einen Storch,“ war die ebenso leise gegebene Antwort, „braucht Ihr Euch nicht gerade zum Muster bei Eurer Aufwartung zu nehmen.“

Aber im nächsten Augenblick wurde dem Junker klar, was Hofdienst war. Trompeten schmetterten auf dem Burgweg, die Pagen flogen, der Schloßhauptmann zog ihn an den Aermelpuffen sich nach.

Und nun mußte sein sonst so gerader Rücken sich unaufhörlich bücken. Bald schritt er mit dem Schloßhauptmann, vorwärts bald rückwärts. An seinen Augen ging die fremde Herrschaft vorüber! Er wußte nicht, wie ihm geschehen war. Desto besser wußte es die rundliche Hofmeisterin. Sie steckte sich verstohlen die Falten des Rockes fest, welche der Junker ihr abgetreten hatte. Der Gedanke an den Pfauenfederbüschel war ihm ein Trost. Und wie gut war es, daß er die Pagen hatte in den Kirschen sitzen lassen, denn als er mit ausgespreizten Ellbogen

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