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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

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Die Alpenfee.
Roman von E. Werner.
(Fortsetzung.)

Der letzte Abglanz der Abendröthe war längst verschwunden und feuchter Abendthau legte sich auf Wälder und Matten, leise stieg die Dämmerung aus den Thälern empor zu den noch lichten Höhen und dort drüben begannen die Schneegipfel im weißen Lichte zu schimmern. Der Mond, der noch nicht sichtbar war, sandte seinen geisterhaften Schein voraus.

Da flammte auch der Holzstoß auf am Wolkenstein, anfangs nur dampfend, knisternd, glühend, bis das Feuer die mächtigen Scheite selbst ergriff, und nun loderte es empor in wilder, gluthrother Pracht, begrüßt von dem Jubel des ganzen Kreises , der es umgab – das alte Sonnwendfeuer der Berge!

Es war ein eigenartig schönes Bild, das mit der zunehmenden Dunkelheit nur noch malerischer wurde: die riesige Flammengarbe, die funkensprühend zum Himmel aufschlug, und ringsum die braunen Gestalten der Aelpler, in dem rothen Feuerschein, in stürmisch jubelnder Bewegung. Das verfolgte und neckte sich, schwang sich um das Feuer, schleuderte glühende Holzscheite empor und jauchzte dabei hell auf in übermüthiger Lust, die das Prasseln und Lodern der Flammen nur noch wilder anzufachen schien, und über dem allen wallte und wogte in dichten Wolken der Rauch, der den ganzen Feuerkreis bald verschleierte, bald wieder enthüllte.

Erna und Waltenberg hatten ihren Platz nicht verlassen, sie mochten bei der gar zu übermüthigen Lust dort drüben wohl eine gewisse Abgeschlossenheit für nöthig halten. Nicht weit von ihnen stand Wolfgang, mit übereinandergeschlagenen Armen, anscheinend ganz versunken in den phantastischen Anblick. Er hatte, viele leicht zufällig, seinen Standpunkt so gewählt, daß er größtentheils im Schatten blieb. Um so heller


Der Korbflechter.
Nach dem Oelgemälde von L. Blume-Siebert.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 581. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_581.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2018)