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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)


Die deutschen Vermißten und die „Gartenlaube“.

Wiederholt, zuletzt im Jahrgang 1886 (Nr. 13), hat die „Gartenlaube“ die Mahnung ausgesprochen, Briefe an Angehörige im Auslande mit ganz genauer Adresse zu versehen, da dieselben sonst nicht bestellbar sind und nur allzu oft verloren gehen. Erfolgt dann auf einen so verlorenen Brief keine Antwort, so tritt oft eine lange unangenehme Unterbrechung des schriftlichen Verkehrs ein, bis endlich durch mühselige Nachforschungen die Adresse aufs neue festgestellt, der Gesuchte wiedergefunden ist. Die Vermißtenlisten der „Gartenlaube“ geben hiervon ein beredtes Zeugniß.

Die meisten unbestellbaren Briefe gehen nach den Vereinigten Staaten, trotzdem amerikanische Zeitungen von Zeit zu Zeit die Aufforderung erlassen, die Adressen der nach den Vereinigten Staaten bestimmten Briefe ja recht deutlich zu schreiben, da große Mengen auch aus Deutschland kommender Briefe ungenügender Adressen halber zerstört werden müßten: zumal auch, weil die Unterschriften der Absender in den später amtlich als „unbestellbar“ geöffneten Briefen oftmals nur aus bloßen Vor- oder Verwandtschaftsnamen beständen. Immer wieder wird auch darauf aufmerksam gemacht, daß der Aufbau oder die Anordnung der Adressen selbst besser nach amerikanischem System als nach deutscher Weise geschehe, welche erstere Art von allen außereuropäischen Staaten angenommen worden ist. zum Vergleiche diene diese Anordnung:

deutsch:   amerikanisch:
 Mr. N. N.      Mr. N. N.
 Cincinnati  349, Vine Street,
 Nord-Amerika  Cincinnati (O.)
Vine Street Nr. 349.  U. St. of. N. A.

Es ist hierbei das von unten nach oben zu wandernde Auge des Briefträgers und besonders der Briefsortirer in Obacht genommen: Land – Stadt (mit Staat) – Straße mit Nummer – Name. In den Adressen amerikanischer Briefe nun, die hier so hauptsächlich in Betracht kommen, spielen auch die verschiedenen Abkürzungen eine große Rolle, in erster Reihe die Buchstaben- und Silbenabkürzungen für die verschiedenen einzelnen Staaten der Union, die unmittelbar hinter den Städtenamen, meistens in Klammern, stehen, z. B. Boston (Mass.) oder Boston, Mass. Die folgenden Abkürzungen der Staaten und Territorien habe ich sämmtlich amerikanischen Briefstempeln, öffentlichen Anzeigen und sonstigem authentischen gedruckten Material für den Zweck entnommen, um amerikanische Adressen bester verstehen und schreiben lernen zu können. Für viele Empfänger, für die meisten vielleicht, sind ja diese Buchstaben- und Silbenabkürzungen hinter den Städtenamen, wie O., Pa., Cal., Or., Va., N. Y. etc. etwas durchaus Räthselhaftes. Die gebräuchlichen Abkürzungen sind die folgenden: Neu-England Staaten: Me. (Maine), N. H. (New oder Neu Hampshire), Vt. (Vermont), Mass. (Massachusetts), R. I. (Rhode Island), Conn. (Connecticut); die Mittel-Staaten: N. Y. (New-York), N. J. (New Jersey), Pa. (Pennsylvanien), Del. (Delaware), Md. (Maryland), D. C. (Bundesdistrict von Columbia). Die südlichen Staaten: Va. (Virginia), N. C. (Nord-Carolina), S. C. (Süd-Carolina), Ga. (Georgia), Fla. (Florida), W. Va. (West-Virginia); die nordwestlichen Staaten: O. (Ohio), Mich. (Michigan), Ind. (Indiana), Ill. (Illinois), Wis. (Wisconsin), Io. (Iowa), Minn. (Minnesota), Kans. (Kansas) und Col. (Colorado); die südwestlichen Staaten: Ky. (Kentucky), Tenn. (Tennessee), Ala. (Alabama), Miss. (Mississippi), Mo. (Missouri), Ark. (Arkansas), La. (Louisiana), Tex. (Texas), Nev. (Nevada), N. M. (New Mexiko), und die pacifischen Staaten: Cal. (California) und Or. (Oregon). Die Territorien, das heißt nicht in den Unionsstaaten-Verband eingetretene Staaten, die sich ihre eigene Verfassung geben, welche jedoch vom Kongreß anerkannt werden muß, wie auch der jedesmalige Präsident die „Governors“ der Territorien ernennt, diese Halb-Staaten sind: U. (Utah), Wash. (Washington), Nebr. (Nebraska), Ariz. (Arizona), Dak. (Dakotah), id. (Idaho), Mont. (Montana), Wyo. (Wyoming) und Alas. (Alaska). Ich glaube wohl annehmen zu können, daß deutsche Verwandte in allen diesen Staaten vertreten sind und Briefe absenden und „erwarten“.

