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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

den welschen Hahn, der in einer Tunke von Citronen und Wein gegeben wurde, an der langen Gabel in der Luft; dann schüttelte er denselben, und die Stücke fielen wohlgeordnet auf die silberne Schüssel nieder.

Nun durfte er auch an sich denken. Er eilte an den Tisch der Hofmeisterinnen und Hofjungfrauen.

Parbleu! Er wollte zeigen, daß er nicht nur mit Handquehle und welschem Hahn, sondern auch mit dem Frauenzimmer umzuspringen wußte. Er warf einen von Bosheit funkelnden Blick nach Gertrud hin. Sie war wie immer angethan mit dem schlichten Kleid aus braunem Borstatt, und um den Hals trug sie, auch wie immer, die langweilige Bernsteinkette, die sie gleich einer Rarität ästimirte. Seine Augen wurden dunkel vor Zorn.

Er machte eine so tiefe Verbeugung vor der blonden Benigna, daß sein Alamodezotten ihm über die Augen fiel, und schleuderte ihn dann mit so großer Heftigkeit zurück, als sollte er ausgerissen werden. „Holde Schäferin,“ redete er sie an, „ein armer Schäfer, den Amor tyrannisirt, sehnt sich danach, sein Herz zu erleichtern. Wißt Ihr keine Occasion dafür?“

Feuerroth stocherte sie unter den Spargeln auf ihrem Teller herum. „Vielleicht,“ antwortete sie leise, „findet sich dieselbe morgen im welschen Garten, wo die Sitzung der Tugendlichen stattfinden soll.“

„Der Schäfer dankt Euch,“ sprach er mit süßem Lächeln und einer Stimme, welche förmlich die nach Bisam, Haarpulver und Balsam duftende Hofluft durchschnitt. Und so nahe an ihrem Ohr, daß sie meinte, er habe einen Kuß darauf gehaucht, flüsterte er weiter: „Mich dünkt, die Buchsbaumstaude, die wie eine Gans formirt ist, sei am angemessensten zu solchem Stelldichein.“

Dabei schob er die Augen nach Gertrud Heilingen. Hatte sie gesehen, wie er mit ihrer Gefährtin schön that? Er konnte es nicht ergründen. Blaß, aber gelassen saß sie unter den andern und kümmerte sich nicht um ihn. Nun, er schor sich auch nicht um sie.

Er glitt zu der rundlichen Hofmeisterin hinüber. „Erlaubt, daß ich Euch vorlege,“ sprach er, sich tief über ihre vollen Schultern neigend, und fischte ein Stück Leber aus der aufgesetzten Schüssel. Leise fuhr er fort:

„,Die Leber ist von einem Pfau,
Erhört mich, allerschönste Frau,
Und laßt mich Euer warten –‘

Doch wo?“ Er stockte einen Augenblick.

„Im welschen Garten,“ ergänzte sie kichernd und schlug ihn mit ihrem Mückenscheucher auf den Arm.

Er lachte kurz auf. Ein zweites Liebesabenteuer am selben Ort! Warum nicht?

„Wohlan, bei der Bildsäule des Hymen,“ flüsterte er der galanten Dame zu, ohne die Augen von der Trude abzuwenden.

Aber das war kein Aerger, was leise um den kleinen baßrothen Mund zuckte. Bei allen Teufeln! das war Verachtung.

Halb toll vor Wuth schlüpfte er, einem gereizten Schlangenkönig gleich, zu den Hofjungfrauen von Eisenach. Ganz gleichgültig war ihm, daß er auch mit jeder von ihnen ein Stelldichein im welschen Garten verabredete, um der älteren eine Zusammenkunft der holden Venus mit dem feurigen Mars zu beweisen und die jüngere um ein Mittel gegen Herzensgebreste zu bitten, das sich von der heiligen Elisabeth her auf der Wartburg verhalten haben sollte. Es kam ja alles auf eins hinaus.

Mit wildem Blick sah er sich nach neuen Opfern um. Da saßen die beiden Koburgerinnen, glühend wie Pfingströslein und lugten ihn an. Er nannte die blonde einen Cherub, die braune eine holde Evastochter so laut, daß Gertrud es hören mußte. Was er mit ihnen weiter sprach, wußte er im nächsten Augenblick nicht mehr. Aber ein anderes Erlebniß war seinem Gedächtniß eingebrannt.

