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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Die Sache war keineswegs spaßhaft für die versammelte Rathsweisheit und die Stuttgarter Herren; denn die bewaffneten Weiber hatten das Stadthaus besetzt und hielten die ganze Obrigkeit kaltherzig gefangen zwei Tage und drei Nächte lang. Derweil waren unter dem weiblichen Oberkommando die Maßregeln zur Vertheidigung der Stadt getroffen, woran natürlich Oberst Krumhar mit Leib und Seele sich betheiligte. Die anrückenden Franzosen wurden mit ihrer Forderung um Uebergabe schnöde abgewiesen, reitende Boten hatte man gen Ulm um Hilfe geschickt und richtig nahte sich dieselbe. Die Franzosen aber zogen sich davor schleunigst zurück und Schorndorf war gerettet. Seinen muthigen rebellischen Weibern war es zu danken gewesen, und ihr Verdienst war um so größer, als das Beispiel von Schorndorf den Geist des Volkes im Lande belebte und es zur Selbsthilfe gegen die schamlose Willkür des eingedrungenen Feindes in Bewegung setzte.

Und Anna Barbara Walch, die Bürgermeisterin, hatte sich in erster Reihe um ihr Schorndorf verdient gemacht. Sie wurde als Frau Künkele oder Künkelin gebührend in der Geschichte und in Dichtungen gefeiert; zur Zeit ihrer Heldenthat war sie aber, wie urkundlich in neuerer Zeit erwiesen wurde, an den Bürgermeister Walch verheirathet und erst ein Jahr danach, nachdem ihr 63jähriger Gemahl das Zeitliche gesegnet, gab ihr der Rathsherr Künkelin seine Hand und seinen Namen. Er war auch Walchs Nachfolger als Bürgermeister von Schorndorf. Seine berühmte Frau starb 90 Jahre alt erst im Jahre 1741 und daher kannten ihre Zeitgenossen sie nur als die Künkelin. Ihr und der zweihundertjährigen Jubelfeier in diesem Jahre zu Ehren hat Karl Mayer in Stuttgart ein Festspiel in fünf Akten gedichtet, das sich an die Ergebnisse der neuesten geschichtlichen Ermittelung hält und das unter vielem Beifall auch auf dem Theater in Cannstatt mehrfach zur Aufführung kam. Friedrich Lauffer hat ferner eine „Festschrift zur zweihundertjährigen Jubelfeier der Befreiung von Stadt und Festung Schorndorf im Jahre 1688“ herausgegeben, die des Interessanten viel bietet, während die Stadt selbst anfangs September in einem großartigen und sinnreichen Dank- und Freudenfest das Andenken ihrer tapferen Bürgerinnen ehrte, welche Schorndorf aus den Mordbrennerhänden Mélacs vor 200 Jahren retteten und der Welt ein Beispiel gaben, wie „die stolze französische Kriegswellen durch Weibercourage, zu ihrem ewigen Ruhmgedächtniß, der hochmüthigen Reuter aber ewigem Spott niedergeleget worden“.

Nestlinge. (Mit Illustration S. 625.) Ein allerliebstes Bildchen, das sich mehr als viele andere selbst erklärt, so „sprechend“ ist der einfache Vorgang, den es darstellt. Die alte, sauber gekleidete Bauerfrau, deren runzliges Gesicht, deren schwielige Hände von einem langen Leben voll unermüdlichem Schaffen und harter Arbeit erzählen, beschränkt jetzt ihre Thätigkeit darauf, „Nestlinge“ groß zu ziehen. Alles junge Leben im Hofe ist ihrer Sorge anvertraut, von den Enkelkindern an bis herab zu den eben ausgekrochenen „Kücken“. Und wie gern und freudig schafft Großmutter noch immer! Hände wie die ihrigen ruhen nicht eher, als bis sich der grüne Rasen über ihnen wölbt; nicht eher werden auch die treuen Augen und Lippen aufhören, den heranwachsenden „Nestlingen“ freundlich zuzulächeln.

