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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Säle um zwei große Baracken vermehrt; für die Warteschule wurde ein eigenes Zimmer hergerichtet. Die Bedeutung der Anstalt für die Gemeinde, der Kreis ihrer Beziehungen hat sich sehr vermehrt. Reichlich fließen die freiwilligen Spenden, denen die Anstalt ihre Begründung und ihre Existenz verdankt. Am 23. Januar 1878 schon hatte sie die Rechte einer juristischen Person erhalten. Knaben zwischen dem sechsten und elften und Mädchen zwischen dem sechsten und vierzehnten Lebensjahre werden ohne Unterschied der Konfession aufgenommen; der Satz für das Kostgeld ist sehr mäßig. Die Diakonissinnen verdienen für die aufopfernde Pflege der armen Kleinen warme Anerkennung; den höchsten Lohn werden sie gewiß selbst darin finden, wenn die mit bleichen Gesichtern Ankommenden frisch und fröhlich die Anstalt verlassen.

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Sprache ohne Worte. Ein sehr reichhaltiges Thema! Unsere Leser werden dabei an dieses oder jenes Zeichen und Symbol denken; aber sie werden kaum glauben, daß man eine umfangreiche Schrift über diese „Sprache ohne Worte“ schreiben kann. Und doch hat neuerdings Rudolf Kleinpaul unter diesem Titel ein solches Werk verfaßt. Da erfahren wir zuerst, daß es eine Sprache giebt, ohne Absicht der Mittheilung und Gedankenaustausch, eine Sprache der religiösen Symbole, der Ahnungen und Traume, eine Sprache der Mienen und Gebärden, denen sich dann erst eine solche mit Absicht der Mittheilung, ohne oder mit Gedankenaustausch anschließt.

Wir treten in ein Kuriositätenkabinet und ein ethnographisches Museum; der vielbelesene Autor bringt aus der ganzen Weltlitteratur seine Beispiele und Anekdoten herbei. Wir erfahren dabei manches Neue, auch aus der neuesten Zeit. Es wird sehr viele unserer Leserinnen gewiß interessiren und auch überraschen, wenn sie von einer „Briefmarkensprache“ hören, die besonders von den Damen der Reichshauptstadt gepflegt wird. Man sollte kaum glauben, daß ein so nüchternes Postwerthzeichen zum Ausdrucke der Empfindungen gewählt werden kann, und doch wetteifern die Fünf- und Zehnpfennigmarken hierin mit Rosen, Veilchen, Goldlack, Astern und Hollunderblüthen und dem ganzen östlichen und westlichen Selam der Blumensprache und ein Empfänger oder eine Empfängerin weiß schon, ehe sie den Brief eröffnet, was sie vor allem aus ihm erfahren will und was vielleicht nicht einmal darin steht, wenn die Vorsicht es verbietet. Wie aber ist das möglich? wird man fragen. Eigentlich soll die Freimarke auf dem Kouvert in die Ecke rechts oben geklebt werden; da aber diese Vorschrift nicht streng ist, so läßt sich die Marke auch an anderen Stellen des Kouverts aufkleben, und ebenso kann man sie aufrecht, quer und verkehrt anbringen. Daraus ergeben sich nun für den Kundigen allerlei Offenbarungen und Bedeutungen. Eine Briefmarke z. B. rechts oben und aufrechtstehend sagt: ich wünsche Deine Freundschaft; links oben und aufrecht sagt sie: ich liebe Dich! Rechts oben verkehrt meint sie: Schreibe nicht mehr! Links oben quer: Mein Herz gehört einem andern etc. Gewiß, von diesen postalischen Geständnissen mittelst Briefkouverts hat sich Excellenz Stephan auch bei seinen kühnsten Neuerungen, bei seinen die ganze Welt beherrschenden Reformen nichts träumen lassen.

