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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

erwähnt, verbreitet im Eisenacher Oberlande, mit den Hauptsitzen zu Dermbach und Geisa, und fast ebenso lange im Sächsischem Erzgebirge in Raschau und Umgegend. Ihr Hauptsitz bleibt aber immer das oldenburgische Laud (Delmenhorst und die dortige Umgegend). Einzelne größere Korkfabriken befinden sich außerdem in Frankenthal in der bayerischen Pfalz (mit Maschinenbetrieb), in Wesel, Melle, Lohne, Hannover, Braunschweig, Schwerin, Frankfurt an der Oder, Breslau, Halle, Dresden, Leipzig und Salzungen, abgesehen von den kleinen Korkschneidereien, deren fast jede Stadt eine oder mehrere hat.

Der Export der heimischen Fabrikate ist ein nicht unbedeutender; er berechnet sich bei einzelnen Firmen auf 60 Prozent der gesammten Jahresproduktion und selbst nach den Vereinigten Staaten, die von Korken einen Eingangszoll von 30 Prozent des Werthes erheben, ist ein Geschäft in gewissen Sorten, die daselbst so vorzüglich nicht hergestellt werden können, möglich.

Der geneigte Leser wird nunmehr gesehen haben, daß sich von dem kleinen, unscheinbaren, achtlos fortgeworfenen Korkpfropfen gar mancherlei reden läßt, und daß an seine Existenz sich das Wohl und der Segen von Familien und ganzen Distrikten knüpft.




Jagdleben im Hochland.
Geschildert von Ludwig Ganghofer.       Mit Illustrationen S. 652 und 653.
4. Hirschbrunft.

Er war kein Jäger, mein Freund, aber was ich ihm so ab und zu von all dem schönen Leben zwischen Wald und Felsen erzählte, machte ihn lüstern, und da war es einer seiner Lieblingswünsche, einmal einen Hirsch im Bergwald .„schreien“ zu hören. Nun traf es sich gut, daß er mich gerade während der ersten Oktoberwoche in meinem stillen Bergsitz besuchte. Seit acht Tagen schon war droben die Brunft in Gang, und die Hirsche schrieen allnächtlich mit orgelnden Stimmen. Es war einer der klaren, lauen, leuchtenden, von bläulichem Dunst erfüllten Oktobertage, wie sie der Herbst nur in den Bergen spendet. Einige Stunden nach Mittag schickten wir uns zum Aufstieg an; den Träger mit Zeug und Proviant hatten wir bereits am Morgen vorausgeschickt zur Hütte, damit wir uns bei ungestörtem Plaudern und Schauen des herrlichen Weges freuen konnten. Auf schmalem Pfade ging es empor durch steilen Laubwald, welcher vielfach mit Tannen und Lärchen untermischt und an manchen Stellen von schroffen, moosbehangenen Felswänden durchrissen war. Auf halbem Wege, unter einer mächtigen Buche streckten wir uns zu kurzer Ruhe in das raschelnde Laub, welches handhoch schon die Erde deckte.

Unter uns in dem von duftübersponnenen Bergen umschlossenen Thal lag schon der Schatten; hier oben aber schien noch die Nachtmittagssonne warm und golden durch das Laubwerk, in welchem der sachte Wind sein Flüstern und Wispern trieb. Zu keiner Zeit – vielleicht nur eine mondhelle Winternacht ausgenommen – ist der Bergwald so zaubervoll schön wie im Herbste. Da giebt es in der Welt keine Farbe, die er nicht zeigt, sei es an seinen hundertfältigen Moosen und Flechten oder an seinen hundertfarbigen Steinen, sei es an seinen welkenden Blumen oder an seinen gereiften und reifenden Beeren, sei es an den knorrigen Rinden und immergrünen Nadeln seiner Fichten und Föhren, oder sei es an den weiß und grau erglänzenden Stämmen seiner Buchen und Ahorne, deren Blätterfarbe von dem lang bewahrten Grün hinüberspielt in brennendes Gelb und in das tiefste Roth. Und mit der einzigen Farbe, die dem Bergwald mangelt, mit dem lichten lachenden Blau, überdacht der klare, wolkenreine Himmel das zahllose Volk seiner Bäume und Steine. Freilich ist das eine Herrlichkeit, die auf zitternden Füßen steht. Eine einzige Nacht – und dichte Wolken wallen um alle Gipfel und greifen mit ihren gaukelnden Nebelarmen nieder über Wald und Wände, schwere Regenschauer verfinstern die Luft und zeugen rauschende Wasserstürze in jeder Schlucht und Rinne, mit gigantischer Wildheit braust der kalte Herbststurm über die Berge, in gelben Wolken wirbeln die welken Blätter durch die Lüfte, von den Dächern der verlassenen Sennhütten fliegen die grauen Schindeln, mit Krachen stürzen die Tannen, und durch den weiten Bergwald geht ein dumpfes Stöhnen, als seufze die sterbende Natur durch die ächzende Stimme ihrer Bäume …

Wir aber saßen ja noch in goldigem Sonnenschein und lugten mit nimmersatten Augen in die noch währende Pracht.