Eines derselben, ein junges Menschenkind, naht vorsichtig mit kleinen trippelnden Schrittchen, um die schmausenden Küchlein nicht zu verscheuchen. Reizend hat der Künstler in der Haltung des Kindes die Neugier mit ein ganz klein wenig Bangen vor den gefiederten Genossen auszudrücken verstanden. Ja, in der That, unser Kindchen, obgleich schon drei Jahre alt, ist in der Entwickelung zum selbständigen Wesen noch weit zurück hinter den Thieren, die kaum eben so viel Tage zählen. Das kleine Menschenkind fürchtet sich vor den Vöglein, die es leicht in seinen Fingern zerdrücken könnte, und seit kurzem erst hat es gelernt, allein zu essen und fest auf seinen Füßen zu stehen, was die gefiederten „Nestlinge“ schon in der ersten Stunde ihres Daseins vortrefflich gekonnt haben.

Mustersammlung alter Leinenstickerei für Haus und Schule nennt sich ein neues, handliches Lieferungswerk, in Leipzig bei T. O. Weigel erschienen, welches zu den bereits bekannten Werken von Siebmacher und Lessing als werthvolle Ergänzung hinzutritt, denn in richtiger Erkenntniß vermeidet es den Versuch, jenen in ihrem eigensten Gebiete, den kunstvollen altdeutschen Mustern, Konkurrenz zu machen, vielmehr legt diese Sammlung das Hauptgewicht auf die ausländischen Gebiete, die bisher noch nicht eingehend behandelt waren, und bringt eine große Anzahl außerordentlich hübscher Muster von altfranzösischen und italienischen, russischen, slavonischen, rumänischen, altholländischen, persischen, türkischen und ungarischen Mustern. Auch die berühmten siebenbürgisch-sächsischen Stickereien sind in außerordentlich ansprechenden Mustern vertreten, an welchen jede Stickerin ihre Freude haben wird. Die altdeutschen Muster zeichnen sich fast durchweg durch zierliche Einfachheit und praktische Brauchbarkeit aus. Die der andern Nationen zeigen dagegen einen großen Reichthum prächtiger Grundmuster und Umrahmungen; besonders dürften die orientalischen Muster auch zur Ausführung in Seide und Gold geeignet sein. Wir glauben durch den Hinweis auf dieses vortreffliche Wert, welches lieferungs-, ja sogar blattweise zu billigem Preise käuflich ist, den Freundinnen der kunstvollen Leinenstickerei einen Gefallen zu erweisen.

Japanische Bronzefigur.
Gezeichnet von Ernst Häberle.

Ein japanisches Kunstwerk. (Mit Illustration.) Das japanische Kunstgewerbe hat in den beiden letzten Jahrzehnten im christlichen Abendland eine ungewöhnliche Verbreitung gefunden, und den Erzeugnissen insbesondere der Lackmalerei, Keramik, Email- und Bronzeindustrie, der Holz-, Elfenbein- und Steinschneiderei, Weberei, Färberei etc. sind auf den verschiedenen großen Weltausstellungen erste Preise zuerkannt worden. Ueber den Werth des außerordentlichen Einflusses, den das japanische Kunstgewerbe auf unsere ganze Geschmacksrichtung ausgeübt hat, kann man indeß sehr entgegengesetzter Meinung sein, und der Behauptung, daß die übertriebene Nachahmung alles Japanischen, von der Dekoration unserer Zimmer an bis zum Mikadokopfputz der Damen, der freien Entwickelung der heimischen Kunst entschieden hinderlich sei, wird kaum ernstlich widersprochen werden können. Ebenso wenig aber ist zu verkennen, daß die japanische Kunstindustrie in der That eine hohe Blüthe erlangt hat und darum der Beachtung durchaus werth ist. Dies bestätigte auch die übersichtliche Zusammenstellung japanischer Dekorations- und Schmuckstücke, welche seiner Zeit auf der Kunstgewerbe-Ausstellung in Nürnberg die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zogen und unter denen namentlich eine Figur von Bronzeguß Aufsehen erregte. Diese Figur, den Wassergott darstellend, giebt unsere Abbildung wieder. Sie war von M. Marunaka in Yokohama ausgestellt, ist einen Meter und zwanzig Centimeter hoch und aus einem Stück. Die bis in die kleinsten Details feine Arbeit der Figur fand besondere Anerkennung.