Die sonst auf amerikanischen Briefen üblichen Abkürzungen sind und bedeuten: Mr. (= Mister, so ausgesprochen, allein nie so geschrieben, unser „Herr“), Mrs. (gesprochen Missis, doch nicht so geschrieben, eine Abkürzung von Mistreß), für verheirathete, wie Miß für unverheiratete Frauen aller Gesellschaftsklassen. Die Abkürzung Esq., auch Esqre. geschrieben (= Esquire), ist, im Vergleich mit dem einfachen Mr. (Herr), ein den feineren Gesellschaftsklassen angehörenden Herren, Großkaufleuten, Grundbesitzern, Gelehrten und Beamten beigelegter „Titel“, der etwa unserem „Hochwohlgeboren“ entspricht. Das Mr. fällt dann vor dem Namen fort, z. B. also James Field Esq. – Unser „per Adresse“ ist auf den Briefen durch das vielangewandte c./o. (= care of, wörtlich zur Besorgung von) wiedergegeben, z. B.

Mr. M. Mumm
c./o. James Field Esq.

Ave. (= Avenue), eigentlich Allée, jetzt allgemein für größere Straßen, wie Fifth Ave.. (auch nur 5th Ave., in New York als Millionär-Straße bekannt: cor. (= corner, Ecke einer Straße); st. (hinter 1, 21, 121, etc.) nd. (hinter 2, 22, 42, 122 etc.), d (hinter 3, 33, 133 etc.), th. (hinter 4, 5, 6, 7, 8, 18, 128 etc.) bedeuten 1., 2., 3., 4., 42., etc. und stehen zur Bezeichnung der nach und mit Zahlen vielfach benannten Straßen (Streets,, oder abgekürzt Str.), also z. B.

cor. of 3d Ave., & 24th Str.,

das heißt Ecke der 3. Avenue und 24. Straße. U. St. of N. A. steht für United States of North America, Vereinigte Staaten von Nord-Amerika. Die Adressen müssen, wie ja auch bekannt, nur mit lateinischen Buchstaben und recht deutlich geschrieben werden. Auf der Rückseite des Briefumschlags oder Kouverts bemerke man auch den vollen Namen des Absenders, seinen Wohnort und die etwaige nähere Bezeichnung desselben (z. B. A. Hahn, Priepert bei Fürstenberg, Mecklenburg). Eine vollständige Adresse baut sich etwa so auf:

Mr. A. Brenner
c./o. B. D. Petersen Esq.
 cor. 2nd Ave. & 33d Str.
 Fontana (Kans.)
 U. St. N. A.

 oder: North America.

Oder auch:

Mr. H. Gern
 23, Whitney Street
 Congress
 Wayne Co. (O.)
     North America.

Die Abkürzung Co.. in der letzteren Adresse bedeutet nicht etwa Kompagniegeschäft, sondern steht für County, Grafschaftseintheilung eines Staates, wie hier eine der Einteilungen von Ohio (O.).

