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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Jetzt trat Alice ein, zur offenbaren Erleichterung des Präsidenten, der mit keiner Silbe den ärztlichen Besuch berührte, sondern sofort von anderen Dingen zu sprechen begann, und auch Wolfgang gab sich Mühe, seine Verstimmung zu verbergen. Die junge Dame bemerkte in der That nichts davon, sie war im Begriff, in den Garten zu gehen, um Erna aufzusuchen, und der Vater sowohl als der Bräutigam schlossen sich ihr an.

Der Garten der Bergvilla entsprach der hohen Lage, die gewöhnlichen Ziersträuche und Blumen konnten nicht gedeihen an diesem Orte, der sich nur eines so kurzen Sommers erfreute und den größten Theil des Jahres im Schnee begraben lag. Die Anlagen, die man auf der ehemaligen Matte rings um das Haus geschaffen hatte, waren neu und sonnig, aber der kleine Tannenwald, der sich an den Garten anschloß und bis zur Bergwand ausdehnte, bot in der Sonnengluth einen kühlen, schattigen Aufenthalt.

Man hatte eine Art Naturpark daraus gemacht, dem die riesigen, moosbedeckten Felsblöcke, welche, von einem einstigen Bergsturz herrührend, überall zerstreut lagen, an höchst romantisches Ansehen gaben.

Auf der Bank, die am Fuße eines dieser Felsen errichtet war, saß Baroneß Thurgau und vor ihr stand Ernst Waltenberg, aber nicht in ruhigem Gespräche; er war aufgesprungen und hatte sich ihr in den Weg gestellt, als wolle er eine Flucht verhindern.

(Fortsetzung folgt.)





Aus der Reichshauptstadt.
4. Das lustige Berlin.
Von Paul Lindenberg.       Mit Illustrationen von O. Gerlach, P. Bauer. u. a.

Im „Sternecker“. 

Ob Sommer oder Winter, ob Frühling oder Herbst, wer sich die Zeit in Berlin verkürzen will, der braucht nicht darauf zu achten, ob die ersten Schneeglöckchen schüchtern im Thiergarten emporsprießen, ob die Linden auf der nach ihnen benannten stolzen Straße süßen Duft ausströmen oder ob lustiges Schlittengeläut erschallt und dem ahnungslosen Passanten aus sicherem Versteck ein festgefügter Schneeball nachgesandt wird. Die Auswahl der Vergnügungen ist allerdings mehr oder minder eine andere, jegliche Saison hat ihre besonderen Lockungen, und fast jeder Monat bietet seine „Specialität“, die häufig grundverschieden von der vorangegangenen ist; aber gerade diese bunte Abwechslung enthält eine große Anziehungskraft und zeigt die lustige Seite der Weltstadt im mannigfachsten Licht.

Natürlich üben die einzelnen Jahreszeiten einen wesentlichen Einfluß auf den Charakter der Belustigungen aus, sie vermindern sie nicht, aber sie prägen ihnen eine bestimmtere Individualität auf und umgeben verschiedene von ihnen mit doppeltem Glanz.

Betrachten wir uns Berlin von dieser Seite im Sommer, so lenken wir wohl zunächst unsere Schritte nach dem Zoologischen Garten, auf den die Kaiserstadt mit vollstem Recht stolz sein darf Das weite Terrain mit seinem prächtigen Baumwuchs gehörte einst zum Thiergarten, bis kurz vor Mitte des vergangenen Jahrhunderts auf Veranlassung Friedrichs des Großen hier eine Fasanerie eingerichtet wurde. Als man letztere 1842 nach dem idyllischen Charlottenhof bei Potsdam übersiedelte, bat der Naturforscher Lichtenstein den König Friedrich Wilhelm IV., daß an dieser Stelle ein zoologischer Garten angelegt werden möchte. Der Herrscher war diesem Plane sehr geneigt und unterstützte das neue Unternehmen noch dadurch, daß er ihm eine beträchtliche Zahl bisher auf der von der Havel umspülten Pfaueninsel gefangen gewesener fremder Thiere überwies und auf diese Weise sogleich einen sicheren Bestand schuf. Im Sommer 1844 wurde der Garten, der damals vollständig außerhalb der Stadt lag, zum ersten Male dem Publikum geöffnet, und wenn er auch zunächst nur langsame Fortschritte machte, so blühte er unter sachverständiger Leitung und im Besitze einer kapitalsfähigen Aktiengesellschaft desto kräftiger in den siebziger Jahren sowie in diesem Jahrzehnt auf und beansprucht gegenwärtig den Rang als eines der bedeutendsten und angesehensten derartigen Institute in ganz Europa.

Es ist aber auch ein seltener Genuß, an einem schönen Vormittage hier entlang zu wandeln, ohne besonderen Zweck und ohne specielles Ziel; schmetternder Vogelgesang ertönt aus den breitästigen Baumkronen, silberner Thau liegt aus Gräsern und Halmen, goldene Sonnenstrahlen huschen über Weg und Steg und mit munterem Geschnatter ziehen in kleinen Zügen die Entenscharen durch die von künstlichem Felsgeröll und schattigen Weiden umrahmten Teiche. Wer Lust hat, kann in diesen Stunden am besten die Thiere betrachten und studiren, denn der Besuch ist nicht sehr zahlreich und stört uns nirgends. Zwar treffen wir zuweilen auf lange Kinderkarawanen, bestehend aus Schülern und Schülerinnen dieser oder jener Gemeindeschulen, aber wie könnten sie uns stören, diese Scharen kleiner Blond- und Schwarzköpfe, die mit ausgelassenem Jubel die Affenkäfige umdrängen und sich nicht satt sehen können an den drolligen Sprüngen der langgeschwänzten Vierfüßer, die mit scheuer Ehrfurcht das stattliche Löwenpaar betrachten und furchtsam sich zusammenducken, wenn der Wüstenkönig seine dröhnende Stimme erhebt, und welche die letzten Krumen ihres spärlichen Frühstücksbrotes den Rehen reichen, die bereits an die gutmüthigen Geber gewöhnt sind und sich zutraulich nähern. Sonst bilden um diese Zeit Fremde den Hauptbesuchertheil, einzelne Brunnentrinker ferner wandeln gemessen die vorgeschriebene Frist ab, auf ihren von Jasmin und Flieder überschatteten Lieblingsplätzchen sitzen empfindungsvolle Damen, ein Buch des erkorenen Autors in der Hand, und auf den Spielplätzen die, ebenso wie im Thiergarten, auch hier vorhanden sind, tummeln sich in froher Ungebundenheit Knaben und Mädchen durch einander, Kinder von Eltern, die im Besitze einer allen Familienmitgliedern freien Eintritt gewährenden Aktie sind.

Nachmittags schaut es allerdings anders im Zoologischen Garten aus, da kommen mehr die Menschen als die Thiere zur

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 632. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_632.jpg&oldid=- (Version vom 21.6.2019)