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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Regierung und des Deutschen Reiches. Die Ausgrabungen Schliemanns bei Troja an Kleinasiens Küste, woselbst der Schatz des Priamos gehoben worden sein soll, sind für die Altertumskunde und Kunstgeschichte ebenso bedeutungsvoll, wie die Auffindung des Königsgrabes von Agamemnon in Mykenä bei Argos, auf griechischem Gebiete, epochemachend wurde. Das Auffinden der weltbekannten Venus aus der griechischen Insel Milo fällt in das zweite Jahrzehnt dieses Jahrhunderts; viel später entdeckten Engländer auf der Insel Cypern ein im Felsen ausgehauenes Königsgrab, welches kostbare Insignien der Würde des darin Ruhenden enthielt. Jene aufgefundenen Attribute der Macht, wie Scepter, Krone etc., waren in prachtvoller antiker Arbeit an fünf Pfund in seinem Golde schwer.

Auch Deutschland besitzt solchen klassischen Boden, und insbesondere sind es jene Stellen, auf welchen römische Niederlassungen gegründet waren, die sich durch werthvolle Funde auszeichnen. Süddeutschland sowie die Ufer des Rheins mögen zahllose Schätze bergen; obenan dürfte in dieser Richtung die Festung Mainz stehen. In den fünfziger Jahren fanden dort Arbeiter auf der Citadelle, dem römischen Castrum beim Aufgraben des Bodens ein großes Ehrenschwert von Rom, dem siegreichen Feldherrn Drusus vom dankbaren Vaterlande gewidmet, auf. Griff und Klinge waren von hochkünstlerischer Arbeit, ersterer in Edelmetallen getrieben. Ferner sei des bekannten Silberfundes bei Hildesheim gedacht, der, wie angenommen wird, von den Tafelgeschirren eines römischen Feldherrn herrühren soll, was, lebhaft bestritten, mehrfache Kontroversen hervorrief. Auch der Fund in einem alten Patricierhause zu Regensburg verdient erwähnt zu werden. Wahrscheinlich zu Anfang des Dreißigjährigen Krieges verborgen, wurde er dort vor etwa 15 Jahren gelegentlich einer Treppenreparatur in einer durch Wendung der Stiege gebildeten geheimen Nische aufgefunden. Die hierbei zu Tage gebrachten, in Edelmetall getriebenen mittelalterlichen Gefäße erregten durch die hohe Vollendung der Arbeit sowie durch die Reinheit des Stiles das ungeteilte Interesse aller Alterthumsfreunde.

Für Deutschland aber steht der reiche Goldfund von Vettersfelde in seiner Art vereinzelt und als ein Unicum da, weil man bis jetzt solche Schätze nur aus den großen Tumulis (Grabhügeln) des Orients, speciell der Krim, kannte. Genannte Ortschaft liegt eine und eine viertel Meile südöstlich von der preußischen Kreisstadt Guben und die kostbaren, in 23 karätigem Golde getriebenen Stücke wurden beim Ziehen eines Wassergrabens in einer Tiefe von nur einem drittel Meter auf einem Acker, eine Viertelstunde vom Dorfe entfernt, ganz zufällig entdeckt. Eines der Hauptstücke stellt einen aus starkem Goldblech getriebenen Fisch dar, der durch die Brustflosse in zwei Längshälften geteilt und mit verschiedenartigen Figuren verziert ist; nach dem Urtheile von Archäologen ist er Bestandtheil eines Schildes. Ferner wurden eine aus vier Medaillons gebildete Zierplatte, mit seltsamen Gestalten geschmückt, ein höchst kunstvoller Scheidenbeschlag, zu einem Säbel gehörig, Hängeziergeräthe, Ohrgehänge, Armringe, Dolche und Schwertgriffe, alles in hochfeinem Golde gearbeitet, aufgefunden. Die vortrefflichen künstlerischen Arbeiten deuten auf die Entstehung aus einer altgriechischen Werkstätte hin; der Zeitpunkt der Anfertigung des Fundes dürfte in das 6. Jahrhundert vor Christo fallen. An künstlerischem und materiellem Werthe bildet dieser Schmuck ein würdiges Seitenstück zum Hildesheimer Silberfunde. Er dürfte zu einer Prachtausrüstung für einen Skythenhäuptling bestimmt gewesen sein.

In betreff der Frage aber, auf welche Art dieser seltene Fund in die preußische Lausitz gekommen, sei daran erinnert, daß gegen Ende des 6. Jahrhunderts vorchristlicher Zeitrechnung ein mächtiger Strom pontischer Skythen sich unaufhaltsam nach Nordwesten durch Mitteleuropa wälzte. Durch das Heer des Darius von der Donau her bedroht, schickten die Völkerwanderer wahrscheinlich alle Habe, Frauen und Kinder voran, und ihnen selbst scheint es damals gelungen zu sein, die Perser bis über die Quellengebiete des Bug und Dnjepr nach Europa zu locken.

Mindestens ebenso reich, wie Deutschland an historischen und alten Fundstellen ist, dürfte Oesterreich-Ungarn sein. Die Oeffnungen von anderthalb tausend Keltengräbern am Rudolfsthurm bei Hallstadt auf dem Dürrenberge im Salzkammergute, wobei außer den üblichen Bronze- und anderen Gegenständen mehrfach Dolchklingen in Goldscheiden aufgefunden wurden; die Funde im Laibacher Moore, in den Umgebungen der Landeshauptstadt Laibach und auf den weiten Leichenfeldern von Watsch in Krain förderten zahllose und mannigfaltige Gegenstände zu Tage.

