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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

man hätte sie im Verdacht, etwan da und dort gegen gut Geld und heiliges Versprechen des Schweigens manch Liebestränklein abgegeben zu haben. Der Nimbus einer Hexe umgab ihr Thun und Treiben; aber zur Erforschung der Zukunft wagt man alles und fürchtet weder Hexen, noch böse Geister.

Der Kaffee war getrunken; die Kaffeetasse und das Gebäck waren abgetragen und der Tisch abgewischt, da zog die Alte ihre Karten aus der Tasche, setzte ihre in Messing gefaßte Brille auf die Nase und guckte darüber weg mit ihren kleinen unruhigen Aeuglein die drei blühenden Mädchen im Kreise herum an.

„Wem soll ich kartenschlagen?“

„Mir, mir,“ riefen die älteren Zwei.

„Wen’s trifft, wir wollen mal sehen,“ sagte die Alte und legte die Karten; ’s Resei mit rothem Gesicht konnte den weisen Spruch nicht erwarten und ’s Vreni stellte sich neben Marei, um von oben besser in die Karten schauen zu können. ’s Marei aber machte ein spöttisch Gesicht, denn sie ging’s doch nichts an.

„Ich seh’ ihn schon,“ sagte die Wahrsagerin „da ist er.“

„Wie schaut er denn aus?“ rief vorlaut ’s Marei.

„Das kommt zuletzt, nur hübsch Geduld. Eichel, Eichel, viel Verdruß; hier kommt ein Grafen, das bringt Hoffnung dem Herz-Unter; schau, schau, der Graszehner, also ein Brief scheint die Sache zu vermitteln, nachdem die Alten nichts davon wissen wollen – Schellen-Ober, aha, er hat Geld; Eichel-Aß, ein großer Verdruß trennt sie noch immer – aber Herz-Ober – sie finden sich und kriegen sich und die Alten sagen Ja und Amen.“

„Ach,“ rief Therese, und ’s Vreni – „wer ist’s denn, wie schaut er aus?“

„Und wer ist der Herz-Ober?“ sagte ’s Marei.

„Wie schaut er aus?“ sagte die Alte; „er ist groß und schön gewachsen, hat blonde Locken und blaue Augen, eine Joppen und ein’ grünen Hut und den Stutzen zur Seiten, (’s Marei war wie verhext – im Herzen drin fing es an zu pochen und das Blut stieg ihr hinauf und weiter in die Wangen, daß sie dunkelroth wurden) und der Herz-Ober – (die Alte nahm ihn in die Hand und sah ihn prüfend an) das bist Du,“ platzte sie heraus, mit dem Zeigefinger auf das verwirrte Marei deutend, die lieber in den Boden versunken wäre, zum Erstaunen ihrer beiden Schwestern.

Diesen Moment hat unser Künstler erfaßt und mit liebevoller Treue auf die Leinwand gebannt. Es ist ein Bildchen aus dem Leben genommen und der Moment erfaßt, wie er wirklich war; denn auch die Geschichte ist wahr und noch nicht zu Ende, und der Maler hat die Stube und die Töchter und die Alte oft gesehen und sie nicht vergessen, wie die treue Wiedergabe in seinem Bilde uns zeigt; und wenn Ihr wissen wollt, wie die Geschichte weiter ging, so weiß es niemand besser als unser Maler, und der wird euch gerne erzählen, daß die Karten der alten Urschel diesmal recht behielten und daß die blonde Marei und der Jägerfranz sich wirklich kriegten.

G. Kunkler.

Zur Geschichte der Namen in Deutschland.

Die Zutheilung eines Namens an einen Menschen ist eine der wichtigsten Thatsachen im Leben desselben: durch sie hört er gewissermaßen auf, ein bloßer Gattungsbegriff zu sein und gewinnt individuellen Werth und persönliche Bedeutung, die ihn von vornherein von anderen seinesgleichen unterscheiden.

Alle Namen haben eine bestimmte Bedeutung, wenn diese auch im Laufe der Zeit vielfach verloren oder doch verdunkelt worden ist, und darum ist die Erkenntniß derselben für die Kulturgeschichte von hohem Werthe; in ihnen spiegelt sich aufs treueste der Kulturzustand und die Anschauungsweise eines ganzen Volkes wieder.

Im Hinblick auf die Wichtigkeit der Beilegung eines Namens fand und findet dieselbe bei allen Kulturvölkern unter Beobachtung gewisser Feierlichkeiten statt, die durch Tradition oder Kultus festgestellt worden sind und der Eigenart derselben entsprechen.

Bei den germanischen Völkern bestand dieser Akt darin, daß das neugeborene Kind in Gegenwart eigens dazu geladener Zeugen gebadet, hierauf von dem angesehensten derselben, gewöhnlich dem Bruder der Mutter oder vom Großvater, mit Wasser übergossen und dabei mit einem einzigen Namen belegt wurde.

Zergliedert man die ältesten deutschen Namen genau, so findet man, daß darin immer große, edle, entweder geistige oder körperliche Eigenschaften, Erinnerungen oder Wünsche ausgesprochen wurden, und man kann sagen, daß dem Kinde sofort bei seiner Geburt, wie in allen Dingen, so auch in dieser Beziehung eine edle Anregung und Richtung gegeben wurde. Alles was dem Germanen werth und theuer war, was er hochschätzte, finden wir in den einzelnen Bestandtheilen seiner Eigennamen zusammengefaßt. Sie sind hervorgegangen aus den Idealen, welche der Kreis nationaler Anschauung geschaffen; sie sagen dem Kundigen heute noch, wie der alte Germane lebte, dachte und handelte und wie er wollte, daß seine Kinder leben, denken und handeln sollten.

