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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Illustrationen zu Rückerts „Liebesfrühling“ kann man die vielseitige Gestaltungskraft des Künstlers erkennen und würdigen. Zwölf Bilder zu deutschen und italienischen Opern erweisen ebenfalls H. Kaulbachs künstlerisch rege und frische Phantasie, welche außerdem in seinen originellen Hofnarrenbildern aufblüht, die leider zu wenig bekannt geworden sind, weil sie – kaum fertig gemalt – von Kunstfreunden erworben wurden. Hoffentlich wird der Künstler diese eigenartigen Bilder in einem Sammelwerke herausgeben. Eines derselben, „Der Herzensvertraute“, hat die „Gartenlaube“ im Jahrgang 1887, Seite 28 wiedergegeben. Das Bild, welches unsere heutige Nummer schmückt, „Mädchenblüthe“, ist, wie wir verrathen wollen, das Porträt seiner Tochter.

Der Entwicklungsprozeß bewegt sich bei Hermann Kaulbach, der jetzt zweiundvierzig Jahre alt ist, noch immer in aufsteigender Linie, denn von Bild zu Bild wächst sein Können und der Werth des von ihm Geschaffenen. Gleichwohl bewahrt sich dieser Historienmaler seine liebenswürdige Bescheidenheit, da er als denkender, strenge Selbstzucht haltender Künstler genau weiß, daß die äußersten Grenzen der Kunst ebenso wie die letzten Grenzlinien des Wissens einem jeden gewissenhaft Strebenden unerreichbar erscheinen.

Dr. Adalbert Svoboda.     



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Am Leuchtthurm.
Novelle von Gerhard Walter.

Also das war dein erster Gruß nach vielen, vielen Jahren, mein lieber alter Hausbursch! Wenn du wüßtest, wie er mich gefreut hat! Aber du weißt es ja, du Treuer! Und wenn du gleich das Weltmeer und den Aequator zwischen uns gelegt hast, und wenn wir uns auch scheinbar seitdem in Freud’ und Leid des Lebens aus den Augen verloren: oft habe ich doch dein gedacht in deinem Wandel unter Palmen und auch du hast deine Gedanken über den Ocean fliegen lassen, bis sie die sicht- und greifbare Gestalt eines Briefes annahmen, der mir erzählte, daß dir Glück und Liebe drüben hold gewesen, daß du deiner dunkeläugigen und schwarzlockigen Donna Juanita Teresa de Oliveira auch von mir berichtet, und daß sie, die Edle, dich getrieben, das erste Exemplar deiner Verlobungsanzeige an mich zu schicken. Das wirft ein wahrhaft elektrisches Licht auf euch beide. – Zum Lohn will ich dir nun auch einen langen, langen Brief schreiben, nachdem ich deiner Braut die Hand geküßt und sie dir so gedrückt und geschüttelt habe wie an jenem Abend beim „Siebenkäs“, als wir aus Maßkrügen Schmollis tranken in seliger Fuchsenzeit.

Mir ist so riesig wohl zu Muth heut Abend. Was für Bilder hat dein Brief vor meiner Seele erstehen lassen! Komm, setz’ dich zu mir, wie einst auf dem steinharten Kattunsofa der Madame Ruck – mein jetziges ist etwas weicher und mit olivenfarbenem „Granit“ überzogen – nimm dir wieder die lange Couleurpfeife vom Nagel und laß uns wieder jung werden!

Wenn sich zwei nach langen Jahren treffen, dann fliegt es herüber und hinüber, das köstliche: „weißt du noch?“ – Und zu dem kleinen Roman meines Lebens, den ich dir jetzt als Antwort auf den deinen erzählen will, muß ich auch den Anfang machen mit „weißt du noch?“ Nur vorher zu deiner allgemeinen Orientirung bemerkend, daß ich Landrichter in diesem reizenden Bergstädtchen und –. „Doch ich will nicht vorgreifen,“ wie jene sagte.

Ja, Fritz, weißt du noch, wie wir an einem wunderschönen Apriltage uns zum ersten Mal als Hospitanten in der Germanenkneipe trafen und da gleich entdeckten, daß wir in demselben Hause wohnten? Weißt du noch, daß wir am nächsten Morgen zusammen zum Frühschoppen bei dem oben erwähnten Manne mit dem melodischen Namen zogen und daß der Frühschoppen bis zur Dunkelheit und noch etwas länger dauerte? Weißt du noch, daß wir dann im gleichen Schritt und Tritt wieder auf die Germanenkneipe zogen und uns gleich zusammen zum Einspringen meldeten?

Und was dann kam – so das wissen wir beide nicht mehr! (Prost, ich komme dir ’nen Halben, Confuchs; habe mein Seidel neben mir stehen; das Glas ging längst in Trümmer, aber den Deckel habe ich noch, und unter all den vielen eingeritzten Namen – habe neben manchen schon ein Kreuz ins Zinn graben müssen – steht auch deiner!)