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Kleiner Briefkasten.
(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)

J. B. in Düsseldorf. Lesen Sie gefl. unseren Artikel „Briefliche Kuren“ („Gartenlaube“ 1886, S. 138), aus welchem Sie ersehen werden, daß wir in medizinischen Fragen keinerlei Rath ertheilen, als den, einen tüchtigen praktischen Arzt zu befragen, der den Kranken persönlich untersuchen und behandeln kann.

C. P. Der höchste Berg Deutschlands ist, wie Sie in der „Gartenlaube“, Jahrgang 1874, S. 245 nachlesen können, die „Zugspitze“ in Oberbayern; sie erhebt sich 2974 Meter über dem Meeresspiegel. Als höchste Erhebung Deutschlands im weiteren Sinne (das heißt: mit Hinzurechnung der Kolonien) gilt jedoch der Bergriese Kilima Ndscharo in Ostafrika, der etwa 5700 Meter hoch geschätzt wird.

A. P. in Chicago. Eine gute illustrirte und anziehend geschriebene Weltgeschichte ist diejenige von K. F. Becker. (Stuttgart, Gebr. Kröner.)


Für die nothleidenden Bewohner der von Elbe, Oder und Weichsel überschwemmten Gebiete

gingen ferner ein: Carl Kaesser in London Mark 20; J. Kritzner, Kindersäbelfabrikant in Nürnberg 10; L. Egenter, Apotheker in Altshausen 4; Marie und Emilie Klauwell in Brighton 20; Herm. Schroeder in Cedar, Texas, 10 Dollar = 41,60; Alexander Wiede in Leipzig 40; Hugo W. in Chemnitz 1: J. P., Schleswig 9; H. Krohne, Deutscher Reichsangehöriger in Orlowo 25 Rubel = 44,10; Oberförster Paulus in Oberems 5; Lehrer Wolfrum in Schwarzenbach a. W. 10; G. Reinh. Glück, Rosenthal b. Altenburg 3,50; Ergebniß einer Sammlung des Deutschen Vereins (Woolwich) durch W. Zoephel in London 150; M. und A. in Hamburg 10; die Braut eines Westpreußen in Lb. 2; „Ungenannt in Fr. b. E.“ 10 Fl. ö. W. = 16,10; M. Musmann in Wittenberg aus seiner Sparbüchse 1; Emmi in Königsberg i. d. N. 2; H. Meye in Husum, zweiter Beitrag 2; Damen-Spielkränzchen der Gesellschaft „Erholung“ in Mittweida 12,86; zuviel bezahlter Betrag eines werthen Kunden in Stützerbach, einges. durch Friedrich Wilcke in Berlin 7; aus dem Kattenbusch in Bickern 8; Familie Seiler in Luckau 3; aus Stara-Jerikla, mit dem Motto: „Gott segne es tausendfach“ 10 Rubel = 17,90; J. H. in Hamburg 10; ein Abonnent der „Gartenlaube“ in Moskau 2 Rubel = 3,65; Oskar Scharwenker in Letschin 3; G. in E. 10; G. Bieber in New Brompton 3; E. K., Poststempel Bahnpost Leipzig-Hof 1; von Julius, Max und Fanny, aus Graaff Reinet, South Afrika, durch J. Katz in Kassel 20; Robert W…d in Sachsenhausen 3; von den Schülerinnen einer Privathandarbeitsstunde durch Alw. Krüger in Dresden-Altst. 44; von der Witwe C. Binsenbruck in Burlington durch Theod. Guelich 5 Dollar = 20,65; 1. Cor. XIII v. I in W. (Holland) 4; unter einigen Freunden gesammelt durch Gustav Schmolke in Carnarvon, Kapland 60,69; Otto von Schröter in San Jose, Costa Rica 300.

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