Fassen wir einzelne solche Bestandtheile ins Auge.

So bedeutet amal unbefleckt, adal edel, reich, karl starker Mann, ram kräftig, handfest, win gewinnen, überwinden, er hohe Art, Ehre, leot, liut lauter, bret prächtig, drut traut, bald kühn, gewaltig, brand hervorleuchtend, gunt edles Weib, ric, rich reich, mächtig, vig Kampf, Kämpfer etc.

Hiernach ist es vielfach der Sinn für Mannhaftigkeit, Kampf, Sieg und Waffenruhm, aber auch für weises, gesetzliches und friedliches Walten, für ein geregeltes öffentliches und Privatleben, der in den Namen sich ausspricht, und zwar nicht nur in denen der Männer, sondern auch der Frauen.

Die Namen der letzteren wurden meist aus den Männernamen gebildet, indem man diesen eine weibliche Endung anhing. Einigen Vorzug hatten dabei diejenigen Stammsilben, deren Bedeutung für das weibliche Geschlecht besonders angemessen war, wie namentlich amal, trut und gunt entweder in Zusammenstellungen mit einander, z. B. Amaltrut, Amalgunt oder mit anderen Silben z. B. Amalsuintha, Gertrud, Hildegunt etc.

Abgesehen von denen der Götter sind die Namen vielfach durch römische Endsilben wie us und um sowie durch Umbildung des deutschen ric (reich) in rix entstellt. Beispiele hierfür geben Tacitus, Caesar, Strabo etc. in den Männernamen Alpin, Alfenus, Ambiorix, Ariovist, Malorix, Teutomad, Brinno, Segest, Segimer, Cesorix, Teutobod, Marbod, Mallovendus etc. und in den Frauennamen Aurinia, Epponina, Rhamis, Veleda, Thusnelda, Gauna.

In der Zeit der Merowinger, vom Ende des 5. bis um die Mitte des 8. Jahrhunderts, herrschen noch die althergebrachten germanischen Personennamen weitaus vor und verschwinden neben denselben die lateinischen Heiligennamen fast ganz und gar. Da finden wir bei Gregor von Tours: Alarich, Childebert, Agin, Audo, Berthramm, Dagobert, Charinwald, Attila, Baddo, Agnes, Fredegunde, Chlodosinda etc., im Leben des heiligen Gallus: Columban, Chlotar, Audomar, Meginald, Brunhilde, Fridisurga etc., im Leben der heiligen Balthilde: Waldalen, Chrodowald, Ado, Dado, Theudemanda, Aiga etc., in der Chronik des Fredegar: Sigismund, Guntram, Gundoald, Arnulf, Adalulf, Agilulf, Crodobert, Fredegunde, Gomatrud, Chlotilde etc., im Leben des Abtes Otmar: Waltram, Pippin, Gogbert, Marie etc.

Eben dasselbe Verhältniß zwischen den alten heidnischen und den neuen christlichen Namen besteht auch in den folgenden Jahrhunderten unter den Karolingern und den sächsischen Kaisern fort.

Bis in die Zeit der fränkischen Kaiser (11. und 12. Jahrhundert) gab es in Deutschland keine Stamm- oder Geschlechtsnamen, sondern nur Eigennahmen (unsere Vornamen). Und auch jetzt gab es eigentlich nur solche, doch fing man an, aus verschiedenen Gründen, insbesondere zur Unterscheidung von Personen gleichen Namens wie schon früher im gewöhnlichen Leben, so jetzt auch in Urkunden etc. gewisse Beinamen hinzuzufügen, welche zwar bei der Benutzung der lateinischen Sprache als Schriftsprache ebenfalls latinisirt zu werden pflegten, aber von Hause aus deutsch waren. Solche Beinamen bezeichneten nicht bloß eine körperliche oder geistige persönliche Eigenschaft, wie groß, klein, sondern auch eine Aehnlichkeit, wie Wolf (lupus) , oder ein Amt oder eine Beschäftigung wie Markwart (Marquardus, Schenke), oder die Herkunft vom Vater durch Anhängen eines a, sen (Sohn), er, ing oder ling, wie z. B. Harringa der Sohn des Harring, oder sie bezeichneten den heimatlichen Besitz, wie: der Sachse, der Franke, der Staufe etc.

Aber noch immer wurden solche Beinamen nur einzelnen Personen zugetheilt, und erst seit Söhne, Enkel etc. anfingen, den Eigen- oder Beinamen des Vaters resp. Großvaters fortzuführen und auf ihre Nachkommen zu vererben, kann von eigentlichen Stamm- oder Geschlechtsnamen die Rede sein. Der Adel namentlich zog es vor, sich nach dem Besitze zu nennen, z. B. von Habsburg, von Zähringen, von Babensberg etc., daher so oft die Endungen: berg, burg, thal, feld, wald, dach, dorf. Dabei ist jedoch wohl zu bemerken, daß selbst Brüder, ja Sohn und Vater trotz ihrer Beinamen nach dem Besitze noch gar oft ganz verschiedene Namen haben, weil sie eben ganz verschiedene Besitzungen hatten, nach denen sie sich nannten. Das dauert bis ins 15., ja 16. Jahrhundert hinein fort und bis dahin blieben die Geschlechtsnamen immer noch selten.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 482. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_482.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2018)