Einen Augenblick hatte er seine Hand auf den Tisch gestützt, und dabei berührten die Spitzen, welche das Handgelenk umkräuselten, die Finger der Trude Heilingen. Da zog sie dieselben zurück, als sei das zarte weiße Gewebe etwas Unreines. An allen Gliedern bebend wich er zurück. Er machte einen Bogen um ihren Stuhl, als säße eine Kröte darauf, und wandte sich an Käthchen, die als jüngste den untersten Platz einnahm.

„Wie habe ich bishero vergeblich danach gestrebt, ein Wörtlein im Vertrauen mit Euch zu sprechen,“ warf er von oben herab hin. „Das stiefmütterliche Glück stand mir allezeit entgegen.“

Da war es vorbei mit Käthchens mühsam bewahrter Fassung. Der aufgespeicherte Jammer brach los, und sie schlug dem falschen Vetter die Fastnachtsmaske von der Nase. „Das stiefmütterliche Glück soll Euch verhindert haben? Das Frauenzimmer ist’s gewesen. Ihr habt mit der Hofmeisterin und allen Hofjungfrauen angebändelt. Ueber mich seid Ihr beinahe hinwegestopert, ohne mich anzuschauen. Und nun zu allerletzt wollt Ihr auch mich noch an der Nase herumführen? Das lasse ich mir nicht gefallen.“ Helle Thränen in den Augen, drehte sie ihm trotzig den Rücken, ohne sich um das Naserümpfen und Achselzucken des übrigen Frauenzimmers zu kümmern.

(Fortsetzung folgt.)




Wie hebt man sein Geld auf?
Plauderei von Oskar Justinus.

Wer nach dieser von mir aufgeworfenen Frage den Schluß ziehen wollte, daß ich viel von diesem schätzbaren Material besitze, thäte mir unrecht. Die wirklich Geldbegnadeten fragen nicht, „wie hebt man sein Geld auf?“ sondern „wie legt man es an?“ Diese Frage, die man oft genug aus dem Munde sorgenvoll dreinblickender Kapitalisten hört, hat eigentlich etwas Tragikomisches. Diese armen Reichen erinnern mich an Midas, vor dessen Berührung alles zu Gold wurde und der dabei fast ins Verhungern gerieth. Ich möchte ihnen in ihrer bedauernswerthen Verlegenheit immer zurufen: seht nur zum Fenster hinaus, dort warten unendlich viele, die euch in eurem embarras de richesse mit ihrem Rathe gern zur Seite stehen wollen. Es schlagen sich Hunderttausende durch die Welt, die mit ein paar hundert Mark aus dem Sumpf herauszukommen und sich eine behagliche Existenz zu gründen vermöchten. Baut Wohnungen, schafft dem kleinen Mann billiges Geld für seinen Betrieb. Sind diese Anlagen auch nicht pupillarisch, auf der Creditseite eures Kontos in der himmlischen Buchführung ist euch das Kapital auf Heller und Pfennig gebucht und wird euch dereinst verrechnet werden mit Zins und Zinseszins.

Doch ich will ja hier nur davon reden, wie man sein Geld aufhebt, und dazu braucht man wirklich nicht viel zu besitzen. Kein Mensch bewahrt seinen Besitz so ängstlich wie der Junge, der sein erstes Taschengeld empfangen. Die Hand thut mir noch heute weh von dem krampfhaften Festhalten des Dreiers, den mir vor 44 Jahren mein Großvater mit einer großen Moralpredigt anläßlich meines fünften Geburtstages feierlich überreichte, und mit dem ich mich reicher dünkte, als Krösus und Rothschild zusammen. Ich will aber auch nicht vom Schatzhause des Rhampsenit anfangen oder vom Schatze des Priamus, der so gut aufgehoben war, daß ihn erst Schliemann auffinden konnte, sondern wir wollen mit einem Sprunge aus dem grauen Alterthume uns hinüber schwingen in das modernste Leben des papiernen Jahrhunderts.

Das papierne Jahrhundert! Ich glaube, daß die Zahl der Bauern, welche die blanken Silberthaler in einem Strumpfe aufbewahren, den sie in der buntbemalten Truhe oder beim Herannahen einer Kriegsgefahr nächtlich unter einem Baum im Obstgarten vergraben, von Jahr zu Jahr kleiner wird. Vielleicht mit Unrecht; denn eh’ wir uns dessen versehen, kann am politischen oder sozialen Horizont ein Gewitter heraufgezogen sein, bei dessen Blitzen die bestfundirten Aktien nur nach ihrem Tapezierwerthe geschätzt und die Hundert-Mark-Banknoten mit den gebrauchten Pferdebahnbillets konkurriren werden. Ich entsinne mich noch

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 744. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_744.jpg&oldid=- (Version vom 6.6.2018)