Seite:Die Gartenlaube (1888) 629.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.
Die Alpenfee.
Roman von E. Werner.
(Fortsetzung.)

Beinahe vier Wochen waren vergangen und der Juli neigte sich schon seinem Ende zu, als Präsident Nordheim nach seiner Bergvilla zurückkehrte. Die Zwischenzeit hatte ihm und der Bahngesellschaft eine Veränderung gebracht, die allerdings kaum mehr ein Verlust genannt werden konnte. Der Chefingenieur, den seine Kränklichkeit schon längst genöthigt hatte, die Oberleitung, wenn nicht dem Namen, so doch der That nach, in Elmhorsts Hände zu legen, war gestorben und über seinen Nachfolger gab es keine Meinungsverschiedenheit; der Schwiegersohn des Präsidenten, der Erbauer der Wolkensteiner Brücke, wurde einstimmig erwählt. Er trat damit an die Spitze des großen Werkes, das seiner Vollendung so nahe war.

Es war einige Stunden nach der Ankunft Nordheims, und dieser hatte sich mit Wolfgang in sein Arbeitszimmer zurückgezogen, um das Ereigniß, das sie schon brieflich verhandelt hatten, eingehend zu besprechen. Sie waren beide gleich befriedigt davon.

„Deine Wahl war ja eigentlich nur eine Form,“ sagte der Präsident. „Sie wurde ohne jede Debatte genehmigt, denn ein anderer als Du kam überhaupt nicht in Frage; aber ich gratulire dem Herrn Chefingenieur.“

Elmhorst lächelte flüchtig, aber es lag darin nichts von jenem stolzen, freudigen Selbstbewußtsein, mit dem der junge Oberingenieur einst seine Stellung angetreten hatte, und damals hatte er doch nur die erste Stufe einer Laufbahn erreicht, die sich nun so schnell und glänzend vollendete. Es war eine Veränderung mit ihm vorgegangen, er sah bleich und düster aus, und in den Augen, die sonst so kalt und scharf blickten, deren Tiefe so eisig war, barg sich jetzt ein Feuer, das bisweilen jäh und unstät aufflackerte und dann ebenso schnell wieder erlosch. Auch im Gespräch wollte die kühle Ruhe und Ueberlegenheit nicht immer Stand halten, trotz aller Selbstbeherrschung; es war, als ob ein innerer Kampf den Mann verzehre, der einst so sicher und fest seinem Ziele zuschritt, ohne nach rechts oder nach links zu blicken – ein ruheloser, qualvoller Kampf.


Bei Kroll im Berliner Thiergarten.
Originalzeichnung von O. Gerlach.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 629. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_629.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2018)