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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

ob wir sie ehrlich und offen als unsere guten Kameraden willkommen heißen oder ihnen, falls sie Pfuscherinnen und anspruchsvolle eitle Dilettantinnen sind, ablehnend aus dem Wege gehen. Was aber speciell die junge blonde Dame betrifft, die da eines Tages das leerstehende Atelier neben dem meinen gemiethet und dabei durch ihre ruhige Sicherheit im Verhandeln mit dem Hausbesitzer nicht nur mir, sondern auch den beiden andern Malern, deren Ateliers auf den gleichen Flur stießen, bedeutend imponirt hatte, so galt von ihr im besondern jene Stelle aus ‚Schillers Mädchen aus der Fremde‘: ‚Doch eine Würde, eine Höhe entfernte die Vertraulichkeit‘.“

„Du wirst weitschweifig, Schatz.“

„Unterbrich mich nicht, Aennchen! – Als wir drei Maler, der eine war ein Thiermaler aus Berlin, der andere aus Dresden und gleich mir ein Genremaler, uns über die empfangenen Eindrücke nach einigen Tagen unterhielten, machte ich sogar den Versuch, ihr den Spitznamen ‚Das Mädchen aus der Fremde‘ zu geben; doch der Thiermaler protestirte: er habe noch nicht bemerkt , daß ‚ihre Nähe beseligend‘ sei. – Silentium, Aennchen! Du bekommst sogleich wieder das Wort. – Sie sei eben eine phlegmatische Holländerin, das sage alles. Wenn sie aber einen besonderen Ehrennamen bekommen solle, so mache er als echter Berliner einen andern Vorschlag: die ‚kühle Blonde‘– Aennchen, Du verzeihst die Indiskretion – die ,kühle Blonde‘ solle sie hinfüro heißen. Ja, schlechte Witze machen leider auch wir Maler, zumal wenn wir jung und guter Laune sind. Und wir waren ganz guter Laune in jener Stunde und waren trotz der Spötterei vom ersten Tage an sehr gut auf unsere Ateliernachbarin zu sprechen, die nicht nur blond und im Anfang wirklich etwas gar zu kühl war, sondern auch bescheiden und geräuschlos in ihrem Auftreten, klar und bestimmt in ihren Absichten und Ansichten, dankbar und empfänglich für jeden guten Rath und schließlich auch sehr gemüthlich und heiter im Umgang, wie wir es im Anfange nie für möglich gehalten. Ja, als das Fräulein nach der ersten Ferienunterbrechung etwas später als wir anderen zurückkehrte, gestand sogar der Berliner, daß das Fehlen der ‚kühlen Blonden‘, die auch seine Frau inzwischen ins Herz geschlossen habe, ihn ordentlich beunruhige, und er habe ihr unrecht gethan, sie gleiche wirklich dem ‚Mädchen aus der Fremde‘ in des Wortes schönster Bedeutung.“

Hier unterbrach aber doch nachdrücklichst den kecken Erzähler die Malerin, indem sie ihm mit dem Finger drohte.

„Die Indiskretionen und Spöttereien konnt’ ich mir noch gefallen lassen,“ rief sie, „aber so ins Angesicht sich loben und über Gebühr rühmen lassen, das geht mir wider die Natur. Es ist Zeit, daß ich Dir das Wort entziehe, damit wir wieder zur Sache kommen. Es ist wahr, ich hatte mich über die Herren nicht zu beklagen, und wenn sie mich für übermäßig kühl gehalten hatten , so belehrte ich sie bisweilen eines Besseren, zum Beispiel sobald sie sich erlaubten, sich über mein geliebtes und schönes Holland, das man in Deutschland so wenig kennt und deshalb so oft ungerechterweise lästert, lustig zu machen. Wie mir mein Mann später gestanden hat, thaten dies die schlimmen Menschen gerade erst recht, nachdem sie bemerkt, in welche Wallung die gekränkte Vaterlandsliebe mein Gemüth versetzte. Denn ich nahm noch alles für Ernst, und da unsere heimische Lebensweise von der in München üblichen recht bedeutend abweicht – nicht immer zum Nachtheil der unseren – ich daher schon so Mühe hatte, mich in all das Fremde zu finden, war ich den drei Flurnachbarn, die im übrigen ja meinen Dank verdienten, oft recht ernstlich bös darüber, daß sie durch solche Ausfälle mein Heimweh noch steigerten. Natürlich bewog mich dies erst recht, sobald die Junisonne zum Reisen lockte, meinen Weg den Rhein hinab in die Heimath zu nehmen, und ich hätte es für Verrath an dieser gehalten, wenn ich einer der Einladungen von mir befreundet gewordenen Münchner Familien gefolgt wäre, auch einmal meine Ferienzeit fern von Holland zu verbringen.“


Die Reiterstatue des Prinzen Friedrich Karl von Preußen.
Modellirt von Bildhauer Emil Steiner in Berlin.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 573. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_573.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2018)