Ueber Lachen und Weinen, über den Kuß, die Bildersprache finden sich allerlei sinnige und ergötzliche Mittheilungen. Wie man heutzutage das Lachen kauft und die Heiterkeit bestellt, um damit Reklame zu machen: das belegt der Verfasser mit der Anekdote von den Pariser Sandwichmännern. Ein Sandwichman ist ein armer Teufel, der mit je einer Anzeigetafel auf der Brust und auf dem Rücken durch die Straße zieht. Seine Heimath ist London. An einem schönen sonnigen Herbstsonntagnachmittag des vorigen Jahres bemerkte man nun einen Zug von etwa fünfzig solcher Sandwichmänner in Paris. Sie boten nicht den gewohnten Anblick trübselig hinschleichender, stumpfer Kopfhänger, sondern schienen allesammt von einer unbändigen Lustigkeit erfaßt zu sein. Jeder hielt ein Blatt in der Hand, in dem er las oder zu lesen vorgab, und drückte auf die mannigfaltigste Weise das größte Ergötzen aus. Der eine blieb alle paar Schritte stehen, warf den Kopf zurück und hielt sich die Seiten vor Lachen; der andere krümmte sich, von einem lautlosen Gelächter geschüttelt; der dritte machte Luftsprünge und hob beide Hände wie außer sich in die Höhe und so, mit beständiger Abwechslung, die ganze Reihe der Fünfzig entlang. Was bedeutete das? Waren die Leute plötzlich verrückt geworden? Hatten sie Lachgas geathmet? Nein. Die Sache war viel einfacher. Wie ein Blick auf ihre Anzeigetafel lehrte, waren sie dafür bezahlt, die Aufmerksamkeit des Publikums auf ein neues Witzblatt zu lenken, und ihre Auftraggeber hatten den Einfall gehabt, die großartig erheiternde Wirkung ihrer Zeitung durch Sandwichmänner mimisch darstellen zu lassen.

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Vogtländerin. (Mit Illustration S. 493.) Zu denjenigen mitteldeutschen Volkstrachten, die der alles gleichmachende Zug der Zeit immer mehr und mehr verschwinden läßt, gehört auch die des Vogtlandes, jenes Landstriches zwischen der Eger, Saale und Elster, der, so rauh er dem Fremden auch scheinen mag, doch schön genug ist, um unter den Landeskindern eine sprichwörtlich gewordene Heimathsliebe hervorzurufen. Bauer und Bauerdirne haben indeß längst gelernt, sich städtisch zu tragen; sie haben die alte Tracht meistens abgestreift, und nur die bejahrtere Bäuerin hat ihre Anhänglichkeit an dieselbe bewahrt, obschon diese Tracht auch für jugendliche Gestalten sehr kleidsam war. Das zeigt unser Bild: die kleine Dirne, die mit einer Schüssel voll „Grüngeniffter“ (rohe Kartoffelklöße, das Leibgericht der Vogtländer und Thüringer) zur Thür hereintritt, lacht ganz seelenvergnügt aus ihrer „Buckelhaube“ hervor, dem Prachtstück ihrer vogtländischen Toilette. In Form eines Kegels, dessen abgestumpftes Ende der mit allerlei goldglitzerndem Flitterwerk in oft ganz eigenartigen Verzierungen ausstaffirte „Haubenfleck“ krönt, sitzt sie auf dem Hinterhaupt und wird von einem buntschillernden Seidentuch, das über der Stirn zur Schleife geknüpft ist, umschlungen. Das Gesicht umrahmt ein schwarzer Spitzenbehang, während am hintern Ende breite schwarze Seidenbänder niederhängen. Das dicke, mit engen, an den Achseln aufgebauschten Aermeln versehene Mieder, auch „Spenzer“ genannt, der weite Rock mit der ihn fast ganz bedeckenden grünseidenen Schürze und das buntgeblümte Halstuch vervollständigen die hübsche Tracht, die leider! allmählich verschwindet.






Am Reichenbach. (Mit Illustration S. 497.) Der Reichenbach im Berner Oberlande, von dessen Wasserstürzen hier einer nach dem Oelbilde von J. G. Steffan als Stimmungsbild vorgeführt wird, bildet schon seit dem vorigen Jahrhundert für die Maler der verschiedensten Nationen einen Hauptanziehungspunkt. Der Künstler selbst schreibt: „Wenn man von Meyringen im Berner Oberlande die Aare überschreitend an den Reichenbach gelangt, führen längs desselben Fußwege nach den Höhen hinauf, vorüber an den verschiedenen köstlichen kleineren und größeren Wasserfällen, die den Lauf desselben aus dem Hochthal von Rosenlaui nach dem Haslithale hinab stufenweise begleiten; in diesem malerischen Terrain befindet sich auch einer dieser Wasserstürze, die dem Bilde als Motiv dienen.“

