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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

An der Stelle, wo die Kronenbügel kreuzen, sind in erhabener Arbeit die heilige Jungfrau und der Engel Gabriel dargestellt. Sämmtliche Kleinodien sind von hohem Kunstwerthe.

Und mindestens ebenso reich als Deutschland und Oesterreich dürften die Kulturländer des Westens an Funden sein. Endeckten beispielsweise doch in der französischen Stadt Dijon vor wenigen Jahren Handwerker bei Gelegenheit von Reparaturen im Wohnhause einer Bürgerfamilie bei dem Wegräumen von altem Eichenholzgetäfel über eine Viertelmillion Franken in Goldmünzen altfränkischer Prägung, welche seit der Reformation dort geruht haben mochten. Die Funde der auf diesem Gebiete reichsten Länder Europas, Italien und Griechenland, nur in einigen Hauptstücken zu verzeichnen, würde, selbst bei größter Auswahl, an dieser Stelle zu weit führen; wir müssen darauf verzichten!

Es sei nunmehr aber mit wenig Worten noch jener Schätze gedacht, welche, im feuchten Elemente ruhend, in den Ocean oder andere umfangreiche Gewässer versanken. Welche Unsummen von Werthen mögen allein nur auf dem Grunde des atlantischen Oceans, zwischen Europa und den Vereinigten Staaten Nordamerikas – der wahrscheinlich am stärksten befahrenen Schifffahrtslinie unseres Planeten – ruhen! Vielleicht könnten die amtlich geführten Navigationstabellen der englischen Admiralität am ehesten annähernd ein Größenbild dieser versunkenen Schätze bieten.

Erwähnenswerth sind jene Edelmetallschätze, die beim Untergange der spanischen „Armada“ an der Küste der Niederlande in der Nordsee versanken und welche neuere Annahmen im Harlemer Meer ruhen ließen. Inzwischen ist gedachter Binnensee trocken gelegt, aber man fand die dort sehnlichst erwarteten Schätze nicht, obschon Trümmer der gestrandeten spanischen Kriegsschiffe bloßgelegt wurden. Das fragliche Fahrzeug muß also auf hoher See gesunken sein, denn so gut man die bronzenen Schiffskanonen der Spanier auffand, ebenso gut wären wohl jene Metallschätze entdeckt worden.

Auch an den Gestaden des Bodensees erhalten sich unter den Uferbewohnern Geschichten über zur Römerzeit versunkene Schätze, welche seit Jahrtausenden auf dem Boden des Schwäbischen Meeres lagern sollen. Freilich ist zu Zeiten der römischen Weltherrschaft diese Wasserstraße ein frequenter Weg zur römischen Feste Augusta (Augsburg) gewesen, und bei der geringen Tüchtigkeit der damaligen Schiffe sowie dem wilden Wogenschwall des Bodensees im Sturm ist es wohl möglich, daß diese Sagen auf Thatsächlichem beruhen. Wahrscheinlich werden die auf dem Meeresboden ruhenden Schätze aber für alle Zeiten verloren sein, es müßten denn Wissenschaft und Technik der Zukunft die Hebung derselben aus den Tiefen, in denen sie jetzt liegen, erleichtern, oder aber der Grund des Oceans sich soviel heben, daß denselben beizukommen wäre.

R. Zander.     




Durch Arizona.
Von Rudolf Cronau.

Die schneegekrönten Berge der Sierra Nevada, das Wunderthal Yosémite und seine Riesenbäume lagen hinter uns, und in hastiger Eile trug uns das schnaubende Dampfroß neuen Zielen entgegen. Wir fuhren durch die südkalifornischen Ebenen. Aus dunklem Laube glühten die feurigen Granaten, goldgelb schimmerten am Boden die Melonen. Feigen-, Pomeranzen- und Pfefferbäume drängten sich neben hochstämmige Palmen, neben Bananen, Eukalypten und immergrüne Eichen. Auf den weiten Sandflächen sproß der Kaktus in üppiger Fülle, die Agave reckte aus ihrem schwertergleichen Blätterkorb den hohen, mit schneeweißen Blüten gezierten Schaft empor. Und nun, inmitten dieser sonnigen Herrlichkeit, von ausgedehnten Weingärten, Orangen- und Limonenhainen umkleidet und von freundlichen Höhen umschlossen, erschienen die weißleuchtenden Häuser von Los Angeles, der Stadt der Engel.