Dieses sind die großen Einzelheiten einer solchen Adresse, die auch in dem Briefe selbst wiederholt werden muß, wie dies in jedem von Deutschland abgesandten Briefe mit der deutschen Adresse, oben zu Anfang des Schreibens, der Fall sein sollte, damit beim etwaigen Oeffnen des Briefes von amtlicher Seite nicht nur die volle Unterschrift, sondern auch die volle Adresse des Briefschreibers festzustellen ist. Die Mehrzahl der Auswanderer gehört dem Bauern- oder Handwerkerstande an, die zum großen Theil ihre Schulbildung zu einer Zeit erhalten haben, wo noch der Unterricht in der Volksschule arg daniederlag. Man muß Briefe von solcher Hand gesehen haben, um zu erschrecken über den Mangel an praktischen Kenntnissen und Fertigkeiten in diesen Volkskreisen. Nach „drüben“ hin geht dazu der Wunsch, recht deutlich und klar die Adressen in jedem Brief zu schreiben; an unsere Briefschreiber „daheim“, die gesandten Adressen recht deutlich nachzuschreiben, oder „nachzumalen“, wo es nicht anders geht, und sich dabei die obenerklärten Abkürzungen recht klar zu machen. Richtige, genaue Adressen und stets ganze Namensunterschriften – und viel Jammer und Klage über Verschollene wird es weniger geben!

Hermann Kindt.     




Blätter und Blüthen.


Friedrich Hofmann †. Wiederum dringt zu uns aus dem Thüringerlande eine schmerzliche Trauerbotschaft: der älteste Veteran der „Gartenlaube“ Friedrich Hofmann ist am 14. August in dem Badeorte Ilmenau im Kreise seiner Lieben sanft entschlafen.

Siebenunbzwanzig Jahre hat er rastlos für unser Blatt gewirkt, und wie verdienstvoll seine Thätigkeit gewesen, das ist unserem weiten Leserkreise wohlbekannt. Vor zwei Jahren, als der nun Heimgegangene, damals schon in dem hohen Alter von 73 Jahren stehend, sich von der regelmäßigen Thätigkeit in unserer Redaktion zurückzog, um die wohlverdiente Ruhe zu genießen, haben wir unseren Lesern eine ausführliche Biographie Friedrich Hofmanns mitgeteilt und ihm öffentlich gedankt für die aufopferungsvolle Treue, mit der er unserem Blatte gedient. An dem erhebenden Lebensbilde, welches wir damals entrollen konnten, vermochten die zwei letzten Jahre nichts zu ändern: Friedrich Hofmann ist bis zum letzten Atemzuge der „Alte“ geblieben, der stets nach seinem Grundsatze handelte: „Nur das Schaffen macht Freude und aller Freuden freudigste ist das Bauen am Glück anderer.“

Stets folgte er dem Zuge des Herzens und konnte nicht leben ohne wohlzuthun. Er selbst konnte nicht mit offenen Händen geben, aber er fand stets das richtige Wort, um die Hände der mit Lebensgütern reicher Gesegneten zu öffnen. Dabei war er ein eigenartiger Wohltäter. Nicht allein materielle Hilfe wollte er denjenigen bringen, welche hart ringen mit der Lebensnoth, sondern er war auch unermüdlich darauf bedacht, dort, wo es nöthig war, „den Herzensfrieden zu stiften“. Er hatte seine Unglücklichen, die sonst in der Welt vergessen waren, und für die zu sorgen er sich verpflichtet fühlte. So war er jahrelang bestrebt, Verschollene aufzufinden und die verlorenen Söhne in den Schoß der Familie zurückzubringen. Wie viele er dadurch beglückt hat, davon zeugen seine oft rührenden Berichte über die „Gefundenen“ in der „Gartenlaube“.

„Das ist der höchste Lohn für unser Wirken, wenn wir erfahren, daß es uns gelungen ist, in ein düsteres Heim einen Sonnenstrahl bringen zu lassen,“ so sagte er, wenn Dankbriefe für irgend ein von ihm unternommenes Liebeswerk ankamen und er hatte diesen Lohn in hohem Maße geerntet, denn die von ihm gesammelten Liebesgaben wanderten in alle Gaue Deutschlands.

Was Friedrich Hofmann als Schriftsteller und Dichter geschaffen, das wird nicht verloren gehen und nicht vergessen werden; daß er aber monatelang im Jahre in aller Stille an den Werken reiner Nächstenliebe arbeitete, das ist nicht einmal allen denjenigen bekannt, die durch ihn beglückt wurden – und in dem Lorbeerkranz, der auf das Grab des

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