Großartiger sind die obern Fälle, besonders der oberste, der sich zwischen den Felsen des Schingel- und Burghornes hervordrängt, dessen Sturz etwa 60 Meter beträgt. Wer aber für die feineren malerischen Genüsse begeistert ist, wird die kleinen Wasserfälle vorziehen, wie derjenige, den Steffan dargestellt hat. Er führt uns die ergreifenden landschaftlichen Eigenthümlichkeiten der Schweiz im Kleinbilde vor. Hier sieht man den wildströmenden Bergstrom, der sich bald erweitert, bald durch gewaltige Steinblöcke eingeengt wird, dort mächtig geschichtete zerspaltene Felsen mit pittoresken Formen und Farben, auf den terrassenförmig ansteigenden Hügeln kräftig aufstrebenden Baumwuchs, der bald geheimnißvolles Dunkel, bald lichte Fernsichten bildet. Oben auf der grünen Wiese über dem wildbewegten Wasser erblickt man die behaglich gelagerte, weidende Herde – eine friedliche Idylle!






Menschenfresser in Ostindien. Während die Bevölkerung der Südseeinseln durch die Berührung mit den Europäern immer civilisirter wird und barbarische Unsitten, wie das Menschenfressen, dort im Aussterben begriffen sind, sprechen neuere Berichte, besonders diejenigen des Engländers John C. Nasfield, von Menschenfressern unter der Urbevölkerung Vorderindiens, wo natürlich religiöse Ceremonien damit im Zusammenhange stehen oder auch ein blinder Aberglauben. Im Bezirke Mirzapur sollen Männer und Frauen, welche einen Berg auf einem gewissen Pfade herauf stiegen, spurlos verschwunden sein. Ein Zauberer in einer Berghöhle soll sie getödtet und verzehrt haben, da er seine Zauberkraft nur solchem Mahle verdanke. Einige Stämme Mittelindiens sollen das Fleisch der Männer und Knaben, welche sie der Todesgöttin geopfert, bis in die neueste Zeit verzehrt haben. Die Musharas pflegten bis vor kurzem ihre todten Eltern aufzuessen; diejenigen, die dem Tode nahe waren, luden ihre Verwandten ein, daß sie nach ihrem Hinscheiden sie verspeisen möchten. In der Nähe von Buster wurde noch vor kurzem eine Menge Menschen zu Menschenopfern fortgeschleppt.

Hoffen wir, daß solche Greuel vor der immer mehr um sich greifenden Civilisation nicht mehr lange Stand halten!






Skat-Aufgabe Nr. 9.[1]
Von F. A. Falck in Leipzig.

Die Hinterhand spielt Grün (p.) Solo auf folgende Karte:

(tr. B.)
(c. B.)
(car. B.)
(p. Z.)
(p. K.)
(p. 9)
(tr. As)
(tr. 8)
(tr. 7)
(car. As)

Im ersten Stich wird ihr vorgespielt. Nimmt der Spieler den Stich mit, so verliert er und die Gegner erhalten 61 Augen; läßt er dagegen den Stich laufen, so gewinnt er und die Gegner bekommen höchstens 57 Augen. – Wie sitzen die Karten und wie ist in beiden Fällen der Gang des Spiels?

Auflösung der Skat-Aufgabe Nr. 8 auf S. 468:

Der Spieler sitzt in Hinterhand. : Skat gD, gK

Vorhand: eZ, e9, e8, gZ, gO, rK, rO, r9, r8, r7
Mittelhand: eD, eO, g9, g8, g7, sZ, sK, s9, s8, s7
1. rK, eD, rZ (– 25)
2. sK, sD, eZ (– 25)
3. rO, e0, rD (– 17)
4. sZ! SO, gZ (– 23)

Der Spieler, welcher Schneider angesagt hatte, ist selber Schneider geworden.

  1. Diese Aufgabe ist im Problemturnier des vorjährigen Skatkongresses durch einen Preis ausgezeichnet worden.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 500. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_500.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2018)