Aber ich führe dich wieder in meine Bude. Da seh’ ich vor uns meinen runden Zehnmännertisch mit der weißgrünen Wachstuchdecke und auf ihm eine kleine Spiritusmaschine, und sehe in dem kleinen Blechtopf unsere gewohnheitsmäßigen vier Abendeier sieden. Zuweilen nahmen wir auch die kleine Pfanne in Gebrauch und machten uns Spiegeleier, manchmal auch, besonders zu Anfang des Monats, Rührei; und die Welt war eine Einrichtung, an der wir nichts, gar nichts auszusetzen hatten, wenn wir nach vollbrachtem Mahl mit der meterlangen Pfeife zum Fenster hinausschauten, in Geduld die Stunde abwartend, bis wir auf die Kneipe stiegen.

Aber entsinnst du dich auch wohl noch, daß auf der andern Seite der Straße ein Garten lag, ziemlich verwildert, so etwas eichendorffisch romantisch, mit Gebüsch, das niemals Schere und Messer gesehen, und mit Wegen, die anderswo als Grasplätze gegolten hätten? Und daß aus dem dichten Grün zuweilen silberhelles Lachen klang, und daß über die Steige zuweilen zwei allerliebste Mädchengestalten huschten, die eine davon mit dunkelbraunem, die andere mit blondem Haar? Dann weißt du auch noch, daß ich in die Braune bald aufs heftigste verliebt war, und weißt, wie wir in den Garten hinunterspähten, wo sie manchmal bei dem verwilderten Rosenbeet sich zu schaffen machten und wir sie so recht ohne Deckung bewundern konnten.

Du weißt aber noch mehr! Auch daß wir eines Sonntagnachmittags vergnügt und guter Dinge, aber ehrbar und sittsam hinausgingen nach dem „Weißen Schwan“ – und daß ich erschrak und roth wurde wie ein Pensionsmädel, das ein Lieutenant zum Lancier auffordert, als ich dort unterm Fenster im grünen Kleide meine holde Nachbarin vom Garten sitzen sah zwischen ihrer Schwester und einer alten Tante, welche den beiden Mädels, die sonst wohl nicht viel herauskamen, auch einmal ein Vergnügen hatte machen wollen. Und wie ich da noch im seligen Schreck in der Thür stand, da hob sie die großen, blauen Augen – das war eben ihre Hauptschönheit, die braunen Haare und die blauen Augen und sah mich – und – es zieht mir noch warm durchs Herz vor Freude! – und wurde dunkelroth. Ja, wenn Schiller nur das Eine gedichtet hätte: „Das Auge sieht den Himmel offen“, dann wäre er doch mein Liebling und ich hätte mir seine gesammelten Werke gekauft.

Altes, gutes Tantchen, hättest du geahnt, wie allmählich hinter deinem schmalen Rücken ein Kreuzfeuer eröffnet ward, erst nur scheu und schüchtern, nach und nach immer stärker, und wie dabei zwei junge, frische, unverdorbene Herzen, das eines Juristen im ersten Semester und das eines jungen Sanitätsrathstöchterleins, in lichter Gluth auflohten – ach, da wärst mit deiner Häkelarbeit zu Hause geblieben, über die du so wundervoll kurzsichtig gebeugt hinter deinem Steinkrügel saßest! Und du hättest kaum so harmlos dem Studenten gedankt, der dich und deine lieblichen Schützlinge in den Tannen von Stieglitzhof einholte, um sich gemessen zu erkundigen, ob eine der Damen vielleicht das eben auf dem Wege gefundene duftige Taschentuch verloren habe; und hättest nicht so gutmüthig und redselig dich für verpflichtet gehalten, ein Gespräch anzuknüpfen über den wundervollen Nachmittag, ein Gespräch, das du, Fritz, so verständnißinnig aufzunehmen und fortzusetzen verstandest, neben der guten Dame und dem klugen Aennchen gehend, während der andere Germane freudetrunken hinter euch herwandelte an der Seite Hildegards, die vor Freude über das wiedergefundene Tüchlein wie eine Rose glühte. Die beiden sprachen eigentlich nicht viel zusammen und äußerlich war’s eine etwas verlegene Partie. Aber am Wege, da, wo er umbog, stand ein prachtvoller rother Fliegenpilz unter einer grünen Tanne; den zeigte er ihr, und sie standen davor still und besahen ihn sehr ernsthaft; ihre Hände streiften sich, zwei warme Hände – und plötzlich schlang er den Arm um das reizende Kind, neigte sich zu ihr, küßte sie auf die weichen, süßen rothen, warmen Lippen und seine Augen blickten tief in die blauen sonnigen Augen, die im

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 462. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_462.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2018)