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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Blätter und Blüthen.


Aus den Trauertagen in Potsdam. (Mit Illustrationen S. 444 und 445 und S. 448.) Ohne Prunk sollte noch dem eigenen Wunsch weiland Kaiser Friedrichs, des hohen Dulders, dessen Bestattung erfolgen, und wenn auch dem letzten Willen des verewigten Monarchen, so weit es möglich war, Rechnung getragen wurde, gestaltete sich doch die Trauerfeier zu einer unvergeßlichen, die Herzen im Tiefinnersten ergreifenden.

Schon Sonnabend, den 16. Juni, wurde die Leiche Kaiser Friedrichs in der Jaspisgalerie des Schlosses Friedrichskron auf dem Paradebett aufgebahrt und Tausende wallfahrteten dorthin, um den hohen Verblichenen zum letzten Male zu sehen.

Die gelben Wände des weiten Saales waren mit schwarzem Tuch ausgeschlagen, die Fenster verhängt. Die eine Wand wurde durch schwarze Draperien in einen Altar umgewandelt, über dem ein einfaches Christusbild hing. Vor den Stufen dieses Altars stand der offene Sarg. Das Haupt Kaiser Friedrichs ruhte unbedeckt auf einem weißen Atlaskissen. Die Gestalt war in den Militärmantel gehüllt; Orden schmückten die Brust, und weiter unten lag über der Leiche die purpurne Königsstandarte ausgebreitet. Zwei große Kandelaber und Kronleuchter, die vom Plafond herabhingen, warfen ein mattes Licht auf den todten Kaiser und die stumme Todtenwacht. An diesem ergreifenden Bilde zogen in stiller Andacht zahllose Leidtragende vorüber: hohe Beamte, ergraute Waffengefährten Friedrichs, trauernde Frauen – Tausende aus dem Volke, welches den volkstümlichen Kaiser so sehr geliebt.

Montag den 18. Juni standen schon am frühen Morgen ungezählte Volksmassen längs der Trauerstraße, die von Friedrichskron nach der Friedenskirche führte. Sie harrten auf den kaiserlichen Sarg und den glänzenden Trauerkondukt, welcher ihm das letzte Geleit geben sollte.

Unsere Illustration S. 444 u. 445 giebt den Augenblick wieder, in welchem der mit rothem Sammet ausgeschlagene, mit dem Ritterhelme geschmückte Sarg durch die große Flügelthür des Muschelsaales und über die Schloßterrasse nach dem Leichenwagen getragen wird.

Minister mit den Reichs- und Kroninsignien schreiten dem Sarg voran; Unteroffiziere tragen, Offiziere geleiten ihn; das Reichspanier folgt ihm nach.

In diesem Augenblicke salutirte die deutsche Armee, deren Deputationen im Schloßhofe und längs der Trauerstraße versammelt waren, ihren heimgegangenen obersten Kriegsherrn; die Truppen präsentirten; die Fahnen senkten sich; gedämpfter Trommelwirbel erscholl und sämmtliche Musikcorps fielen mit; „Jesus meine Zuversicht“ ein.

Das Gewölk, welches bis jetzt den Himmel bedeckte, zertheilte sich; lichte Sonnenstrahlen fielen auf den Trauerzug, der unter den Klängen der Trauermusik nach der Friedenskirche schritt. Die Sonne verklärte den letzten Weg Kaiser Friedrichs.


Die Friedenskirche in Potsdam. An dem stillen Spiegel eines der Seen, welche die Gärten von Sanssousi beleben, erhebt sich im lauschigen Grün der Bäume die Friedenskirche, die Kaiser Friedrich zu seiner letzten Ruhestätte gewählt hat. Sie ist von Friedrich Wilhelm IV. in den Jahren 1845 bis 1848 erbaut und der Kirche von St. Clemente in Rom nachgebildet worden. Der Grundstein wurde am 14. April 1845, hundert Jahre nach der Gründung von Sanssoisi, gelegt. König Friedrich Wilhelm IV. wollte damit seinem Wunsche Ausdruck geben, daß gegenüber dem Schlosse, das ein Symbol eines sorgenfreien Lebens sein sollte, sich ein Gotteshaus erhebe, welches an den inneren Frieden der Seele gemahne.

Der Weg zu der Kirche führt durch das sogenannte Atrium, den Vorhof, an dem sich eine lange Säulenhalle aufschließt. Inmitten des Vorhofs steht über einem Kunstbrunnen ein kolossales Christusbild von Thorwaldsen.

Das Innere der Kirche selbst macht den Eindruck ernster Schönheit. Das Mittelschiff wird von ionischen Säulen aus dunklem Marmor mit weißen Kapitälen getragen; die Apsis ist mit einem kostbaren Mosaikbilde geschmückt, welches König Friedrich Wilhelm <t>IV. auf einer italienischen Reise aus der Kirche St. Cipriano de Murano gekauft hat. Wahre Kunstwerke sind die Kanzel, das Gebetpult und der Altar, sämmtlich aus pentelischem Marmor gehauen. Ueber dem Altar breitet sich ein vergoldeter Baldachin mit Säulen von grünem Jaspis, welche Kaiser Nikolaus von Rußland dem Könige geschenkt hat.

In der Friedenskirche wurde ihr Erbauer König Friedrich Wilhelem IV. nebst seiner Gemahlin Elisabeth begraben. Später wurden in der links vom Altar gelegenen Sakristei die im frühen Alter verstorbenen Söhne Kaiser Friedrichs, Siegismund und Waldemar, beigesetzt.

Der Sarg Kaiser Friedrichs ist nur vorläufig in der Friedenskirche niedergelegt worden; denn schon in nächster Zeit soll neben diesem Gotteshause ein Mausoleum für Kaiser Friedrich und seine Familie errichtet werden.

Die Friedenskirche in Potsdam.
Originalzeichnung von F. Wittig.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 451. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_451.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2018)