Das Zollerfeld in Kärnten sowie die Gefilde von Charnuntum an der ungarischen Grenze in der Nähe von Wien bergen die Reste großer römischer Städte, welche seit Jahrhunderten unabsehbar ausgebeutet werden.

Auch Böhmen ist in dieser Richtung mit seinem historischen Boden eine wichtige Fundgrube, in welcher der Berg „Hradischt“ mit der alten Feste Pürglitz eine hervorragende Rolle spielt. Im Jahre 1771 wurde im Dörfchen Podmokl, der unmittelbaren Nachbarschaft der Burg, ein umfänglicher Bronzekessel unter der Erdoberfläche aufgefunden, der, mit großen Goldstücken angefüllt, über 80 Pfund altösterreichischen Gewichtes wog und einen Metallwerth von etwa 58 000 Gulden repräsentirte. In demselben Behälter befand sich eine überaus werthvolle massivgoldene Armspange, die wie ein Theil jener Münzen im Museum des Fürsten zu Fürstenberg in Donaueschingen aufbewahrt wird. Der obere Theil jenes interessanten Bronzegefäßes ist im Schloßmuseum desselben Fürsten zu Nischburg in Böhmen aufgestellt. Ohne Ausnahme zeigten die bei dem Schatze gefundenen Goldmünzen keltischen Ursprung, beiläufig 300 Jahre vor- bis 400 Jahre nachchristlicher Zeitrechnung. Im Juni 1877 gruben beschäftigungslose Hüttenarbeiter auf dem Berge Hradischt nach urvorzeitlichen Ueberresten und fanden inmitten einer modrigen, nicht erkennbaren Masse in verwittertem Behältniß etwa 200 Stück Goldmünzen, im beiläufigen Werth von 2500 Gulden; sie zeigten dieselben Zeitperioden und Prägungen wie die zuerst aufgefundenen. Nach starken Regengüssen werden noch jetzt dort zuweilen Gold- und Silbermünzen zerstreut aufgefunden, und es müßte voraussichtlich für die Wissenschaft lohnen, wenn Burg Pürglitz, die um das Jahr 1200 erbaut ist, sammt ihren Umgebungen fachmännisch untersucht würde. Denn nicht nur Gold- und Silberstücke birgt der Hradischt, sondern auch Gegenstände aus Bernstein, Krystall, Bronze, Glas etc.; einen Beweis dafür liefert das k. k. Hofmuseum in Wien, welches, in abgesonderter Auswahl, mehr als 4000 Stück hier ausgegrabener Species besitzt.

Ein großartiger Silberfund römischer Denare, von denen leider nur 18 Pfund, 4277 Stück, vor dem Verschleppen gerettet werden konnten, wurde von zwei Brüdern zu Bakony-Szombathely im Weßprimer Komitat 1864 durch Auspflügen eines großen Gefäßes gethan. Schon im Jahre 1858 war in erwähnter Gegend ein bedeutender Schatz gehoben worden, durch die Unwissenheit der Finder aber in Hände gekommen, welche in den Münzen nur den Werth des Edelmetalls zu würdigen verstanden. Die Prägung dieser Silberdenare vertheilt sich auf 52 römische Regenten, doch entfallen auf Alexander Severus allein 743, auf Heliogabal 399 Stück.

Im Wiener Naturalienkabinet befindet sich der größte Opal, welcher bisher als geschliffenes Stück aufgefunden wurde, im Gewicht eines alten Wiener Pfundes und von dem denkbar schönsten, feurigsten Farbenspiel, der, wenn überhaupt von Goldwerth bei einem solchen Juwel die Rede sein kann, von Sachverständigen auf über zwei Millionen Gulden geschätzt wird. Er wurde zur Zeit Maria Theresias in Ungarn aufgefunden, und man vermuthet, daß er sich ursprünglich in römischem Besitze befand, doch sind die näheren Umstände, welche seiner Auffindung vorangingen, jetzt nicht mehr bekannt; unter Kaiser Josefs II. Regierung befand er sich bereits in dieser Sammlung, welcher er noch heute als eines der werthvollsten Stücke angehört.

Eine hochinteressante Entdeckung ward 1870 in einem bis dahin noch nicht durchforschten Winkel des Prager Doms, am Hradschin, gemacht. Dort fand man die seit mehr als 500 Jahren vergessene Grabstätte Rudolfs von Habsburg, des Sohnes Albrechts I. Die geöffnete Gruft barg zwei ganz morsche Kisten, deren eine menschliche Ueberreste und Reste zerfallener Goldbrokatgewänder enthielt, während die andere Reichsinsignien umschloß.

Das vom Roste zerfressene, in drei Stücke zerfallene Schwert repräsentirte keinerlei Werth; dagegen wurden Krone, Scepter und Reichsapfel, in hochfeinem Silber getrieben und stark vergoldet, unversehrt aufgefunden. Erstere, ein wundervolles Erzeugniß mittelalterlicher Goldschmiedekunst, zeigt über dem Kopfreifen je vier Lilien und ebenso viel Kreuze.

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