Der ganze, eines 150jährigen Alters sich rühmende Ort ist ein einziger großer Fruchtgarten; alles blüht und gedeiht dort in fröhlichster Ueppigkeit, dank dem benachbarten Los Angeles-River, dessen Wasser durch künstliche Leitungen nach der Stadt und ihrer Umgebung geführt wird. In der Nähe liegt San Gabriel mit seiner alten Mission, deren Orangenhain der älteste Kaliforniens ist und der noch von jenen Patres stammt, die, lange bevor die Pilgrimväter an der sturmgepeitschten Küste Neu-Englands landeten, die nördlich von Mexiko gelegenen Territorien durchzogen und überall an den malerischsten Punkten, an der blauen See wie im Schatten schneegekrönter Bergesgipfel ihre mit Kolonnaden und Glockenthürmen versehenen Missionskirchen errichteten. Zum Theil noch erhalten, zum Theil schon Ruinen, weisen dieselben heute in ihrer Architektur einen seltsamen halb spanischen, halb maurischen Stil auf. Die reiche Ornamentik der Thür- und Fensterbogen stammt noch von alten Meistern, und altersbraune Bilder reden von jener Zeit, wo die Conquistadoren, diese gigantischen Freibeuter, mit. Kreuz und Schwert die Wetl durchzogen und der Geschichte ihres Vaterlandes hohen Glanz verliehen.

Savannah, Monte, Puenta, Spadra, Pomona, Cucamanga sind Stationsnamen von gutem Klang, aber wenig Belang; erst das 61 Meilen von Los Angeles entfernte Städtchen San Bernardino, an dem durch den Cajou-Paß nach den Minenregionen von Nevada und Arizona gelegenen alten „Trail“, ist von einiger Bedeutung. Historisch interessant ist, daß diese Stadt eine Kolonie der Mormonen und in gleicher Weise wie Salt-Lake-City angelegt und mit Wasser versehen ist. Bei San Bernardino führt die Bahn über den 2591 Fuß über dem Meeresspiegel gelegenen San Gorgoniapaß, um nunmehr in die Sahara Amerikas, in die berüchtigte Coloradowüste einzutreten.

Oeder und öder wird die Scenerie. Die plötzlich aus dem Thal aufsteigenden Bergwände, die bisher spärlich mit dunkel scheinendem Buschwerk versehen waren, zeigen sich nunmehr gänzlich kahl und nackt und bieten trostlose, nur durch ihr Kolorit fesselnde Wände dar. Nur einzelne Cedernbüsche und Kakteen sind geblieben; kaum ein Vogel, kaum ein Nagethier ist mehr zu sehen, alles Leben scheint erstorben zu sein.

Schnell beginnt die Bahn in die Wüste hinabzusinken. Bei „Seven Palms“ ist die Erhöhung über dem Meeresspiegel nur noch 584 Fuß, dann aber erfolgt ein Gefälle bis sogar unter den Meeresspiegel. So liegen die Stationen Indio 20, Dos Palmas 254, Frink’s Springs sogar 266 Fuß unter dem Niveau des Oceans.

Weit und breit kein Baum, kein Hälmchen Gras; leer wie eine Bettlerfaust dehnt sich eine nackte sandige Fläche, die gegen ihr Südende von mächtigen Wanderdünen durchzogen ist. Gegen Westen und Osten wird sie von ebenso vegetationslosen, rothbraunen, seltsam zerhackten Klippen eingefaßt, die sich in langen Zügen koulissenartig hintereinander emporschieben und in der grellen Sonnengluth all ihre zerrissenen Linien, Schründe und Klüfte zeigen. Sengende Hitze ist hier; die Atmosphäre bebt und flimmert über der dürren Ebene und zaubert die seltsamsten Trugbilder. Drüben, wo einzelne schwarze Klippen aus dem Flugsande ragen, wallt ein langer Wasserstreifen, silbern und hell. Wie von leichtem Lusthauche gekräuselt erscheinen die blitzenden Wellen, die all die scharfen Kontouren der Klippen aufs treueste widerspiegeln. Da plötzlich hebt sich ein Berg aus dem Silbersee, eine purpurfarbene Insel mit wiegenden Palmen- und Lorbeerhainen; Wasservögel mit glänzend schönem Gefieder, weißbrüstige Schwäne, Reiher und Flamingos beleben die Küste, durchwaten das erquickende Naß und vervollständigen das traumhaft schöne Gemälde. – Es ist das Gespenst der Wüste – und morsche umherliegende Gebeine bekunden das Geschick der Unglücklichen, die den Verlockungen dieses Gespenstes, der Fata Morgana, folgten.

Im Scheine der untergehenden Sonne erglühte die ganze Landschaft in einem seltsam rosigen Licht. Fast karminroth schienen die Bergzüge, in deren Spalten blaue Schatten lagen. Bleich und kalt gegen diese Gluth dehnten sich die öden Sandflächen, aus denen nur hier und da phantastisch gestaltete Kakteen ragten. Die rosigen Tinten verblaßten mehr und mehr, der Himmel zeigte ein kaltes Grün, welches sich in stumpfes bleiernes Blau umwandelte und endlich ganz im nächtlichen Dunkel aufging.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 539. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_539.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2018)