Seite:Die Gartenlaube (1888) 784.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Gründen nicht durchkam. Er ermannte sich daher zu einem Gewaltstreich und erklärte:

„Ich will aber nicht! Und darüber habe ich doch wohl allein zu entscheiden.“

„Und das will nun ein Liebhaber sein!“ rief Gronau, indem er in heller Verzweiflung die Hände zum Himmel emporhob. Wally aber griff die Sache viel praktischer an und zähmte den Widerspenstigen in anderer Weise.

„Benno!“ sagte sie vorwurfsvoll; „da drinnen sitzt die arme Alice und weint, als ob ihr das Herz brechen sollte! Wollen Sie denn nicht wenigstens den Versuch machen, sie zu trösten?“

Das Mittel wirkte, der ganze Trotz Bennos sank zusammen. Er zögerte noch eine Minute, aber nur eine einzige, dann stürzte er in das Nebenzimmer.

„So, jetzt wird er vorläufig nicht wiederkommen“ sagte die junge Frau, indem sie die Thür hinter ihm schloß. „Jetzt wollen wir die Geschichte in die Hand nehmen, Herr Gronau!“

Veit sah etwas betroffen aus bei diesem Vorschlage. Er hatte zwar nichts gegen eine Bundesgenossenschaft einzuwenden, daß sie aber weiblichen Geschlechtes war, ging gegen seine Grundsätze. Wally ließ ihm jedoch keine Zeit, sich darüber zu beunruhigen, sondern fuhr fort:

„Den Doktor können wir dabei nicht brauchen und Alice auch nicht. Er glaubt sich zur Entsagung verpflichtet, weil der Chefingenieur sein Freund ist, und er wäre im Stande, sein ganzes Leben in Neuenfeld zu verseufzen, während Alice als Frau Elmhorst am gebrochenen Herzen sterben würde − aber daraus wird nichts, das leide ich nicht!“

Sie trat so nachdrücklich mit dem Fuße auf, daß Veit unwillkürlich auf denselben hinblickte, und er konnte nicht umhin, die Bemerkung zu machen, daß es ein zierliches, allerliebstes Füßchen war, das so energisch den Boden stampfte. Er wußte nun freilich, daß die Entsagung Bennos andere Gründe hatte; aber da er das nicht verrathen durfte, so zog er es vor, die junge Frau in ihrem Irrthum zu lassen.

„Ja, gnädige Frau, der Doktor ist, was man so einen Idealisten nennt,“ sagte er, „und denen ist von der vernünftigen Seite nicht beizukommen. Es sind hochachtungswerthe Menschen, aber etwas verrückt sind sie alle.“

Wally schien derselben Meinung zu sein, sie nickte ernsthaft mit dem Kopfe und bemerkte mit Selbstgefühl:

„Ich und mein Mann, wir sind gar keine Idealisten, Herr Gronau, wir sind ganz vernünftige Menschen.“

Gronau machte eine respektvolle Verbeugung, welche die Vernünftigkeit von Herrn und Frau Doktor Gersdorf unbedingt anerkannte, und die letztere war davon so befriedigt, daß sie ihn freundschaftlichst einlud, neben ihr auf dem Sofa Platz zu nehmen, damit man die Angelegenheit in aller Gemüthlichkeit besprechen könne.

Veit entsetzte sich einigermaßen bei dieser Zumuthung, aber ablehnen konnte er sie doch nicht. So nahm er denn auf der äußersten Ecke Platz und ließ all die Erörterungen, Vorschläge und Fragen über sich ergehen. Zu einer Antwort kam er allerdings nicht; er staunte nur darüber, daß jemand so unendlich viel sprechen könne! Aber unangenehm war ihm das eigentlich nicht; im Gegentheil, er fühlte sich ganz behaglich in dem Redestrome, der ihn umrauschte und umplätscherte. Dazu gestikulirten zwei kleine, rosige Hände unaufhörlich vor seinem Gesicht und ein zierliches Köpfchen, mit krausen schwarzen Ringellocken, neigte sich im Eifer des Gespräches immer näher zu ihm. Er fing schließlich an, die Situation ganz annehmbar zu finden, und da ihm keine Zeit zu einer Antwort gelassen wurde, so begnügte er sich, verschiedene Male mit dem Kopfe zu nicken, und sah sich inzwischen seine Bundesgenossin sehr gründlich an, wobei er die Entdeckung machte, daß das weibliche Geschlecht, so ganz in der Nähe betrachtet, doch viel von seinem Abschreckenden verlor.