„Wie schön, wie wunderschön!“ staunte mein Freund und dehnte sich behaglich in der lauen Sonne.

„Ja, warte nur, morgen um Tagesgrauen wirst Du zittern und schnattern vor Kälte und wirst vielleicht sagen: pfui, wie ungemüthlich! Wir steigen nicht nur der Höhe, wir steigen auch dem Winter entgegen.“

Als der vom Thal emporschleichende Schatten uns überholen wollte, machten wir uns wieder auf die Füße. Kaum waren wir eine Strecke weit gegangen, da hob mein Freund mit Lauschen den Kopf – er hatte ein durch die Ferne gedämpftes, langgezogenes Brüllen vernommen.

„War das ein Hirsch?“

„Ein Hirsch?“ lachte ich. „Wenn Du nichts dagegen hast, so war das eine Kuh, die irgendwo auf dem jenseitigen Berghang weidet – und wenn Du die Ohren ein wenig spitzen willst, so kannst Du auch ganz leise noch ihre Glocke hören.“

Er stellte sich etwas beschämt, wollte aber nun wissen, wie denn der Schrei eines Hirsches eigentlich klänge. Ich schaute zur Seite, damit mein Schmunzeln mich nicht verriethe, ahmte das Meckern eines an Heiserkeit leidenden Ziegenbockes nach und erklärte, so ähnlich, nur ein ganz klein bißchen anders wäre der Schrei eines Brunfthirsches wohl anzuhören.

„Merkwürdig,“ meinte er. „Und da scheint mir, daß Hieronymus Lorm auch niemals einen Hirsch hat schreien hören, sonst hätte er dieses nicht sehr poetische Gekrächze schwerlich zum Vergleich für seine lechzende Sehnsucht genommen:

‚Ich rufe wie die Wachtel im Getreid,
Ich schreie, wie der Hirsch nach Wasser schreit.‘“

„Da magst Du wohl recht haben. Uebrigens, der Vergleich hinkt auch noch auf einem anderen Fuße. Die Hirsche schreien nicht nach Wasser. Es läßt der Hirsch seine Stimme alljährlich nur durch einige Tage hören, nur in der Brunftzeit, wenn ihm ‚das Herz in Liebe schlägt‘. Nach Wasser braucht er nicht zu 'schreien, denn wenn er auch weder Teich noch Quelle findet, er löscht ja seinen Durst beim Aesen des thaunassen Grases.“

So plauderten wir im Steigen weiter, wobei uns allmählich die Dämmerung des kühlen Abends überfiel. Nahe der Jagdhütte hatten wir die Höhe einer sanft abfallenden Lichtung zu passiren. Ein geringer Sechserhirsch, der aus dem Dickicht getreten sein mußte, an welchem wir vorüber sollten, zog vertraut über den mit dürren Storren und welkendem Kräuterwerk bedeckten Schlag dem tieferen Grunde zu. Um den harmlosen Schneider nicht zu vergrämen, drückten wir uns am Saum der Dickung hinter ein Fichtenböschlein. Da plötzlich tönte kaum zwanzig Schritte lauter uns der tiefe, rauhe, weithin hallende Brunftschrei eines starken Hirsches. Mir schlug das Herz; aber trotz aller Jagdlust, die mich packte, schielte ich nach dem Gesichte meines Freundes, der erblaßt und erschrocken aufgesprungen war, als hätte er dicht hinter seinem Nacken das Brüllen eines hungrigen Bären vernommen. Doch war auch ein anderer noch erschrocken: der Schneider auf der Lichtung drunten; der mochte wohl mit dem bösen Herrn im Dickicht schon unbehagliche Bekanntschaft gemacht haben, denn in scheuer Flucht, daß unter ihm die dürren Aeste krachten, segelte er dem dunkeln Walde zu. Der andere im Dickicht schien das Brechen der Aeste richtig zu deuten; es rauschten hinter uns die Büsche, und da stand er nun, kaum einige Bergstocklängen vor uns, frei auf dem Steige – an prachtvoller Anblick. Fast schwarz erschien im bereits vollendeten Winterkleide der mächtige Körper mit dem dicken, zottig behaarten Brunfthals. Weiße Schaumflocken am Aeser, den Grind (Kopf) mit den vor Leidenschaft funkelnden Lichtern windend vorgestreckt, das Geweih, dessen gefegte Enden trotz der Dämmerung gleich weißem Silber blinkten, gegen den Nacken drückend, so stand er vor uns in seinem Stolze, in seiner Kraft und Wildheit. Allerdings genossen wir diesen Anblick nur wenige Sekunden; auf eine

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