Endlich versiegte auch Wallys Redestrom, sie schöpfte Athem und forderte ihren Zuhörer auf, nun endlich auch seine Meinung zu sagen.

„O, ich bin einverstanden, ganz einverstanden!“ versicherte dieser, in der Ueberzeugung, daß ein Protest ihn doch nichts helfen würde.

„Das freut mich,“ sagte die junge Frau. „Es bleibt also dabei, Sie setzen Benno den Kopf zurecht und ich werde den Chefingenieur auf mich nehmen und ihn zum Zurücktreten veranlassen. Mein Mann hat es mir zwar verboten, aber man muß den Männern gegenüber immer ja sagen und dabei das Gegentheil thun von dem, was sie wollen. Ist es einmal geschehen, dann fügen sie sich ganz geduldig.“

(Fortsetzung folgt.)


Des alten Heerbanns Heilruf bei Kaiser Wilhelms II. Romfahrt.

Wie von rothem Nordlicht glühend,
Voll von sagenhaftem Glanz
Steigt zum Himmel, Strahlen sprühend,
Hoch empor der Alpen Kranz.
In den eiserstarrten Lüften
Tönt’s wie kriegerisch Geschrei;
Von den Firnen, aus den Klüften
Wallt es scharenweis herbei.

Hoch auf knochenstarken Rossen,
In der Eisenfaust der Speer,
Von dem Panzer fest umschlossen,
Ein verscholl’nes Ritterheer;
Blaue Augen, blonde Bärte,
Deutscher Nibelungen Bild,
Wogt es wie auf Kriegesfährte
Zum ronkalischen Gefild.

Wieder hallt es hart und eisern
Wieder stellt sich Hauf bei Hauf
Mit den alten Heldenkaisern
Deutschlands alter Heerbann auf.
Hundertjähr’ger Gräber Schollen
Huben sie mit freud’ger Macht,
Und wie fernen Donners Rollen
Schallt ihr Heilruf durch die Nacht.

Hoch in seiner Treuen Mitten,
Einem Barbarossa gleich,
Kommt ein junger Fürst geritten
In das heil’ge röm’sche Reich,
Ernst und mild, fest und entschieden,
Jeder Zoll ein echter Held:
Kaiser Wilhelm trägt den Frieden
In die kampfesmüde Welt.

Naht ein Feind dem deutschen Volke,
Steht, ein unbesiegter Wall,
Seines Heeres Wetterwolke,
Wie die Lohe in Walhall;
Doch dem Freund mit inn’gem Grüßen
Reicht der Kaiser Hand und Mund:
Deutschland und Italien schließen
Einen festen Völkerbund.

Und die deutschen Geisterscharen,
Die für ihrer Kaiser Ehr’
Einst gen Rom gezogen waren,
schwingen ihre rost’ge Wehr,
Und, laut schallend, in die Schilde
Rufen sie wie Sturmgebraus
Im ronkalischen Gefilde
Ihren neuen Kaiser aus.
 A. Ey.




Unser Kaiser in Italien.

Von Woldemar Kaden.


„‚Italia, wir steh’n zu Dir!‘ so rief der junge Kaiser −
„Nun grünet neu zu Eh’r und Zier, ihr alten Lorbeerreiser!“


Die Blumen und Blätter, die dem gen Rom fahrenden Kaiser über den Weg gestreut und in Sträußen und Kränzen gereicht wurden, sind längst verwelkt und verweht; verklungen sind die Hymnen und Serenaden, das Beifallsjauchzen italienischer Begeisterung, die Salutschüsse der Kanonen von Kastellen und Panzerschiffen; die leuchtenden Fahnen Deutschlands und Italiens, die der frische kecke Herbstwind so lustig ineinanderflocht und die vereint von den stolzen Kriegsschiffen der italienischen Marine in Neapels Golf flatterten, sind zusammengerollt und geborgen worden; verlaufen auch hat sich nach stürmischer Brandung und lang nachdauernder Fluthung der Strom, das Meer der Völker, die aus den Gebirgen Kalabriens und der Basilikata, aus der lombardischen

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 784. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_784.jpg&oldid=- (Version vom 6.6.2018)